Umbau führt zu Milliardenverlust

Siemens stemmt sich gegen Flaute

13.11.2008
Trotz der Unsicherheiten infolge der Finanzkrise konnte der Mischkonzern Siemens sein Geschäft im abgelaufenen vierten Quartal noch einmal steigern. Der Konzernumbau und der Korruptionsskandal führten aber zu einem milliardenschweren Verlust unterm Strich.

Im Gesamtjahr kam es jedoch dank des Verkaufs des Autozulieferers VDO zu einem Gewinnsprung. Die Ziele bestätigte Siemens-Chef Peter Löscher am Donnerstag in München, warnte aber zugleich: "Es ist sicher ambitionierter geworden, unsere Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2009 zu erreichen." Von Quartal zu Quartal wolle er jetzt die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft bewerten.

Die Aktie tendierte am Morgen uneinheitlich. Nachdem sie ans DAX-Ende gerutscht war, fing sie sich wieder und gewann 2,57 Prozent auf 41,11 Euro. Im Schlussquartal erhielt Siemens mit 22,205 Milliarden Euro immer noch vier Prozent mehr Bestellungen als im Vorjahreszeitraum, der Umsatz stieg um sieben Prozent auf 21,651 Milliarden Euro. Insbesondere mit der Energiebranche machte der Konzern gute Geschäfte.

Geringeres Wachstum erwartet

Siemens-Chef Löscher rechnet allerdings nicht damit, dass der Konzern im aktuellen Umfeld die Wachstumsraten der jüngeren Vergangenheit erreichen kann. Seine Hoffnungen, die Konjunkturflaute dennoch vergleichsweise gut zu überstehen, ruhen auf dem ausgebauten Servicegeschäft und der breiten Aufstellung in den Schwellenländern. "Auf die weltwirtschaftlichen Herausforderungen haben wir uns früher eingestellt als jeder andere", sagte Löscher im Bezug auf den Konzernumbau. Hier sei das Unternehmen schneller vorangekommen als erwartet.

SIS mit deutlich weniger Gewinn

Bei der bereichsübergreifenden IT-Dienstleistungssparte Siemens IT Solutions and Services (SIS) stieg der Umsatz im Schlussquartal zwar um zwei Prozent auf 1,464 Milliarden Euro (Vorjahreszeit: 1,438 Milliarden), das Ergebnis ging aber um 44 Prozent auf 45 (80) Millionen Euro zurück. Im Gesamtjahr beliefen sich die Einnahmen von SIS auf 5,325 Milliarden Euro, ein Minus von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr (5,36 Milliarden Euro). Der Gewinn sank von 252 auf 144 Millionen Euro. Die Zukunft von SIS ist weiterhin ungewiss.

Die Sonderbelastungen von rund vier Milliarden Euro führten im Schlussquartal aber auch zu einem Verlust von unterm Strich 2,420 Milliarden Euro. Vor einem Jahr hatte das Minus wegen eines Steuereffekts im Zusammenhang mit dem VDO-Verkauf bei 74 Millionen Euro gelegen. Die Analysten hatten bereits rote Zahlen zum Jahresende erwartet. Auch das Ergebnis der Sektoren - die operative Kenngröße - litt unter dem Konzernumbau: Es ging von 1,992 auf 1,485 Milliarden Euro zurück.

Prognose beibehalten

Löscher will im laufenden Geschäftsjahr das Ergebnis in den drei Sektoren Industrie, Energie und Medizintechnik weiterhin auf acht bis 8,5 Milliarden Euro hochschrauben. Dabei sind Sonderlasten aus dem Konzernumbau sowie aus Schmiergeldthemen ausgeklammert. Das Umsatzwachstum aus eigener Kraft soll weiter doppelt so hoch ausfallen wie das Wachstum der Weltwirtschaft. Auch die Margenziele, die die einzelnen Sparten bis 2010 erreichen sollen, blieben bestehen. Im vierten Quartal erreichten jedoch nur sechs von 14 Kernsparten die Vorgaben.

Für das vergangene Jahr konnte Siemens seine eigenen Ziele übertreffen. Während die Weltwirtschaft um 2,8 Prozent wuchs, legte Siemens um sieben Prozent auf einen Umsatz von 77,327 Milliarden Euro zu. Das Ergebnis der Sektoren kam mit 6,520 Milliarden Euro annähernd auf dem Niveau des Vorjahres heraus, Umbaukosten ausgeklammert lag es sogar darüber.

Radikaler Umbau

Vorstandschef Löscher baut Siemens seit seinem Amtsantritt radikal um. Er verschlankt Vertrieb und Verwaltung, restrukturiert problembehaftete Sparten wie die Verkehrstechnik und trennt sich von Randaktivitäten wie der Computertochter Fujitsu Siemens, dem Telefonanlagen-Bau SEN oder dem Schnurlostelefon-Hersteller SHC. Insbesondere der Abbau von weltweit 16.750 Stellen - 5250 davon in Deutschland - geht angesichts von Abfindungen und Weiterqualifizierungen ins Geld. Hinzu kam jüngst noch eine Rückstellung über rund eine Milliarde Euro für Strafen in der Schmiergeld-Affäre.

Unterm Strich konnte Siemens dennoch seinen Gewinn im Gesamtjahr von 4,038 auf 5,886 Milliarden Euro steigern. Der Verkauf der Tochter VDO an den Autozulieferer Continental hatte zu Jahresbeginn den Gewinn um knapp 5,5 Milliarden Euro nach oben getrieben. (dpa/tc)