VoIP over WLAN funktioniert – wenn es erst mal funktioniert

08.10.2007
Die Kollegen von "Network World" haben die IT-Verantwortlichen " von drei Organisationen zu ihren Erfahrungen mit VoIP over WLAN befragt. Das gemeinsame Fazit: Es läuft, aber es bedarf Anstrengungen.

Seit Jahren bewerben Anbieter von lokalen Funknetzen im Unternehmensumfeld WLAN-Telefonie als Zusatznutzen für den Einsatz drahtloser Netze. Indem ihre Mitarbeiter ähnlich wie mit einem Handy überall innerhalb des Firmengebäudes erreichbar seien, könnten Unternehmen Vorteile einer VoIP-Migration mit den WLAN-Vorzügen kombinieren. Die "Network World" hat drei Organisationen im Gesundheitssektor gefunden, die in größerem Rahmen, also mit über 500 Clients, VoIP over WLAN einsetzen.

"Kunden, die diesen Weg einschlagen wollen, müssen Produkte auswählen, die auf Interoperabilität getestet wurden", erklärt Joseph Fearday, TK-Manager von Trinity Health, einem Healthcare-Verbund mit 45 Krankenhäusern, mit Sitz in Novi, Michigan. "VoIP over WLAN fällt einem absolut nicht in den Schoß."

Eines der Probleme besteht darin, dass Wireless VoIP nach wie vor ein Systemintegrationsprojekt ist. An diesem ist üblicherweise der Anbieter von WLAN-Equipment, der Hersteller der IP-TK-Anlagen- und VoIP-Technik sowie der auf VoWLAN spezialisierte Verkäufer von Endgeräten oder Serversoftware und proprietären Protokollen beteiligt sind. Zu letztern zählen etwa die Polycom-Tochter SpectraLink und Vocera Communications aber auch Cisco und 3Com.

Die Anbieter sind jedoch eifrig bemüht, ihren Kunden die Integration zu erleichtern. Netzausrüster wie Nortel Networks beispielsweise erweitern ihren Support, in dem sie ihre IP-PBX-Produktlinien mit SpectraLink-Produkten verbinden. Wireless-VoIP-Hersteller haben ausgeklügelte Interoperabilitätstests und Zertifikate für die verschiedenen Komponenten von Drittanbietern entwickelt.

Das Gerät von Vocera ermöglicht freihändige WLAN-Telefonie.
Das Gerät von Vocera ermöglicht freihändige WLAN-Telefonie.
Foto: TPC Healthcare

Dass sich verschiedene Lösungen tatsächlich mischen lassen, demonstriert das St. Joseph Mercy Gesundheitszentrum in Novi, wo 600 VoIP-Handys von SpectraLink und Avaya über ein Netz von rund 500 Access Points vom Typ Cisco Aironet 1200 mit einer IP PBX verbunden sind, die wiederum von Avaya stammt. TK-Manager Fearday verließ sich dabei fest auf die Interoperabilitätstest von SpectraLink um sicherzustellen, dass alle Komponenten – einschließlich Avaya's SpectraLink-Integrationscode - problemlos zusammenarbeiteten.

Voice-Traffic verzeiht nichts

WLANs, die groß angelegte Sprachnetze unterstützen, unterscheiden sich von solchen, die für den reinen Datenverkehr ausgelegt sind. So kann der Datentransport mitunter stocken oder aussetzen und das Resultat sind für den Nutzer kaum wahrnehmbare Verzögerungen. Anders bei Sprachverkehr. "Niemand toleriert abgehackte Wörter und Sätze in Telefongesprächen", erklärt Fernando Martinez, Technology und Data Security Officer für den North Broward Hospital District (NBHD), einem Verbund von fünf Krankenhäusern in Bereich von Fort Lauderdale, Florida.

NBHD setzt mehr als 800 tragbare Wifi-Telefone von Vocera ein, die in einem verteilten WLAN-Netz aus über 200 Cisco-1200-Access-Points genutzt werden. Das Wireless-VoIP-System ist damit etwa doppelt so groß wie das bei Martinez vorangegangenen Job als CIO von Miami's Mercy Hospital. "Die Anforderungen an Verfügbarkeit, an einen ununterbrochenen Datenfluss sind bei Wireless-VoIP sehr hoch", so der IT-Experte. "Voice-Traffic verzeiht nichts."

Um diese Schwächen zu kompensieren, müssen unter anderem mehr Access Points eingerichtet werden oder in für herkömmliche WLANs unüblichen Bereichen aufgestellt werden, etwa in Treppenhäusern oder Aufzugschächten. Anstelle der konventionellen kugelförmigen Antennen bedarf es mitunter Richtfunkantennen, um ein bestimmtes Areal mit einem WLAN-Signal zu beschicken.

Doch damit nicht genug der Unterschiede: Bei einem VoWifi-Szenario werden Sprach- und Datenströme gewöhnlich auf die beiden Wifi-Frequenzbänder verteilt. Dabei wird der 2.4-GHz-Bereich für 802.11b/g-Traffic häufig für VoIP-Nutzer reserviert, während Datennutzer in das 802.11a-Netz im 5-Ghz-Band verschoben werden. Ein Grund für diese Maßnahme ist, dass viele drahtlose VoIP-Geräte nur im 2.4-GHz-Bereich arbeiten.

