Buchhaltungsservices liegen im Trend

22.02.2007
Deutsche Anwender beschränken sich allerdings vorrangig auf transaktionsorientierte Teilprozesse.

Durch Referenzprojekte multinationaler Anwenderunternehmen sowie verstärkte Offshore-Aktivitäten der Anbieter sind die Einstiegshürden für das Auslagern von Prozessen im Finanz- und Rechnungswesen in den letzten drei Jahren stark gesunken. Die Anbieter profitieren davon: Den Marktforschern von Everest Research, Dallas, zufolge hat dieses Business-Process-Outsourcing-Segment (BPO) in den USA schon fast den Reifegrad des HR-BPO (Human Resources) erreicht. Aber auch die Alte Welt zieht nach: Laut IDC wächst der westeuropäische F&A-Outsourcing-Markt (Finance & Accounting) um durchschnittlich 14,6 Prozent pro Jahr und soll bis 2010 ein Volumen von 3,9 Milliarden Dollar erreichen (siehe Grafik).

Hier lesen Sie ...

  • welche Vorteile das Outsourcing von transaktionsorientierten Finanz- und Buchhaltungsaufgaben bietet;

  • warum die meisten deutschen Firmen bislang keine tiefer gehenden F&A-Prozesse ausgelagert haben;

  • wer die wichtigsten Anbieter von F&A-Services sind;

  • und wie sich der Markt künftig entwickeln wird.

Dabei arbeiten Konzerne mit globalen IT-Dienstleistern zusammen, die ihre Services oft weltweit ausrollen. Solche Deals haben in der Regel auch Auswirkungen auf den deutschen Markt. So hat der Hochheimer Verpackungsspezialist Tetra Pak kürzlich die Verantwortung für den Betrieb seines Finanz- und Rechnungswesens in 60 Ländern an Capgemini übergeben. Auch für Zurich Financial Services erbringt der französische Anbieter diverse Dienste im Finanzwesen und der Buchhaltung. Bis dato wurden die Ländergesellschaften in den USA, Großbritannien, der Schweiz und Deutschland an die Servicekette angeschlossen.

Bildunterschrift: Stephan Kaiser, PAC: Einfache Buchungsprozesse passen perfekt zum Fabrikansatz des Auslagerns.
Bildunterschrift: Stephan Kaiser, PAC: Einfache Buchungsprozesse passen perfekt zum Fabrikansatz des Auslagerns.

Ansonsten beschränkt sich das F&A-Outsourcing (FAO) hierzulande vornehmlich auf einfache, transaktionsorientierte Tätigkeiten. "Bei vielen buchhalterischen Prozessen, allen voran der Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung, handelt es sich um keine für den Anwender wettbewerbsdifferenzierenden Aufgaben, sondern eher um eine lästige Pflicht", begründet Stephan Kaiser, Consultant beim Beratungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC), diesen Trend. Ähnlich wie Transaktionen im Personalwesen etwa Payroll böten solche Tätigkeiten ideale Voraussetzungen für die Vergabe an einen externen Anbieter.

Hauptmotiv Kostensenkung

Einer PAC-Analyse zufolge wenden deutsche Unternehmen in diesem Bereich im Schnitt etwa 40 Prozent ihrer Ressourcen für rein administrative Buchungsvorgänge auf, die ein externer Spezialist in der Regel kostengünstiger abwickeln kann. Kaiser sieht im FAO sogar noch größere Vorteile als im HR-Outsourcing: "Wenn der IT-Dienstleister bei der Abwicklung von Lohn- und Gehaltsabrechnungen einen Fehler macht, steht gleich der Mitarbeiter auf der Matte." Einfache F&A-Buchungsprozesse seien dagegen vollkommen unpersönlich und passten daher perfekt zum Fabrikansatz des Auslagerns.

Auch Compliance-Vorgaben wie der Sarbanes-Oxley Act (SOX) treiben das Thema voran: Die Anwender sind gezwungen, ihre Prozesse im Finanz- und Buchhaltungswesen zu dokumentieren und schaffen damit eine wichtige Voraussetzung, um sie auszulagern. "Gleichzeitig besteht in Unternehmen, die viel investieren, um den SOX-Bestimmungen zu genügen, oft die finanzielle Notwendigkeit, sich auch die Leistungen und Preise externer Provider genauer anzuschauen", erläutert Kaiser.

Echtes BPO ist noch selten

Allerdings eignen sich nicht alle F&A-Bereiche für die Vergabe an einen externen Anbieter. "Strategisches Controlling und Risiko-Management sind Bereiche, die den Puls des Anwenders mitbestimmen. Sie sollten im Haus bleiben", so Kaiser. Aber auch andere F&A-Prozesse, die über reine Buchungen hinausgehen, sind hierzulande noch selten. "Was derzeit passiert, ist meist kein Geschäftsprozess-Outsourcing, sondern einfach das Erbringen von externen Dienstleistungen", beschreibt Thomas Reuner, Strategic Consulting Partner bei IDC, den aktuellen Stand in Deutschland. "Die ausgelagerten Bereiche der Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung sind ja nur Teilprozesse. Echtes BPO bedeutet aber, dass der Dienstleister tief in die Abläufe des Kunden reingeht, also im Fall F&A alle Rechnungs- und Buchhaltungsprozesse, einschließlich der strategischen Bereiche wie der Finanzbuchhaltung, operativ verwaltet und dafür die Verantwortung übernimmt." Und erst das bringe nennenswerte Effizienzsteigerungen.

