Die Fallstricke der Virtualisierung

Irrungen und Wirrungen der Softwarelizenzierung

07.05.2008
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Seit 2012 ist Peter Wesche Berater von Doctor-License im Softwareeinkauf und Lizenzmanagement bei großen Anwenderunternehmen. Der Autor war ab 2004 Research-Direktor bei Gartner Inc mit Schwerpunkt Software Asset Management mit über 3000 Kundencalls und 300 Lizenzvertrags-Reviews. Davor war er über 16 Jahre in der Entwicklung bei SAP mit dem fachlichen Fokus Materialwirtschaft, Energie, Finanzwesen und mobile Apps.
Die Softwarelizenzierung in virtuellen Umgebungen ist eine ungelöste Frage. In Verhandlungen mit den Softwarelieferanten sollten Anwender vorsichtig mit Details über die Softwarenutzung umgehen.

Die Diskussion über Lizenzmodelle für die virtualisierte Umgebung beunruhigt Kunden und Anbieter gleichermaßen. Keine der beiden Parteien fühlt sich ausreichend informiert, um sich auf ein Modell einzulassen, das mit der früheren Lizenztradition bricht und möglicherweise neue, unbekannte Probleme birgt. Anwenderunternehmen sehen virtualisierte Lizenzen als Möglichkeit zur Neuordnung der Datenverarbeitung und zur Senkung der Softwarekosten an. Hersteller hingegen sehen die Leistungsverbesserung und gesteigerte Funktionalität als Weg zur Positionierung eines neuen Nutzens an, der einen höheren Preis rechtfertigt. Unterm Strich fehlt ein Standard, der dieses Preis-Nutzen-Verhältnis in eine akzeptable Relation bringt.

Bizarre Preisvorstellungen

Ein einfacher Vergleich demonstriert die Verwirrung: Nehmen wir an, Sie gehen in einen Baumarkt um einen Hammer zu kaufen, mit dem Sie ein Haus im Wert von 200.000 Euro bauen wollen. Es gibt einige Hammer mit unterschiedlichen Fähigkeiten zur Auswahl. Sie entscheiden sich für den Hammer, der Ihre Anforderungen erfüllt, zahlen den ausgezeichneten Preis und verlassen das Geschäft. Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie mehr für den Hammer bezahlen, wenn Sie sich entscheiden ein Haus für 900.000 Euro damit zu bauen.

Bei Softwarelizenzen hingegen versucht der Anbieter, den Preis an den erzielten Nutzen anzugleichen. Wenn Anwender einen größeren Nutzen aus der Applikation erzielen, zahlen sie auch dann mehr, wenn sie keine anderen Funktionen oder Prozesse betreiben, als solche Nutzer, die das Optimierungspotenzial nicht ausschöpfen. Allein der Umstand, dass der Softwarebetrieb immer mehr Variationen kennt, sorgt dafür, dass es immer komplexere Preismodellen geben wird.

Der größte Stolperstein sind fehlende Monitoring-Tools

Das wahrscheinlich wichtigste Hindernis für die virtuelle Lizenzierung ist das Fehlen der erforderlichen Werkzeuge zur Überwachung von Nutzung und Service Levels. Wenn der wahrgenommene Wert (und damit auch der Preis) von einer genaueren Analyse der genutzten Kapazität und Services abhängt, brauchen die Kunden automatisierte Tools, die eine Messung der Auslastung ermöglichen und Einhaltung der Lizenzbedingungen sicherstellen. Wenn auch von IBM entwickelte Software-Tools, die 'Utilization Devices', bereits auf Mainframes eingesetzt werden als Voraussetzung für bestimmte Infrastruktur-Lizenzmodelle der IBM, so ist die allgemeine Lösung für unabhängige Software-Anbieter noch lange nicht klar. Zahlreiche wettbewerbsrechtliche, politische und sicherheitsbezogene Fragen müssen noch geklärt werden.

Die Menge und Art der durch diese Tools erhobenen Informationen lösen eine Vielzahl von Anschlussfragen aus: Wenn die IBM über solche Instrumente verfügt, kann dann nicht jeder dies als Ausgangspunkt nutzen? Was passiert, wenn jeder Anbieter seine eigenen Tools entwickelt? Was folgt, wenn ein Tool-Anbieter auch Tools für die Nutzungsdaten von Konkurrenzprodukten anbietet? Selbst wenn diese Fragen einvernehmlich zwischen den Anbietern geregelt werden, wer zahlt denn dann für die weitere Entwicklung und Wartung dieser Tools?

Bis die unterschiedlichen Auffassungen sich in einem dem Fortschritt dienlichen Standard niederschlagen, wird der Markt von diversen Tools überfrachtet sein, die jeweils verstanden und abgewogen werden müssen und auf ihre Eignung und Kosten für die Asset-Management-Zwecke geprüft werden sollten.

Es gibt verschiedene Ansätze für virtuelle Lizenzen

Anbieter, die keinen etablierten Lizenzmodellen verhaftet sind, können am ehesten Lizenzverfahren für virtuelle Maschinen entwickeln. Selbst wenn Anwender deren Lösungen nicht im Hause einsetzen, lohnt dennoch ein Blick auf diese Lizenzmodelle, um möglichen Aspekte besser zu verstehen. Viele Marktteilnehmer haben versucht, ihre bestehenden Lizenzmodelle auf die virtuellen Bedürfnisse zu migrieren. Allerdings sind sie auf halben Wege stehen geblieben: Sie wollten vor einer sich abzeichnenden Marktreife keine voreiligen Schritte wagen. Diese Zurückhaltung ist vielfach dem mangelnden Verständnis der tatsächlichen Einsatzszenarien sowie der Furcht vor dramatischen Umsatzeinbußen in einem bestimmten Modell geschuldet.

Andere Anbieter sind weiter gegangen und haben die Auswirkungen verschiedener Modelle auf ihren Umsatz näher untersucht. Sie prüfen die genauen Auswirkungen der Lizenzberechnungen auf bestimmte Zielgruppen ihrer Kundschaft. Die Ergebnisse dieser Simulationen helfen bei der Entscheidung, welche speziellen Faktoren für das Lizenzmodell der Zukunft geeignet sind.

Grundsätzlich aber ist es für Anbieter von gebündelter Hard- und Software einfacher, die Margenverluste einer Kategorie mit den Zuwächsen in einer anderen auszugleichen. Die Interessen und Hintergründe der verschiedenen Hersteller sind sehr unterschiedlich. Deshalb lässt sich die Preisgestaltung ähnlicher Produkte von unterschiedlichen Anbietern nicht einfach vergleichen.