CeBIT und E-Health

IT-Branche tut sich bei Gesundheit schwer

04.03.2009
Petra Frauenrat hat Diabetes. Wenn die 51-Jährige beim Sonntagskaffee zu viel Kuchen isst, bekommt ihr Hausarzt das gleich mit

Ihre Blutzuckerwerte gibt die Diabetikerin jeden Tag in eine digitale Patientenakte ein, die der Mediziner per Computer abrufen kann. Ebenso kann er den Befund des Augenspezialisten abrufen, der Schäden an der Netzhaut festgestellt hat. Und wenn Petra Frauenrat einen Hustensaft verschrieben bekommt und ihr Apotheker das elektronische Rezept abruft, warnt das System gleich vor zuckerhaltigen Arzneien.

Die Vorteile liegen auf der Hand - weniger Papierkrieg, weniger Behandlungsfehler, weniger Kosten. Nur: Der Fall Petra Frauenrat ist nur ein Zukunftsszenario, das derzeit auf der CeBIT zu sehen ist. Denn elektronische Patientenakten und Telemedizin haben die Arztpraxen noch nicht erreicht. So schwelgt die IT-Branche in Hannover in Visionen der vernetzten Medizin, die ihr satte Umsätze bescheren sollen - und schimpft über Politik, Ärzte und Krankenkassen, die bei der Einführung neuer Leistungen nicht vorankommen.

Ein wichtiges Thema ist die elektronische Gesundheitskarte. Das System, bei dem Mediziner wichtige Patientendaten per Knopfdruck aufrufen können, sollte ursprünglich schon vor drei Jahren im Umlauf sein. Nun läuft selbst die Testphase äußerst holprig, Praxen und Kliniken arbeiten weiter mit eigenen Systemen. "Wir haben es im Gesundheitswesen mit einer Vielzahl von Informationsinseln zu tun", kritisierte August Wilhelm Scheer, Präsident des IT-Branchenverbandes BITKOM. Immer noch streiten Ärzte, Krankenkassen und Politik darüber, wer die hohen Anlaufkosten im Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro trägt. Auch die Frage des Datenschutzes erhitzt die Gemüter.

Dabei finden die meisten Patienten die Gesundheitskarte gut - das unterstreicht eine repräsentative Studie, die der BITKOM in Hannover vorstellte. Drei von vier Befragten (72,5 Prozent) würden etwa Daten für medizinische Notfälle auf dem Chip speichern lassen. Unter Patienten, die bereits in einer Testregion Erfahrungen gesammelt haben, ist die Unterstützung mit 87 Prozent sogar noch größer, wie die Techniker Krankenkasse kürzlich berichtete.

Doch auch jenseits der elektronischen Gesundheitskarte hat die IT-Branche viele Ideen für den Gesundheitssektor. Gerade für chronisch Kranke und ältere Menschen sei die Telemedizin geeignet, sagte Ulrich Pluta vom Aussteller T-Systems. Da gibt es Geräte, die den Blutdruck oder das Gewicht regelmäßig messen und an den Arzt funken; oder elektronische Patientenakten, die der Patient selbst verwaltet und dem Arzt bei Bedarf zur Verfügung stellt. Das Web-Portal Doctr.com aus Potsdam testet derzeit eine Online-Sprechstunde, die Chronikern nach einer Anfangsuntersuchung einige Arztbesuche ersparen kann.

Ob - und wenn ja wann - diese Innovationen sich durchsetzen, ist aber unklar. "Es braucht belastbare Refinanzierungsmodelle", sagt Pluta. Dafür müssen Krankenkassen und Ärzteverbände jedoch den Leistungskatalog erweitern. Bis dahin ist ein Szenario wie bei Petra Frauenrat unwahrscheinlich - nicht weil die Technik es nicht hergäbe, sondern weil das Geschäftsmodell fehlt. (dpa/tc)