Beratung ohne Berater: Ein Anwendernetz macht es möglich

20.06.2007
In Großbritannien macht das "Consulting-free Consulting" von sich reden: Es ist ein begleiteter Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen ohne teure Beratungsleistungen.

Die Management-Berater in Großbritannien haben ungewöhnliche Konkurrenz bekommen. Dort hat der ehemalige Capgemini- und Booz-Allen-Hamilton-Berater Bill Bronsky einen Vermittlungsservice für Anwenderunternehmen aufgebaut. "The Offices of Business Architectures" (OBA) stellt Kontakte zwischen Unternehmen her, die ähnliche Probleme haben, aber in unterschiedlichen Branchen tätig sind. Die Services konzentrieren sich auf Fragen zur Geschäftsstrategie und Lieferkette sowie innovativen Geschäftsarchitekturen. Mit diesem Ansatz hat das Unternehmen ein Netzwerk zwischen großen Konzernen geknüpft. "Die dem Netz zugrunde liegende Idee ist, dass die Antwort auf Fragen irgendwo da draußen sein muss", zollte der Branchendienst "Consultant-News.com" dem OBA-Service Respekt.

Bill Bronsky, Unternehmensgründer und Chef von "The Offices of Business Architectures": "Irgendwo da draußen gibt es eine Antwort auf jede Frage".
Bill Bronsky, Unternehmensgründer und Chef von "The Offices of Business Architectures": "Irgendwo da draußen gibt es eine Antwort auf jede Frage".
Foto: Bill Bronsky

Das Angebot scheint auf fruchtbaren Boden zu stoßen. Unternehmensgründer Bronsky sagte, man werde mittlerweile regelmäßig von Kunden auf Projekte angesprochen, die normalerweise von gängigen Beratungsunternehmen betrieben werden. "Das Bemerkenswerte daran ist nicht nur, dass es die Antwort auf viele Fragen schon gibt, sondern dass sie in ihrer Wirkung erheblich unterschätzt wird", staunte Bronsky gegenüber Consultant-News.com. "Dahinter verbirgt sich eine Kombination aus fehlendem Bewusstsein dem Thema gegenüber sowie Trägheit."

Antworten von Anwendern für Anwender

Üblicherweise füllen Berater diese Lücke, indem sie erprobte Verfahren aus der Industrie sammeln und in ihren Kundenunternehmen einführen. Bronsky setzt dagegen auf den direkten Erfahrungsaustausch: "Das ist ungefiltert, unverdünnt und unvoreingenommen", schilderte er. "Den größten Wert haben zudem Schilderungen über Dinge, die nicht funktionieren. Es hat eine andere Wirkung, wenn anstelle eines Beraters ein Kunde seine Erfahrungen schildert."

Das OBA-Modell wurde seit der Gründung des Unternehmens weiterentwickelt. So hat Bronsky beispielsweise den Erfahrungsschatz seiner Kunden um die interne Marktforschung ergänzt. Dieser Service wurde kürzlich unter der Bezeichnung "Innovation Exchange" gestartet. Im Rahmen des Angebots bittet OBA die Mitglieder des Netzwerks um drei wichtige Themen, mit denen sie sich aktuell besonders konfrontiert sehen (etwa Produktinnovationen, Gräben zwischen Angebots- und Nachfrageseite). Die Marktforschung dazu übernimmt das Institut "The London Business School". Nach der Erhebung und Auswertung folgt eine Reihe von Veranstaltungen rund um die vorgeschlagenen Themen. Dort finden sich rund 20 Unternehmen zum Erfahrungsaustausch zusammen. "Der Tag selbst verläuft ziemlich simpel", verriet Bronsky. "Der Prozess, jemanden beispielsweise aus der Bankenbranche dazu zu bringen, sich mit den Belangen einer Öl-Company zu beschäftigen, ist die eigentliche Herausforderung." Dennoch ist die Innovation-Exchange-Reihe laut Bronsky zum Selbstläufer geworden. Die Kunden fordern inzwischen ein, Themen in weiteren Gesprächsrunden zu vertiefen.

Eine weitere interessante Entwicklung, die das OBA-Netz nimmt, ist die Teilzeitarbeit in fremden Unternehmen. Die Diskussion zwischen Managern aus zwei Branchen hat zum Teil dazu geführt, dass sich die Experten gegenseitig im jeweils anderen Unternehmen unter die Arme greifen, um Probleme zu lösen. "Das Unternehmen, das den Mitarbeiter beschäftigt, profitiert von einem Erfahrungsschatz mit einem Vorsprung von zwei bis drei Jahren. Zurück kommt jemand, der noch mal einen Wissenssprung geschafft hat", schildert der OBA-Manager.

Bedrohungszenario für klassische Consultants? – Nein

Das OBA-Konzept wächst stetig, doch ob das auch so bleiben wird, kann auch Bronsky nicht abschätzen. Der Erfolg des Netzes hängt direkt von der Bereitschaft der Teilnehmer zur Diskussion ab. Derzeit tauschen sich 19 Firmen aus, bis Ende des Jahres sollen weitere acht hinzustoßen, so das Ziel des OBA-Lenkers.

Als Bedrohung für das Geschäftsmodell der klassischen Berater erachtet Consultant-News das Netz jedoch nicht. Auch die OBA-Kunden sind laut Bronsky offen für Diskussionen mit Consultants. Für renommierte Berater mit Reputation und hohem Qualitätsanspruch könne OBA jedoch Hinweise liefern. Auf jeden Fall überlässt auch das Anwendernetz nach Einschätzung des Branchendienstes ausreichend Raum für neue Ideen und Modelle von Beratern und Hochschulen. (jha)

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