Das Outsourcing-Geschäft flaut ab

31.10.2007
Der US-Markt ist gesättigt. Nur in Europa verzeichnen die Anbieter von Auslagerungsdiensten noch Wachstumsraten.

Amerikanische Anwender gelten als aufgeschlossen gegenüber neuen Management-Methoden und Techniken. Viele Trends schwappen mit zwei Jahren Verspätung nach Europa hinüber. Sollte sich das auch im Outsourcing-Markt bewahrheiten, dürften auf die Anbieter magere Zeiten zukommen: Der Sourcing-Beratung TPI zufolge ist das Geschäft mit Auslagerungsdiensten in Nord- und Südamerika von 23,6 Milliarden Euro in den ersten drei Quartalen 2006 auf elf Milliarden Euro in diesem Jahr zurückgegangen. Schuld daran ist vor allem die deutliche Tendenz zu kleineren Abschlüssen: Lagen vor fünf Jahren nur neun Prozent der Verträge, in die TPI involviert war, unter 20 Millionen Euro, sind es seit Beginn dieses Jahres bereits 40 Prozent. Die Experten begründen diese Entwicklung mit der inzwischen weitgehenden Sättigung des US-Markts. Gleichzeitig mache sich bemerkbar, dass die dortigen Anwender immer häufiger schnelle Einspareffekte erzielen wollten und weniger Wert auf langfristige Outsourcing-Beziehungen legten.

Hier lesen Sie ...

  • wie sich der weltweite Outsourcing-Markt in diesem Jahr entwickelt hat;

  • warum das Geschäft in den USA rückläufig ist;

  • in welchen Ländern und Marktsegmenten die Auslagerungsbereitschaft der europäischen Anwender gestiegen ist;

  • und welche Trends sich für die Zukunft abzeichnen.

Wachsender Markt in Europa

Am häufigsten werden in Europa nach wie vor Infrastruktur-Services in Anspruch genommen. Aber auch Helpdesk- und Support-Dienste haben stark aufgeholt.
Am häufigsten werden in Europa nach wie vor Infrastruktur-Services in Anspruch genommen. Aber auch Helpdesk- und Support-Dienste haben stark aufgeholt.
Foto: Forrester Research

Wie die Zahlen von TPI und den Marktforschern von Forrester Research belegen, kommen die Wachstumsimpulse zurzeit vor allem aus der Emea-Region (Europa, Mittlerer Osten, Afrika). Allerdings habe sich auch hier der Trend zu kleineren Deals verstärkt: Auf Verträge zwischen zehn und 20 Millionen Euro entfallen laut Forrester mittlerweile 30 Prozent aller Outsourcing-Deals. Fünf-Jahres-Verträge sind mit einem Anteil von 35 Prozent am beliebtesten. Aber auch Deals über drei Jahre oder weniger haben zugenommen und machen inzwischen 21 Prozent der Abschlüsse aus.

Am häufigsten ist nach wie vor IT-Infrastruktur-Outsourcing. Laut Forrester enthielten 45 Prozent aller im zweiten Quartal 2007 unterzeichneten Deals Infrastruktur-Komponenten. Prominentestes Beispiel war die Verlängerung des Abkommens zwischen IBM GS und dem Versicherungskonzern Royal & Sun Alliance. Stark aufgeholt hat aber vor allem das Geschäft mit Helpdesk- und Support-Dienstleistungen. Der Anteil solcher Deals lag 2006 noch bei 17 Prozent, in diesem Jahr waren es bereits 44 Prozent.

Multi-Sourcing-Abkommen sind zwar immer noch verbreitet, vor allem bei Großunternehmen. Gleichzeitig schließen aber immer mehr Anwender Verträge mit einem Anbieter ab, die mehr als eine Dienstleistung umfassen, beobachtet Andrew Parker, Analyst bei Forrester. Im Trend lägen zum Beispiel Deals über Helpdesk- und Support-Services, kombiniert mit Desktop-Management. Auch Entwickungs- und Infrastruktur-Management-Services würden häufig im Bundle bezogen.

Schwaches BPO-Geschäft

Der europäische Markt für BPO-Services (Business Process Outsourcing) schwächelt dagegen: Laut TPI ging die Zahl der Deals in den ersten drei Quartalen um 34 Prozent zurück, ihr Gesamtvolumen sank um 24 Prozent. Den Analysten zufolge beschränken sich die Anwender derzeit vorrangig auf Einzelfunktionen in den Bereichen HR (Human Resources), F&A (Finance & Accounting) sowie in Callcentern. "Das BPO-Geschäft hat sich nicht so gut entwickelt wie ursprünglich angenommen", räumt auch Forrester-Experte Parker ein. Abgesehen von den Finanzdienstleistern konzentrierten sich die meisten Anwender derzeit vorrangig auf essenzielle Komponenten wie Infrastruktur-Management-, Desktop-Management- und Anwendungsservices sowie auf transaktionsorientierte Geschäftsprozess-Dienste wie Gehaltsabrechnungen.

Nur in Europa wächst der Markt

  • Die weltweiten Aufträge mit einem Wert von 40 Millionen Dollar oder mehr sind in den ersten drei Quartalen 2007 laut TPI um 16 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres gesunken.

  • Der Gesamtvertragswert (Total Contract Value) sank um 17 Prozent auf 38 Milliarden Dollar und damit auf den niedrigsten TCV in einem Dreivierteljahr seit 2001.

  • In Europa ist der TCV von Deals über mindestens 40 Millionen Euro in den ersten neun Monaten dieses Jahres dagegen gestiegen: von 17 Milliarden auf 21 Milliarden Euro. Damit entfielen erstmals mehr als 50 Prozent der weltweiten größeren Abschlüsse auf die Alte Welt. Auch zahlenmäßig haben diese Verträge, anders als in Amerika, zugenommen.

