Outsourcing-Markt im Umbruch

11.01.2007
Die Zahl der Auslagerungsprojekte steigt, die der Mega-Deals sinkt. Ungeachtet der Marktkonsolidierung gewinnen immer mehr Anbieter Outsourcing-Aufträge.
Die europäischen Anwender haben im vergangenen Jahr die meisten Outsourcing-Abkommen unterschrieben
Die europäischen Anwender haben im vergangenen Jahr die meisten Outsourcing-Abkommen unterschrieben

Kaum ist das Jahr 2006 abgelaufen, zieht das Outsourcing-Beratungshaus TPI Bilanz. Demnach übernehmen mehr und mehr die europäischen Anwender die Führungsrolle in diesem Geschäft: Sie haben 157 Auslagerungsaufträge unterschrieben (im Vorjahr waren es 142 Kontrakte), die amerikanischen Anwender haben 148 Projekte (Vorjahr: 163) vereinbart. In die Zählung flossen IT-Deals mit einem Wert von mehr als 40 Millionen Euro ein, Business-Process-Outsourcing- (BPO-)Abkommen wurden ab einem Vertragsvolumen von 20 Millionen Euro erhoben. Weil sich auch die Unternehmen im asiatisch-pazifischen Raum zunehmend mit der Auslagerung ihrer IT- und Geschäftsfunktionen anfreunden, stieg die Zahl der Outsourcing-Abkommen auf das Rekordniveau von 350 binnen einem Jahr. Weltweit wurden 2006 damit drei Prozent mehr Vereinbarungen getroffen als 2005.

Während die Zahl der Verträge insgesamt moderat steigt, fällt der Gesamtwert der Aufträge deutlich. Das weltweite Vertragsvolumen war um acht Prozent gegenüber 2005 rückläufig. Das ist ein Zeichen für den Trend zum selektiven Outsourcing, bei dem die Anwender Aufträge stückeln und mit relativ kurzen Laufzeiten vergeben. Diese Sourcing-Strategie scheint insbesondere unter den europäischen IT-Managern beliebt. Obwohl in der Alten Welt die meisten Auslagerungsprojekte begonnen wurden, bleibt der Gesamtwert der Abkommen hinter dem des amerikanisches Marktes zurück. Hüben gibt es demnach viele kleine Deals, drüben weniger, aber größere. Gemeinsam ist den Märkten das schrumpfende Gesamtvoumen. Dennoch wollen die TPI-Beobachter nicht von einem rückläufigen Markt sprechen. Weil Anwender auf immer kürzere Laufzeiten der Verträge drängen, werden naturgemäß auch die Auftragsvolumina kleiner.

Die differenzierte Einkaufspolitik der Anwender spiegelt sich nicht nur in der Stückelung der Verträge wider, sondern auch in der Wahl der Anbieter. Immer mehr Dienstleister kommen zum Zuge. Im vergangenen Jahr ergatterten beispielsweise 90 Service-Provider wenigsten einen Outsourcing-Auftrag mit mehr als 20 Millionen Euro Vertragswert .

Die weltweit sechs größten Anbieter sind nicht mehr automatisch erste Wahl bei der Vergabe von Großprojekten.
Die weltweit sechs größten Anbieter sind nicht mehr automatisch erste Wahl bei der Vergabe von Großprojekten.

Als Beleg für die veränderte Sourcing-Strategie der Anwender führt TPI die Großprojekte an, die nicht wie früher automatisch an die marktbeherrschenden Provider vergeben werden. Im Jahr 2002 teilten sich sieben Auftragnehmer 21 Projekte mit einem Volumen von mehr als 800 Millionen Euro auf. Der Gesamtwert dieser Deals belief sich auf 27,7 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr bekamen hingegen in 13 Projekten nämlicher Größenordnung zwölf Anbieter den Zuschlag, sie mussten sich den viel kleineren Gesamtkuchen von 19,1 Milliarden Euro untereinander aufteilen. Bemerkenswert ist zudem, dass sich die weltweit sechs größten Anbieter (TPI bezeichnet sie als Big Six, ohne sie näher zu benennen) im Jahr 2002 rund 88 Prozent des gesamten Vertragsvolumens von 27,7 Milliarden teilten. Im Jahr 2006 schnappten sich hingegen mehr als die Hälfte der insgesamt 19,1 Milliarden Euro Dienstleister, die nicht zu den sechs führenden Anbietern zählen.

Gern angesteuerte Adressen für Anwender mit großen Auslagerungsvorhaben sind offenbar Accenture, ACS, Atos Origin, CSC, EDS, IBM Hewitt, Hewlett-Packard und Siemens Business Services. Diese neun Dienstleister haben in den vergangenen fünf Jahren jeweils vier oder mehr große Abkommen an Land ziehen können.

Die europäischen Anbieter haben im vergangenen Jahr erstmals seit langem wieder Marktanteile verloren.
Die europäischen Anbieter haben im vergangenen Jahr erstmals seit langem wieder Marktanteile verloren.

TPI hat bei dem Vergleich der Daten aus dem Jahr 2006 mit älteren Erhebungen eine Veränderung der Anbieterlandschaft festgestellt. Seit 2003 haben vor allem die fünf größten europäischen Anbieter wie Capgemini, Atos Origin und T-Systems kontinuierlich Marktanteile gegenüber den großen, zumeist US-amerikanischen Anbieter gewonnen. Sie waren dabei sogar erfolgreicher als die indischen Konkurrenten. Doch dieser Trend ist zunächst gestoppt: Im vergangenen Jahr sackte der Marktanteil der fünf großen hiesigen Provider von 15 auf elf Prozent, wobei die US-amerikanischen Anbieter bei anteiligen 48 Prozent verharrten. Nutznießer der Entwicklung waren zwar die indischen Wettbewerber, allerdings nicht in dem Maße, wie man angesichts der nach wie vor angeregten öffentlichen Diskussionen um das Offshore-Thema vermuten sollte. Die Gruppe der "übrigen Service-Provider" legte gemessen an den Marktanteilen am meisten zu. Auch das ist ein Beleg für die mittlerweile sehr differenzierte Sourcing-Strategie der Anwender. (jha)