Garnter-Analyse

SEPA - Herausforderungen für die IT-Abteilung

20.06.2008
Von Jürgen  Weiss
Der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum SEPA stößt bisher auf wenig Interesse bei deutschen Unternehmen. Eine rechtzeitige Vorbereitung ist jedoch angebracht.

Pro Tag verarbeitet die EBA Clearing, Betreiber des von STEP2, dem pan-europäischen ACH-System für Euro-Massenzahlungen, nur etwa durchschnittlich 120.000 SEPA-Überweisungstransaktionen (Single Euro Payments Area). Das sind gerade mal zehn Prozent des gesamten Zahlungsverkehrsvolumens, das täglich über die STEP2-Plattform bearbeitet wird.

Es fehlt ein Auslaufdatum für den Parallelbetrieb

Es gibt viele Gründe für die Zurückhaltung der Firmen. Besonders ins Gewicht fällt das fehlende konkrete Auslaufdatum für die Parallelphase, in der nationale und neue SEPA-Zahlungsformate nebeneinander existieren. Ohne Ende-Datum gibt es kein Start-Datum für SEPA hat Gerhard Hartsink, der Vorsitzende des Europäischen Rates für Zahlungsvekehr (European Payment Council) scharfsinnig erkannt. Bisher haben sich allerdings nur sehr wenige SEPA-Mitgliederländer dazu hinreißen lassen, ein konkretes Datum für die Abschaffung der nationalen Zahlungsformate zu nennen.

Foto: Gartner

Die CIOs der deutschen Unternehmen sollten sich trotz dieser Diskussionen nicht dazu hinreißen lassen, das Thema SEPA auf die lange Bank zu schieben. Dazu ist das Thema zu komplex und berührt zu viele IT-Anwendungen. Ihnen stehen zwei unterschiedliche Strategien zur Verfügung, um auf SEPA zu reagieren:

- Erzwungener Minimalismus - Unternehmen betrachten SEPA als lästige Pflichtaufgabe, um mit den neuen SEPA-Rahmenbedingungen kompatibel zu bleiben. Das bedeutet konkret, dass Unternehmen ihre Zahlungsformate auf XML umstellen (SEPA basiert auf dem ISO20022-Format) und ihre Geschäftspartner-Stammdaten in die internationale Kontonummer IBAN und den SWIFT-Code BIC konvertieren.

- Strategischer Opportunismus - Unternehmen sehen die langfristigen Chancen von SEPA und stellen grundlegend ihre Geschäftsprozesse im Zahlungsverkehr und der Finanzbuchhaltung um. Konkret zentralisieren sie zum Beispiel ihr Cash-Management, richten ein Shared Service Center für die Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung ein oder bündeln den Zahlungsverkehr in einer europaweit agierenden Payment Factory.

Sowohl der Projektumfang als auch der erzielbare Nutzen sind bei der strategischen Option deutlich größer. Bei der minimalistischen Variante werden Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen negativen ROI (Return on Investment) erzielen, da die Investitionen die möglichen Kosteneinsparungen - etwa durch niedrigere Bankgebühren oder eine bessere Auszifferungsquote beim Verarbeiten von Kontoauszügen - übersteigen.

SEPA-Umstellung erfodert Prozessänderung

SEPA bedeutet in jedem Fall einen erheblichen Aufwand für die IT-Abteilung im Unternehmen, da die Umstellung der Stammdaten und Zahlungsformate selbst in der minimalistischen Strategie-Option zahlreiche System- und Prozessänderungen nach sich ziehen. Vor allem die mittelständischen Unternehmen in Deutschland sind sich dieser Herausforderung häufig nicht bewußt. Eine Umfrage der Universität Regensburg hat beispielsweise im Januar 2008 ergeben, dass 78 Prozent der kleinen Unternehmen (mit einem Jahresumsatz von bis zu zwei Millionen Euro) noch nichts von SEPA gehört haben.

Was zu tun ist

CIOs sollten gemeinsam mit der Fachabteilung mögliche Informationsdefizite im Unternehmen frühzeitig identifizieren und ausräumen. Ein SEPA-Umstellungsprojekt sollte mit einer umfassenden Analyse der bestehenden IT-Systeme beginnen. Dazu gehören der Zahlungsverkehr, das Cash und Treasury Management, das Finanzwesen, die Personalwirtschaft (auch Personalzahlungen werden künftig mit den neuen SEPA-Formaten abgewickelt) sowie die entsprechenden Debitoren-, Kreditoren- und Mitarbeiter-Stammdatensysteme. Auch Infrastruktur-Systeme wie ein Portal oder die Kommunikations-Middleware müssen in diese Bestandsaufnahme einbezogen werden.

Unternehmen, die schon immer mit dem Gedanken gespielt haben, ihre internen Geschäftsprozesse zu optimieren, sollten jetzt die Gelegenheit ergreifen, dies im Zuge der SEPA-Umstellung zu tun. Neben der Analyse der IT-Infrastruktur sollten deutsche Unternehmen auch die eigene Marktposition evaluieren. Wie stark ist der Wettbewerb? Welche Unternehmen im europäischen Ausland stellen eine Gefahr für die eigene Marktposition dar? Was sind die Präferenzen der Kunden? Diese und weitere Fragen helfen am Ende dem CIO die richtigen Weichen für den einheitlichen Zahlungsverkehrsraum zu stellen. (jha)

Zur Person

Foto: Gartner

Jürgen Weiss ist Principal Research Analyst in Gartners "Industry Advisory Services Group" und beschäftigt sich dort vor allem mit der europäischen Versicherungsbranche. Zu seinen Themengebieten gehören unter anderem Compliance-Themen (Solvency II, Single Euro Payments Area), Fragen der Systemauswahl und IT-strategische Fragestellungen, etwa Web 2.0, digitale Signaturen oder Service-orientierte Architekturen.