Top 100 - Cloud Computing 2012

Cloud ist nicht gleich Cloud

25.09.2012
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Keine Frage: Cloud Computing ist nicht nur als Theoriediskussion in den IT-Zentralen angekommen. Die Wolke ist Wirklichkeit geworden in deutschen Unternehmen. Aber Cloud ist nicht gleich Cloud.
Milind Govekar, Gartner: "Die nennen uns hier nur Dr. No!"
Milind Govekar, Gartner: "Die nennen uns hier nur Dr. No!"
Foto: Gartner

Die Vorteile des IT-Paradigmas sind schnell aufgezählt: Anbieter von Cloud-Services können standardisierte Leistungen schnell und zu kalkulierbaren Preisen anbieten. Hierin sind sich alle Marktbeobachter einig. Ob Forrester Research oder Experton, ob IDC oder Gartner, alle sehen, dass Fachabteilungen in vielen Fällen ihre IT-Organisationen umgehen und sich in der Cloud selbst bedienen. Milind Govekar von Gartner Research in London beschreibt an einem typischen Beispiel, was in den Unternehmen geschieht: Er habe in einem großen deutschen Betrieb einmal nachgefragt, wie viele Cloud-Service-Projekte verfolgt würden. Ungefähr 20, lautete die Antwort. Auf die weitere Frage, wie viele von der IT-Abteilung angestoßen worden seien, beschied der IT-Verantwortliche den Gartner-Analysten: "Kein einziges."

Offene Sicherheits-, Compliance- und Integrationsfragen, manchmal auch schlicht die große Distanz zum Business, sorgten dafür, dass die IT-Organisation oft nicht mit im Boot ist oder sogar das Image eines Blockierers habe. Govekar behauptet gar, der CIO eines großen deutschen Konzerns habe ihm gesagt: "Die nennen uns hier nur Dr. No!" Die Mensch gewordeneVerweigerungshaltung.

Günstiger und schneller

Inwieweit die Gartner-Sicht Realität wiedergibt, mag dahingestellt bleiben. Zutreffend ist aber, dass Cloud-Service-Anbieter in vielen Fällen schneller und günstiger Leistungen realisieren können als die firmeninterne IT. Wie das möglich ist? Anbieter von Cloud-Services beherrschen die Cloud-Technologien und haben ihre Rechenzentren in hohem Maße automatisiert und virtualisiert. So profitieren sie von Skalenvorteilen: Die Data Center können günstig mit modernster Technologie bestückt und in einer Weise ausgelastet werden, wie es private Betreiber kaum vermögen.

Cloud-Service-Provider können ihre Dienstleistungen damit zu besonders attraktiven Preisen anbieten. Für Kunden entsteht außerdem - im Idealfall - der Vorteil, IT-Leistungen nach Bedarf abzurufen und zu bezahlen. Zudem entfallen die hohen Anfangsinvestitionen in den Kauf und die Inbetriebnahme neuer Technologien, also die sogenannten Capital Expenditures (Capex), wenn Unternehmen Cloud-Dienste nutzen. Es fallen lediglich laufende Kosten an, die Operational Expenditures (Opex).

Schließlich schafft Cloud Computing auch ein hohes Maß an Flexibilität und Agilität bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen. Die zugekauften Dienstleistungen verkürzen schlicht die Zeit, um IT-Ressourcen bereitzustellen. Der komplette Beschaffungsweg mit den hierfür intern entwickelten Abläufen entfällt. Firmen, die ihre Geschäftsbasis verändern oder neue Geschäftsmodelle ausprobieren wollen, können mit geeigneten Cloud-Services schnell an den Start gehen.

Trends im Cloud-Computing-Markt

Foto: Belekekin, Fotolia.de

Carlo Velten und Steve Janata, Senior Advisors bei Experton, sehen verschiede Entwicklungen, die für IT-Verantwortliche zu beachten sind. So treibe der Trend zur Consumerization Cloud-Initiativen an. Das habe zur Folge, dass sich das Wachstum im B2B-Umfeld im Vergleich zum B2C-Segment beschleunigen werde. In Letzterem ist, so die Experton-Analysten, die Cloud schon länger etabliert - wiewohl nicht immer unter diesem Namen.

Ferner sei im B2B-Sektor eine Ausdifferenzierung der Cloud-Betriebsmodelle zu beobachten: Managed Cloud ist danach das in deutschen Unternehmen favorisierte Modell. Infrastructure as a Service (IaaS) hingegen habe - als Public-Cloud-Konzept - seine Zukunft noch vor sich, sagt Velten.

Im Marktsegment Software as a Service (SaaS) ist zu beobachten, dass Collaboration-Services die Investitionen treiben. Laut Janata ist Social Media hier das "Zauberwort". Es stehe für Trends, denen sich kein Unternehmen entziehen könne: die schnelle und einfache Kooperation intern und die flexible Zusammenarbeit mit externen Partnern und Kunden. Im SaaS-Marktumfeld werden zudem zwei weitere Aspekte zum "zentralen Erfolgsfaktor": Usability und nutzerzentriertes Software- und Servicedesign. Die SaaS-Provider hätten nur wenige Differenzierungsmöglichkeiten auf der Betriebs- und Performance-Seite. Entscheidend seien die Nutzerfreundlichkeit des Service und exzellente Support-Prozesse.

Fast die Hälfte der Investitionen für die Cloud

Experton geht davon aus, dass deutschlandweit die IT-Ausgaben und -Investitionen in diesem Jahr auf über drei Milliarden Euro ansteigen werden. Davon machten allein Cloud-Services (Infrastructure, Platform und Software as a Service oder IaaS, PaaS und SaaS) 46 Prozent aus. Cloud Computing ist also angekommen in der deutschen IT-Realität. SaaS und mittlerweile auch der IaaS-Markt würden sich, so die Prognose, dynamisch entwickeln. Das Geschäft mit PaaS soll hingegen erst im Jahr 2014 ein substanzielles Geschäft mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz abwerfen. 2012, so Velten und Janata, "ist noch nicht das Jahr der Plattform". (mhr)