Bildunterschrift: Auch in Europa werden F&A-Aufgaben im immer häufiger an externe Anbieter ausgelagert. Vor allem das Geschäft mit transaktionsorientierten Services brummt.
Bildunterschrift: Auch in Europa werden F&A-Aufgaben im immer häufiger an externe Anbieter ausgelagert. Vor allem das Geschäft mit transaktionsorientierten Services brummt.
Foto: IDC

Nach Ansicht des IDC-Experten konnten die IT-Dienstleister in diesem Bereich jedoch lange Zeit keine ausgereiften Konzepte vorlegen. Zudem hätten bislang in Deutschland an den lokalen Markt angepasste Vertriebs- und Service-Bereitstellungsstrukturen gefehlt. Hinzu komme, dass deutsche Manager grundsätzlich zurückhaltender seien als etwa ihre britischen Kollegen: "Viele befürchten Kompetenzverluste, wenn sie solche Aufgaben an Dienstleister delegieren", so Reuner. Auch die Bedenken, betriebsinterne Daten an einen externen Anbieter zu übergeben, der in seinem Rechenzentrum auch noch andere Kunden betreut, "sind ein typisch deutsches Phänomen", hat PAC-Experte Kaiser beobachtet.

Und schließlich mangelt es hierzulande noch an Erfahrungswerten. Aus Angst vor Negativschlagzeilen vereinbaren viele Anwender Stillschweigen über FAO-Deals. Vor allem bei Verträgen mit Offshore- oder Nearshore-Bestandteilen herrscht Zurückhaltung. "In Deutschland ist das ja ein besonders sensibles Thema, weil solche Verträge in der Regel mit einem Arbeitsplatzabbau im Heimatland verbunden sind", so Kaiser.

Hoher Offshore-Anteil

Den Marktforschern von Everest Research zufolge enthalten rund 80 Prozent aller derzeit laufenden FAO-Deals eine Offshore- oder Nearshore-Komponente. US-Unternehmen finden in Niedriglohnländern wie Indien einen großen Pool an Fachkräften vor, die gut Englisch sprechen und mit Bilanzierungsregeln wie US GAAP vertraut sind. Aber auch für hiesige Anwender bieten sich immer mehr Möglichkeiten. So investieren globale Player wie Accenture, IBM, HP und Capgemini zurzeit verstärkt in Osteuropa, um den westeuropäischen Markt von dort aus zu bedienen.

Mehr Anbieter-Kompetenzen

Trotz der Bedenken hiesiger Anwender sind die Experten aber davon überzeugt, dass der FAO-Markt auch hierzulande wachsen wird. "Inzwischen verfügen immer mehr IT-Dienstleister über das nötige Prozess- und das strategische Know-how, um die täglich ablaufenden Geschäftsprozesse ihrer Kunden abbilden zu können", hat IDC-Analyst Reuner beobachtet. Vor allem Accenture und IBM haben das Zeug, sich im BPO-Umfeld breit aufzustellen und dabei das Thema F&A abzudecken, bestätigt PAC-Berater Kaiser. "Aber auch HP schafft es immer besser, die Kompetenzen, die das Unternehmen bei der Standardisierung und Zentralisierung seiner eigenen F&A-Ressourcen im Rahmen von Shared-Service-Centern erworben hat, auf den Drittmarkt zu übertragen."

Auch indische Player holen auf

Als spannenden Player bezeichnet der Berater zudem die ehemalige General-Electric-Tochter Genpact. Der seit Ende 2004 eigenständige IT-Dienstleister mit Sitz in Indien hat als Shared-Service-Center von GE fundierte FAO-Erfahrungen gesammelt, die er jetzt mit zunehmendem Erfolg auch für externe Kunden nutzt. So hat Genpact Anfang dieser Woche einen Deal über diverse Buchhaltungs- und Einkaufsservices mit dem Schweizer Pharmakonzern Novartis unterzeichnet. Und Anfang des Jahres schloss der indische Anbieter einen F&A-Vertrag mit dem US-amerikanischen Hygieneartikelhersteller Kimberley-Clark. Im mittelständisch geprägten Deutschland haben nach Ansicht von Kaiser aber auch lokale Nischenanbieter gute Chancen: "Hierzulande bevorzugen viele Anwender einen Partner auf Augenhöhe."

Aber nicht nur die Anbieter, auch die Kunden haben dazugelernt. "Vor allem Großkonzerne legen mittlerweile ein relativ reifes Sourcing-Verhalten an den Tag. Das wird sich in den kommenden Jahren im Mittelstand fortsetzen", prophezeit IDC-Mann Reuner. Gefördert wird die Entwicklung durch erste Informationen über funktionierende FAO-Referenzprojekte, die auch für den deutschen Markt relevant sind etwa die Deals von Capgemini mit Tetra Pak und Zurich Financial. "Vor allem Anwender, die gute Erfahrungen mit IT- und oder HR-Outsourcing gemacht haben, werden sich dem Thema öffnen", ist PAC-Berater Kaiser überzeugt.