Nächsten Sonntag SMS kostenlos

Der Handyausfall als Kulturschock

22.04.2009
Tuut, tuut? Nein, tot - Anruf fehlgeschlagen, oder die Sendung der SMS. Der stundenlange Ausfall des größten deutschen Handynetzes war ein Kulturschock für Millionen Deutsche - für die meisten war er Fluch, für manchen aber auch Segen.

"Für den Homo Connectus ist Leben da, wo er Netz hat", überschrieb einst Miriam Meckel, Kommunikationswissenschaftlerin und Buchautorin ("Das Glück der Unerreichbarkeit") einen Artikel über den ständig vernetzten Menschen. Die "Bild"-Zeitung titelte am Mittwoch "Millionen Handys tot!" - die Seite-Eins-Überschrift zeigt, wie wichtig und auch vermenschlicht tragbare Telefone im heutigen Leben geworden sind.

"Die haben fast Entzugserscheinungen gehabt", beschreibt der Soziologe Prof. Dr. Günter Burkart im Gespräch mit dem Audio-Dienst der dpa ein Experiment, bei dem Studenten drei Tage lang ihr Handy abgeben mussten. Die jungen Leute hätten Probleme gehabt, sich im Alltag zu organisieren. Der hohe Zugewinn an Mobilität, Flexibilität und Freiheit, den das bequeme Handy bedeute, habe plötzlich gefehlt, sagt der Professor von der Universität Lüneburg. Er ist Autor des Buches "Handymania: Wie das Mobiltelefon unser Leben verändert hat".

Bei fast keinem anderen Thema werden Generationenunterschiede so deutlich. Handys gibt es erst seit gut 15 Jahren. Für manchen war es nun also ein paar Stunden fast wie früher, für viele Jüngere brach hingegen ihre Welt zusammen.

Dem einen oder anderen dürften am Dienstag Verabredungen geplatzt sein oder er konnte sie erst gar nicht treffen. Bei manchem banalen Telefonat, das man in Bus oder Bahn manchmal mithören muss, liegt der Gedanke nahe, dass es nicht schade war, wenn es mal nicht stattfinden konnte. Doch die ernste Seite des Ausfalls ist nicht zu unterschätzen: T-Mobile merkte es selbst, als es Probleme gab, Techniker aus dem Feierabend zu klingeln - das Handy ging ja nicht.

Am Sonntag SMS kostenlos

Als Geste der Entschuldigung bietet T-Mobile seinen Kunden am kommenden Sonntag, dem 26. April, kostenlose Standard-SMS im deutschen Netz an. "Als Geste können unsere Kunden am kommenden Sonntag, den 26. April, umsonst Standard-SMS im Inland in alle Netze verschicken", kündigte Georg Pölzl an, Sprecher der Geschäftsführung von T-Mobile Deutschland.

Auch wichtige Einrichtungen wie Pflegedienste waren schlechter oder eben gar nicht erreichbar. Immerhin: Hilfsorganisationen und die Feuerwehr arbeiten in Deutschland meist mit eigenen Funknetzen.

Doch bei der Polizei sieht das schon anders aus. Zwar ist auch hier Funk im Einsatz, doch die veraltete Technik ergänzen die Beamten immer öfter mit ihren dienstlichen und privaten Handys, wie es von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) heißt. "Bei einem Netzausfall können Leben in Gefahr sein", schlägt GdP-Chef Konrad Freiberg Alarm. Bei der Beobachtung Verdächtiger, auch bei der Terrorfahndung, werde oft mit Handys gearbeitet. Es habe "existenzielle Folgen", wenn die ausfallen. Glücklicherweise werde nicht nur auf ein Netz gesetzt.

Viele Bürger in Europa ticken bereits anders. Sie sind mutig und setzen nur noch auf eine Möglichkeit des Telefonierens. Nach einer EU-weiten Umfrage kappen immer mehr Europäer ihren Festnetzanschluss und telefonieren bloß per Mobilfunk. 24 Prozent gaben vergangenes Jahr bei einer repräsentativen Umfrage an, aufs Festnetz zu verzichten. Spitzenreiter sind die Tschechen (64 Prozent), gefolgt von Finnen (61 Prozent) und Litauern (53 Prozent). Die Deutschen liegen bei diesem Trend mit elf Prozent im Mittelfeld.

Ein Vorfall wie der "größte Telekommunikations-GAU, den Deutschland je erlebt hat" ("Bild"), bringt manchen vielleicht zum Umdenken. Ausgefallen waren zwei von drei Servern des sogenannten Home Location Register (HLR). Diese zentrale Computersteuerung stellt die Verbindungen zwischen Mobilfunkstationen und den sogenannten SIM-Karten der Handys her. Die Geschäftsbedingungen von T-Mobile sehen bei einer solchen Störung keine Entschädigung für die Kunden vor. Die Geschäftsführung "entschuldigte" sich zunächst lediglich.

Keinen Stress bereitete der T-Mobile-Ausfall übrigens Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin ist begeisterte SMS-Schreiberin, liegt manchem aber auch noch mit ihrem Pressekonferenz-Ausspruch "Könnten wa ma' hier die Handys ausschalten?" von vor einigen Jahren im Ohr. Am Dienstag konnte sie fleißig weiter tippen - im Netz von Vodafone. Diesmal zumindest. (dpa/tc)