  • Echte Mega-Deals sind selten geworden. Der Gesamtwert von Abschlüssen mit einem Volumen von mehr als 800 Millionen Euro sank weltweit von 13,7 Milliarden Euro in den ersten drei Quartalen 2006 auf weniger als zehn Milliarden Euro in diesem Jahr.

  • Aber wenn sie zustande kommen, dann vor allem in Europa: Von den bislang zehn weltweit vereinbarten Großaufträgen wurden hier sieben unterzeichnet, vorrangig im Infrastruktur- und Netzwerkbereich. Damit ist die Zahl der Mega-Deals in Europa um 40 Prozent, ihr Vertragswert sogar um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.

  • Auch beim Neugeschäft haben Europa und der asiatisch-pazifische Raum die Nase vorn: In Europa stieg die Zahl der Neuverträge in diesem Jahr um 36 Prozent, in Asien sogar um 72 Prozent.

Großbritannien ist mit 36 Prozent nach wie vor der größte Outsourcing-Markt in Europa, gefolgt von Deutschland und den Niederlanden mit jeweils zwölf Prozent.

Deutschland hat stark aufgeholt

"Der deutsche Markt wird noch immer stark von lokalen Playern, allen voran T-Systems und SIS, dominiert. Aber auch multinationale Anbieter wie EDS und IBM haben in letzter Zeit wichtige Deals gewonnen", betont Parker. Zu nennen sei hier vor allem der Vertrag zwischen EDS und Karstadt-Quelle. Damit handle es sich nicht nur um den größten Deal, den der texanische Outsourcer in Deutschland abschließen konnte. Mit seiner Kombination aus Anwendungsentwicklung und Application–Management sowie von Helpdesk- und Desktop-Services sei der Vertrag auch ein gutes Beispiel für den Trend zu Service-Bundles. Aufgeholt haben zudem die indischen Anbieter. Vor allem in den Bereichen Managed-Application und Remote-Infrastruktur-Management konnten sie hierzulande Kunden hinzugewinnen.

Weitere Länder mit hoher Auslagerungsbereitschaft sind Skandinavien und die Schweiz. die nordischen Anbieter betreiben laut Forrester besonders viel Outsourcing, gemessen an der vergleichsweise geringen Marktgröße ihrer Herkunftsländer. In Asien sind seit diesem Jahr Indien und China die größten Märkte. "Die Länder, die sich in der Vergangenheit mit der Erbringung von IT-Services einen Namen gemacht haben, entwickeln sich jetzt auch zu Käufern", heißt es in der TPI-Analyse.

IBM Global Services bleibt die unangefochtene Nummer eins im Outsourcing-Markt: Allein im zweiten Quartal unterzeichnete der IT-Serviceriese insgesamt zehn Deals in sieben Emea-Ländern und mit einem Gesamtvertragswert von 1,31 Milliarden Euro. Weitere wichtige Player waren in diesem Zeitraum EDS (mit Karstadt-Quelle) sowie der britische Anbieter Capita, der einen Deal im Wert von 580 Millionen Pfund (umgerechnet rund 853 Millionen Euro) mit dem britischen Lebensversicherer Resolution an Land zog. Auch Dell etabliert sich zunehmend im Outsourcing-Geschäft. Der PC-Hersteller konzentriert sich vorrangig auf hardware-nahe IT-Dienste wie technischen Support und Helpdesk-Services, dies aber in großem Stil: Für den britischen Reinigungsanlagenhersteller Safety Kleen etwa schloss er einen Deal über den Support für mehr als 4500 Endanwender ab.

Nischenanbieter auf dem Vormarsch

Neben den multinationalen Providern gewinnen auch Nischen-Player, allen voran TK-Dienstleister wie Alcatel-Lucent, AT&T, BT und Ericsson, zunehmend Marktanteile in Europa. Auch den größeren indischen Anbietern gelingt es immer besser, die bislang in Sachen Offshoring zurückhaltenden Anwender von ihren günstigen Angeboten zu überzeugen. Neben dem klassischen Geschäft mit Anwendungsentwicklung dringen die Inder dabei zunehmend in den IT-Infrastrukturbereich vor. Ihre Outtasking-Strategie, einzelne Aufgaben zu übernehmen und ihr Betätigungsfeld dann nach und nach zu erweitern, kam bislang vor allem in Amerika gut an, wo es weniger sprachliche und kulturelle Barrieren als in Europa gibt und wo kleinere Deals im Trend liegen, mit denen die Auftraggeber möglichst schnell Einsparungen erzielen wollen. Aus diesem Grund haben inzwischen auch die multinationalen IT-Dienstleister ihre Offshore-Kapazitäten stark ausgebaut.

Die Analysten von TPI rechnen jedoch damit, dass sich der Trend zu Billigangeboten, die auf kurzfristige Effekte abzielen, bald abschwächen wird. Die entsprechenden Impulse kommen ausgerechnet von den indischen Anbietern selbst, beobachten die Experten: Angesichts der steigenden Löhne auf dem Subkontinent legen diese zunehmend Wert auf Business-Aspekte wie Produktivitätssteigerung sowie auf hohe Qualität und langfristige Geschäftsbeziehungen. Damit dürften die Umfänge und Laufzeiten der Deals künftig wieder zunehmen.

Der europäische Outsourcing-Markt soll in den nächsten Quartalen weiter wachsen und dabei vielfältiger und wettbewerbsintensiver werden. Angesichts der ständig steigenden Zahl von Anbietern nimmt zudem die Konsolidierung zu. Langfristig die besten Chancen, da sind sich die Experten von Forrester und TPI einig, haben IT-Dienstleister mit fundierten Offshore-Kompetenzen.