CPU-Leistung wächst

Demnächst: Ein Notebook für die Hemdtasche

26.06.2008
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Ihrem Laptop droht schon bald ein ähnliches Schicksal wie den 5 1/4-Zoll-Disketten: Es wird durch ein kleineres nützlicheres Produkt abgelöst - das Smartphone.

Basierend auf den aktuellen Trends zu Stromspar-Chips, die in Geräten wie Handys und iPods verbaut seien, rechne er damit, dass sich die CPU-Leistung von Smartphones bis 2010 verachtfacht, erklärte Systemarchitekturspezialist Adrian Cockcroft im Rahmen der Technikkonferenz "Usenix '08". "Wenn ich diese Menge an Leistung hätte, bräuchte ich keinen Laptop mehr", sagte der frühere Sun-Ingenieur, der heute für Netfix arbeitet und als Mitglied des "Homebrew Mobile Phone Club" Open-Source-Handys entwirft. Statt eines Notebooks stellt sich Cockcroft ein Always-On-Gerät vor, dass man während der Fahrt drahtlos (und automatisch) an das Auto anschließt. Zum Arbeiten wird es mit Desktop-Monitor und Tastatur verbundenen - denkbar seien sind auch andere Devices wie ein Beamer für Konferenzen oder ein tragbares 3D-Display für unterwegs.

Die leistungsfähigen Geräte könnten ein Phänomen fördern, das der Tuning-Guru "Computer-unterstützte Telepathie" nennt - ständige Verbindung zu alternativen Welten wie Second Life - sowie "Life-Sharing" also der permanente digitale Kontakt zu seinem Freundeskreis. Nachdem Jugendliche sich bereits bemühten, mit möglichst wenig Aufwand über SMS, Chats, Twitter und andere soziale Netze zu kommunizieren, wäre "Life-Sharing" der nächste logische Schritt, meint Cockcroft. Für ältere User, die weniger an reibungsloser Kommunikation interessiert sind, könnte solch ein leistungsfähiges Gerät in Verbindung mit einem neuartigen Display aber auch nützlich sein.

Der den Geräten zugrunde liegende Fortschritt ist laut Cockcroft nicht auf die allgemeine Steigerung der Rechenleistung zurückzuführen, wie sie Moore's Law beschreibt. Vielmehr würden Stromspar-Chips und darauf basierende Devices zunehmend robuster und entwickelten sich entsprechend schneller als Laptops. Bis Ende dieses Jahres würden Smartphones bereits die doppelte CPU-Leistung und RAM von State-of-the-Art-Geräten wie dem iPhone aufweisen, prophezeit Cockcroft. Ab dem nächsten Jahr würde dann allmählich die verfügbare Bandbreite von 1Mbit/s auf 20Mbit/s erhöht, 2010 könnten Nutzer dann bereits auf 100Mbit/s-Verbindungen zugreifen. Eine höhere Bandbreite käme dabei auch der Batterielaufzeit zugute, da die Geräte weniger Zeit für das energieaufwändige Senden und Empfangen von Daten bräuchten. Zusätzlich sei die mit Wireless-USB mögliche 480Mbit/s-Verbindung über kurze Distanz "perfekt für Smartphones", und ermögliche den einfachen drahtlosen Transfer von Multimediadaten.

Die wachsenden Kapazitäten würden sich auch auf Rechenzentren auswirken, schätzt Cockcroft. Bei allen Entwicklungen im Consumer-Bereich überlege man sich entsprechende Anwendungsfelder im Business-Umfeld. Als PC-Server die ersten Unix-Maschinen ersetzten, beklagten Skeptiker sofort, dass es sich bei den neuen Maschinen um Spielzeuge ohne leistungsfähige Schnittstellen handle, die zudem schwer zu verwalten seien. Dennoch hätten Kostenvorteile dazu geführt, dass die kleineren Systeme die großen ersetzten, wo es Sinn gemacht hat. Cockcroft erwartet einen ähnlichen Effekt durch das "Millicomputing" - Verbünde aus extrem energiesparenden Chips anstelle einer eher konventionellen Architektur mit wenigen Prozessoren, die mehr Strom verbrauchen und mehr Hitze erzeugen. Theoretisch bräuchten 120 Millimodule genauso viel Platz wie ein klassisches Motherboard.

Mit einer Limitierung auf 256MB RAM für Applicationen könnten solche Architekturen natürlich nicht alle anderen Systeme im Enterprise-Umfeld ersetzen, räumt Cockcroft ein. Wenn man bedenkt, dass die Energiekosten eines Servers über mehrere Jahre den Anschaffungspreis übersteigen kann, mache es durchaus Sinn, bestimmte Aufgaben - falls möglich - an energieeffizientere Systeme zu übertragen. (mb)