Die Nase hilft, wenn's gefährlich wird

Wir riechen mehr, als wir wissen

19.02.2009
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Steckt Angst körperlich an? Was bedeutet das im Beruf, speziell in der Krise? Und in der Liebe? Die Düsseldorfer Psychologieprofessorin Bettina Pause sprach mit Michael Schweizer über ihre Forschungen.

CW: Frau Professor Pause, ist Angst ansteckend?

Die Düsseldorfer Professorin für Biologische Psychologie Bettina Pause vertritt die These, dass Angst ansteckend ist.
Die Düsseldorfer Professorin für Biologische Psychologie Bettina Pause vertritt die These, dass Angst ansteckend ist.

Pause: Menschen können den Angstschweiß anderer Menschen bewusst nicht oder nicht sicher identifizieren. Sie erkennen Schweißgeruch, aber sie merken in der Regel nicht, dass es Angstschweiß ist. Meine Arbeitsgruppe und ich konnten aber nachweisen, dass Angstschweiß auch subliminal, das heißt unbewusst, wahrgenommen wird. Dort wird er dann als Angstschweiß decodiert, und wer diesen, ohne sich dessen bewusst zu sein, riecht, bekommt auch selbst Angst. In diesem Sinn ist Angst tatsächlich ansteckend.

CW: Wie haben Sie das herausgefunden?

Pause: Wir haben den Achselschweiß von Studenten gesammelt, die sich unmittelbar vor einer wichtigen mündlichen Prüfung befanden und davor nach eigener Aussage Angst hatten. Von denselben Geruchsspendern haben wir auch Achselschweiß aufgefangen, der sich durch leichten Sport gebildet hatte. Dann haben wir die Probanden über ein Olfaktometer jeweils einem der beiden Schweißtypen ausgesetzt und sie gebeten, Bilder von Gesichtern mit neutralen Gesichtsausdrücken zu bewerten.

CW: Ich ahne schon...

Pause: Nein, es fehlt noch was. Wir haben den Probanden vorher nämlich auch Bilder gezeigt, die sie nur unbewusst wahrnehmen konnten, mit freundlichen oder unfreundlichen Gesichtern darauf. Die Probanden, die dem Sportschweiß ausgesetzt waren, beurteilten die sichtbaren Gesichter umso positiver, je freundlicher die unsichtbaren waren, die sie nur unbewusst wahrgenommen hatten. Wer dagegen mit Angstschweiß konfrontiert war, beurteilte die neutralen Gesichter auch dann negativ, wenn wir ihm zuvor unsichtbare freundliche Gesichtsbilder vorgehalten hatten.

CW: Woran liegt das?

Pause: Angstschweiß kann eine Gefahr signalisieren. Eine solche Information besitzt im Menschen einen Verarbeitungsvorteil. Sie kommt sozusagen zuerst dran. Angstfreie Wahrnehmungen verlieren so lange an Kraft.

CW: Kann jemand, der in einer überfüllten U-Bahn Angst bekommt, durch seinen Geruch eine Massenpanik auslösen, obwohl objektiv gar keine Gefahr besteht?