Droht Kunden eine Abhängigkeit von AWS?
Droht Amazon-Kunden also auf mittlere Sicht eine Abhängigkeit vom derzeit mächtigsten Cloud-Provider? Experton-Mann Velten relativiert solche Befürchtungen. Unternehmen seien heute viel mehr von etablierten IT-Anbietern wie SAP, Oracle oder IBM abhängig: "Die Gefahr einer strategischen Abhängigkeit von AWS ist zurzeit kein Thema." Zum einen seien die AWS-Dienste kleinteilig gestaltet, zum anderen handele es sich meist um standardisierte Web-Techniken auf gängigen Standardplattformen wie x86-Server und Linux. Ein Anbieterwechsel sei deshalb in der Regel leicht möglich.
Auch Frank Sempert vom auf Cloud Computing spezialisierten Beratungshaus Saugatuck Technology hält die Gefahr einer Abhängigkeit derzeit für gering. Im Cloud-Markt gebe es zwar durchaus Anbieter, die einen "Lock-in" ihrer Kunden anstrebten. Doch Amazon gehöre nicht dazu. Eher schon könne eine Art Abhängigkeit aus der schieren Menge der genutzten Amazon-Services entstehen, die zu sehr niedrigen Preisen angeboten werden. So könnte etwa ein CFO durchaus Druck auf das IT-Management ausüben, mit Hilfe von billigen Cloud-Services die Kosten weiter zu drücken, nach dem Motto: "Die Konkurrenz macht`s ja auch."
Gute Gründe für die Amazon-Cloud
Auch wenn sich etliche Unternehmen auf mittlere Sicht enger an Amazon binden, gibt es gewichtige Argumente für die Nutzung der Cloud-Dienste. Ein prominentes Beispiel ist der Online-Dienst Dropbox, der für seine Angebote Amazons S3 Storage Service nutzt. Für eine eigene IT-Infrastruktur hätte das kleine Unternehmen viel Geld in die Hand nehmen müssen. AWS bringt zudem den Vorteil, dass sich IT-Ressourcen fast unbegrenzt skalieren lassen und es Dropbox damit erlauben, ohne Einschränkungen zu wachsen.
Flexibilität und Skalierbarkeit sind für die meisten AWS-Kunden entscheidende Vorteile; in vielen Fällen kommen auch konkrete Einsparpotenziale ins Spiel. So berichtet etwa das Software-Startup Instacoll aus dem indischen Bangalore von Einsparungen in Höhe von 60 Prozent durch die Nutzung von Amazon Web Services. Einige Venture-Capital-Firmen machten die Verwendung von Amazons Cloud-Services fast schon zur Bedingung, wenn sie in ein junges Unternehmen investierten, berichtet Mark Mahaney, Analyst bei der US-Bank Citigroup.
Doch auch jenseits der Startup-Szene zählt Amazon mittlerweile eine ganze Reihe größerer Unternehmen und Organisationen zu seinen Cloud-Kunden, darunter etwa Pfizer, Adobe Systems, Shell und die Nasa. Auch deutsche Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen stehen auf der Kundenliste. So nutzt etwa "Der Spiegel" Amazons S3-Speicherdienst. Der Flughafen Nürnberg hat seine Web-Anwendungen komplett in die Amazon-Cloud verlagert. Fraunhofer-Institute und andere Forschungseinrichtungen verwenden die High-Performance-Computing-Dienste von AWS für komplexe Berechnungen.