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Demokratie 2.0 in den USA

"Obama ist der perfekte Internet-Kandidat"

16.10.2008
Von 
Kriemhilde Klippstätter ist freie Autorin und Coach (SE) in München.
Die Wahlen in den USA gelten als Labor für den Einsatz digitaler Medien im politischen Bereich. Insbesondere dem demokratischen Bewerber um das Präsidentenamt, Barack Obama, sprechen Experten eine sehr effektive Nutzung der neuen Möglichkeiten zu.

"Die Republikaner liegen zurück in Technik und Innovation", beschreibt David Perlmutter, Professor an der William Allen White School of Journalism & Mass Communications der Universität von Kansas, die Lage. Insbesondere unter der Jugend Amerikas gilt der jugendliche Demokrat als "cool", weil er und sein Wahlkampfteam die digitale Klaviatur (Web 2.0) beherrschen. Für Perlmutter ist Obama deshalb "der perfekte Internet-Kandidat". Das könnte ihm den notwendigen Vorsprung für den Gewinn der Wahlen im November sichern.

Die politische Blogosphäre

Die traditionelle Wahlkampfwerbung im Fernsehen zielt auf einen passiven Zuschauer, der das Gesehene bewertet. Politische Aktivitäten im Internet holen den Wähler aber in das Geschehen hinein. So kann er in Online-Shops Parteidevotionalien erstehen oder sich in Chat-Rooms austauschen. "Die Erreichbarkeit der Wähler hat sich durch das Internet drastisch gesteigert", beobachtet Perlmutter, der insbesondere die politische Blogosphäre in seinem Buch "Blogwars: The new political Battleground" beschreibt.

Das Internet macht es den Menschen einfacher, sich zu engagieren und aktiv zu werden. Informationen können - auch über große Distanzen - hinweg vermittelt und geteilt, Gedanken mit Gleichgesinnten ausgetauscht werden. Die Wähler verlassen die Politikisolation, ein Umstand, der auch die in den USA traditionell geringe Wahlbeteiligung verbessern könnte.

Das Netz verändert aber auch die Beziehungen zwischen Politiker und Wähler, es entsteht mehr Nähe. Erfolgreiche Massenkommunikation, das hat die Vergangenheit gezeigt, besteht darin, die Leute persönlich zu erreichen und Kontakt zu schaffen. "Das Internet kann finanzielles und soziales Kapital einsammeln", fasst Tobias Moorstedt seine Erfahrungen zusammen, die er bei den Vorwahlen in den USA gesammelt und in einem Buch beschrieben hat ("Jeffersons Erben - Wie die digitalen Medien die Politik verändern").

Croudsourcing für Obama

Wie gut das bei Obama funktioniert beweist das sogenannte "Crowdsourcing". Die Wortschöpfung aus Menschenmenge (crowd) und Outsourcing meint, dass Bürger für ihren Kandidaten arbeiten, beispielsweise Spenden sammeln. Beobachter gehen davon aus, dass 80 Prozent von Obamas Wahlkampfspenden von rund 30 Millionen Dollar im Monat per Internet eingesammelt werden. Früher veranstalteten die Kandidaten Dinners für die Reichen einer Stadt oder Region und hofften auf großzügige Spenden einer Handvoll Leute. Heute werden auch die amerikanische Mittel- und Unterschicht über das Web angesprochen und um Geldbeträge gebeten.

Eine besondere Rolle bei den neuen politischen Aktivitäten kommt den Bloggern zu, die eine neue Kaste von Einflussnehmern bilden. Das musste schon Bill Clinton erfahren, über dessen Affaire mit Monica Lewinsky der "Drudge-Report", ein Blog des konservativen Matthew Drudge, berichtete. Zuvor waren die Informationen dem US-Magazin "Newsweek" angeboten worden, das die Nachrichten aber nicht veröffentlichte. Nach Ansicht von Medienspezialist Perlmutter sorgen insbesondere die militärischen Blogs ("Milblogs") in den USA derzeit für relative Ruhe über die vielen gefallenen Soldaten im Irak. Ohne das Ventil der freien Meinungsäußerung im Internet würde es viel mehr Proteste geben, glaubt Perlmutter.