Das 2.4-GHz-Band hat jedoch nur drei separate Kanäle, wobei jeder Access Point nur einen davon nutzen kann. Überlappen sich mehr als drei Access Points, kann es also zu Problemen kommen. Um Störungen zu vermeiden, hat Martinez in der Vergangenheit daher zusätzlich die Leistung der Access Points verringert und damit die Reichweite des jeweiligen WLAN-Signals reduziert. Auf diese Weise ließen sich mehr Access Points in einem Bereich unterbringen und die drei Kanäle entsprechend ausbalancieren.

Konfigurationen im großen Maßstab

In großflächigen Netzen mit älteren Access Points wie dem Cisco 1200 wird diese manuelle Konfiguration zur Plage. WakeMed Health and Hospitals, ein 872-Betten-Krankenhaus in Raleigh, North Carolina wechselte daher 2005 von einer veralteten Drahtlos-Lösung auf ein von einem Controller verwaltetes WLAN-System von Aruba Networks. Dabei sind mehr als 700 Aruba Thin-Access-Points auf die 14 Gebäude verteilt – zusammen mit neun WLAN-Controller von Aruba. Allein rund 350 drahtlose WLAN-Telefone werden in Verbindung mit dem "Schwesternrufsystem" eingesetzt, das zur Kommunikation zwischen Patienten und Krankenschwestern sowie Krankenschwestern und Ärzten dient. Weitere 300 Geräte werden von Ärzten, IT-Personal, Administratoren und Verwaltungspersonal genutzt.

WakeMed habe sich unter anderem wegen des automatischen WLAN-Channel-Managements für eine Lösung von Aruba entschieden, berichtet John Tuman, Director Leiter Network Services. In der Vergangenheit hätten sich in einem Schwesternzimmer sämtliche WLAN-Geräte automatisch an dem "lautesten" Access Point angemeldet. Dank der Automatisierungs-Features in dem Aruba-Controller könnten die Geräte nun auf mehrere nahe gelegene Access Points verteilt werden, um die Gesamt-Performance zu erhöhen.

WakeMed's Wireless-VoIP-System wird von Nortel unterstützt und basiert auf SpectraLink-Telefonen sowie -Software zur Integration in die Nortel IP-PBX. Das neue System ersetzte Nortel Companion, eine in die Jahre gekommene Lösung für die drahtlose Sprachkommunikation. WakeMed hatte im Frühjahr 2005 getestet, wie Leistung und Sprachqualität ausfallen, wenn die Nortel/SpectraLink-Geräte auf Aruba-Access-Points zugreifen, die gleichzeitig große Datentransfers von Laptops bewältigen mussten. Trotz der Auslastung hätten sich die Telefone schnell mit einem Access Point verbunden, den Rufaufbau mit der TK-Anlage erledigt und hervorragende Sprachqualität gezeigt, begründet Tuman seine Entscheidung.

Bei keinem der drei vorgestellten Projekte kam es den Schilderungen zufolge jemals zu einer Überbelegung mit VoIP-Telefonaten an einem Access Point, die letztendlich zum Zusammenbruch von Anrufen führte. Alle drei IT-Verantwortlichen schwärmen vielmehr von der guten Sprachqualität und dass sie noch nie Klagen von Nutzern erhalten hätten. Ein effektives WLAN-Management-System sei jedoch essentiell in großen Netzen, bekundeten sie unisono. Aus diesem Grund beeilt sich Martinez nun, sein Cisco-1200-WLAN auf eine Controller-basierende WLAN-Architektur upzugraden. "Ohne diese ist man deutlich eingeschränkt, wenn es um Feintuning und Optimierung der bestehenden Lösung geht", erklärt er. Wenn ein Nutzer ein fehlendes WLAN-Signal auf seinem Handset meldet, wolle man schnell wissen, ob er sich nur außer Reichweite des Access Points befindet oder eine Störung die Ursache dafür ist.

Support und Wartung nicht vergessen

Trotz aller Vorteile bringt ein drahtloses VoIP-Netz auch Schwierigkeiten mit sich, etwa was Support und Wartung anbelangt. Bei WakeMed konfiguriert sich zwar das WLAN automatisch, dafür muss jedes einzelne SpektraLink-Telefon händisch eingestellt werden. "Hier besteht Verbesserungspotenzial", räumt Tuman ein. Sein Kollege Martinez wiederum berichtet, dass jeder Nutzer eine Schulung benötigt, um sein Vocera-Sprachgerät richtig zu bedienen. Üblicherweise werde das Gerät um den Hals gehängt und ermögliche so eine freihändige Bedienung. "Eines unser häufigsten Probleme ist, dass ein Nutzer das Vocera zum Sprechen in die Hände nimmt", erzählt er. Ein anderes Problem sei, dass das Gerät oft zu nah oder zu weit vom Kinn entfernt sitzt. Weitere Schwierigkeiten bringe das Verwalten und Lagern von Ersatzbatterien für die mobilen Geräte sowie der Austausch von defektem oder verloren gegangenem Equipment mit sich. (mb)