Nicht reden, sondern arbeiten: Das SOA Innovation Lab

15.04.2008
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Große SOA-Anwender haben ein Netzwerk gegründet, das sich allgemeinen Fragen des Architektur-Managements widmet.
Post-CIO Johannes Helbig fungiert als Sponsor des SOA Innovation Lab.
Post-CIO Johannes Helbig fungiert als Sponsor des SOA Innovation Lab.
Foto: Joachim Wendler

"Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt." So die Überzeugung von Johannes Helbig, CIO der Deutsche Post Brief. Um das Anwenderwissen zum Thema Service-orientierte Architekturen (SOA) zu vermehren, hat Helbig im Herbst vergangenen Jahres das SOA Innovation Lab initiiert. Dabei handelt es sich um ein hersteller- und beraterunabhängiges Netzwerk von Chefarchitekten und CIOs aus SOA-affinen Anwenderunternehmen, das sich noch in diesem Jahr als eingetragener Verein institutionalisieren will. Die kleine, aber feine Teilnehmerliste reicht vom Textilhersteller Esprit über Commerzbank und Zurich Versicherung, Wacker und Beiersdorf bis zu VW und Daimler sowie Lufthansa und Deutscher Bahn.

Kein Pfeifenraucher-Club

Das Innovation Lab soll, so Helbig, nicht nur eine Community herausbilden. Schon gar nicht sei es als Club für Pfeife rauchende Debattierfreunde konzipiert. Gefragt sei vielmehr "echtes Commitment" von Seiten der Mitglieder. Es gehe darum, konkret an Problemen zu arbeiten, die allen SOA-Anwendern unter den Nägeln brennen. Einige Themen könne und dürfe man nicht den Herstellern überlassen: "Da müssen wir Anwender uns selbst helfen."

Noch vor der eigentlichen Gründung des Netzwerks wurden deshalb drei Arbeitsgruppen ("Workstreams") ins Leben gerufen:

  • Eine Gruppe beschäftigt sich damit, eine verallgemeinerte "SOA-Landkarte" anzufertigen. Ziel ist ein übergreifendes Begriffsmodell für das Enterprise-Architecture-Management (EAM). Dazu gehört auch ein an CMMI (siehe: "Prozessgüte gleich Wettbewerbsvorteil") und Cobit angelehntes Reifegrad-Modell mit geeigneten Messkriterien und einer Roadmap, um von einer Ebene auf die nächste zu gelangen. Im Juni dieses Jahres sollen die ersten Ergebnisse vorliegen, auf deren Basis die teilnehmenden Unternehmen - unter anderen Daimler und Deutsche Bahn - dann einen "Selbstversuch" starten wollen

  • Die zweite Arbeitsgruppe widmet sich dem Thema SOA-Training. Ihre Aufgabe besteht darin, Curricula für unterschiedliche Zielgruppen zu erstellen und bei den Schulungsanbietern standardisierte Trainings-Bausteine in Auftrag zu geben. Ab der Mitte dieses Jahres wollen die teilnehmenden Unternehmen in die Pilotschulungen mit den erarbeiteten Materialien einsteigen.

  • Die dritte Gruppe hat den "SOA Technology Stack" im Visier. Themen für den Erfahrungsaustausch sind beispielsweise Infrastrukturstrategien sowie der Umgang mit den Angeboten der Softwarehersteller, beispielsweise in Form von Produktvergleichen. Mittelfristig wollen die Workstream-Mitglieder daraus Best Practices entwickeln und die technische Standardisierung von Integrationsplattformen vorantreiben.

Potenzielle Mitstreiter hegen Misstrauen

Das starke Engagement von Post-CIO Helbig und seinem Kollegen Alexander Scherdin, der als Senior Vice President die Themen IT-Architektur und Qualiäts-Management verantwortet, hat bei einigen potenziellen Mitstreitern Misstrauen geweckt. Das SOA Innovation Lab werde, so ihr Verdacht, von der Post dominiert, oder - schlimmer noch - es sei eine Werbeveranstaltung für das SOA-Framework "Sopera", das die Post mittlerweile als Open-Source-Software einer selbständigen Unternehmensausgründung anvertraut hat. Helbig und Scherdin weisen diese Vorwürfe weit von sich: "Wir sind ein Mitglied unter anderen. Die Agenda wird von allen Mitgliedern gemeinsam gesetzt."

Schützenhilfe leistet ihnen Stefan Manke, Leiter des Development Center BahnNet bei der DB Systel GmbH, einer Tochter der Deutsche Bahn AG. Er habe am Anfang auch Bedenken gehabt, räumt er ein: "Kann man die unterschiedlichen Interessen der Unternehmen überhaupt unter einen Hut bekommen? Wie viel Offenheit ist von den Mitgliedern zu erwarten? Wollen einige vielleicht nur Know-how absaugen und selbst nichts beitragen?" Derartige Fragen hätten ihn bewegt. Doch überwogen hätten schließlich die zu erwartenden Vorteile: "Jeder Vortrag über SOA fängt mit einer globalen Definition an, aber der Teufel liegt im Detail", erläutert er, "und die Feinheiten kommen in einem Folienvortrag nicht rüber." Nur durch den intensiven Erfahrungsaustausch mit anderen SOA-Anwendern lasse sich "vermeiden, in dieselben Fettnäpfchen zu treten wie die anderen".

Der Jahresbeitrag für das künftige SOA Innovation Lab e.V. - geplant sind 20 000 Euro pro Unternehmen - sei gut investiert. Allein durch die Schulungsunterlagen aus dem Training-Workstream amortisiere er sich leicht . (Mehr zum Thema SOA finden Sie auch im "SOA Expertenrat" der COMPUTERWOCHE.) Von den Beiträgen sollen keineswegs hauptamtliche Mitarbeiter finanziert werden, beteuert Scherdin. Die Arbeit sei vielmehr ehrenamtlich und finde häufig in der Freizeit der Mitarbeiter statt. Deshalb könnten die Beiträge in Forschungsaufträge an Universitäten sowie im Ausnahmefall auch in externe Beratungsleistungen fließen. (qua)