Staat gegen Firewalls

Festung Privat-PC: Die Tücken der Online-Durchsuchung

16.04.2008
Von Handelsblatt 
Die Durchsuchung von Computern birgt viele Tücken. Rechtliche Fragen sind nur die eine Seite des Problems. Mindestens ebenso bedeutsam sind die technischen Herausforderungen: Denn aus Angst vor gefährlichen Viren, trojanischen Pferden und Phishing-Programmen haben viele Computernutzer ihre Rechner in schwer zu knackende Festungen verwandelt.

Seit Jahren warnen Sicherheitsbehörden in Deutschland Computernutzer vor gefährlichen Viren, trojanischen Pferden und Phishing-Programmen, die Bankdaten ausspähen. PC-Besitzer sollen stets auf der Hut sein und ihre Antivirenprogramme auf dem neuesten Stand halten. Ironischerweise erschweren genau diese Maßnahmen den Fahndern bei der heimlichen Online-Durchsuchung den Zugriff auf die Computer von Verdächtigen. Ist der Computer geknackt, können Fahnder aus technischer Sicht auf viele Informationen zurückgreifen: Nicht nur eine einmalige Durchsuchung ist denkbar, sondern eine wochen- oder monatelange Überwachung. Dabei können E-Mails oder Internettelefonate noch vor der Verschlüsselung abgefangen werden, Tastenanschläge protokolliert und damit Passwörter abgefischt werden. Schon länger plädieren Ermittlungsbehörden wie das Bundeskriminalamt für solche Möglichkeiten, um Terroristen auf Augenhöhe begegnen zu können.

Technisch machbar ist noch mehr. Viele handliche Laptop-Computer sind standardmäßig inzwischen mit einer Kamera und einem Mikrofon ausgestattet. Hat sich eine jemand in einen Computer gehackt, könnte man so auch die Umgebung des Verdächtigen in Bild und Ton überwachen. Doch das Vorbereiten einer heimlichen Online-Durchsuchung ist gerade bei technisch begabten Verdächtigen langwierig und sehr teuer. Wollen Polizisten oder Verfassungsschützer heimlich in einem Computer eindringen, müssen zunächst Experten den Zielrechner analysieren: Dazu zählt das verwendete Betriebssystem, der Internetzugang, Schutzprogramme und die Kommunikationsdienste, die der Verdächtige nutzt.

Wenn man einen Computer nur über das Internet erreichen will, ist man davon abhängig, wie oft und lange ein Verdächtiger im Netz ist. Dass die neugierigen Ermittler dabei ihre Zielperson treffen, ist nicht hundertprozentig sicher. Der Karlsruher Sicherheitsberater Dirk Fox hatte in einem Gutachten für das Bundesverfassungsgericht geschrieben: "Will man sicherstellen, dass die Durchsuchungssoftware auf keinem anderen als dem gewünschten Zielsystem installiert wird, gibt es keine Alternative zur manuellen Installation." Will heißen: Fahnder müssten demnach eigentlich in die Wohnung des Verdächtigen einbrechen und dort auf dem Rechner ihre Programme installieren, um nicht den Falschen zu erwischen.

Dies allerdings ist nach der am Dienstag erzielten Einigung zwischen Justiz- und Innenministerium nicht erlaubt. Also muss alles versucht werden, dass der Verdächtige nichts von der Geheimdurchsuchung mitbekommt. Antivirenprogramme schlagen bei Schnüffelangriffen schnell Alarm. Die Fahnder werden wohl darauf angewiesen sein, dass ihre Zielpersonen es mit der Computersicherheit nicht so Ernst nehmen. Nach Einschätzung von Experten können Fahnder allerdings nicht immer ihre Spuren löschen, die sie mit ihrer Software auf dem Rechner des Verdächtigen hinterlassen. Sichert der Nutzer etwa über ein sogenanntes Backup seine Daten und stellt das System Monate später wieder auf den alten Stand zurück, könnte das bereits gelöschte Spionageprogramm wieder auftauchen.

Auch die Beweislast der gewonnenen Informationen ist fragwürdig: Daten könnten zum Beispiel von Polizisten manipuliert oder die Beamten selbst auf eine falsche Fährte gelockt werden, wenn der Nutzer die Online-Durchsuchung bemerkt. Zudem kann ein Rechner nicht zweifelsfrei einer bestimmten Person zugeordnet werden, wenn zum Beispiel ein DSL-Anschluss gemeinsam genutzt wird. Das bedeutet: Die erbeuteten Daten sind vielleicht für Kriminalbeamte hilfreich, die Anschläge verhindern wollen oder sich neue Ermittlungsansätze erhoffen. Staatsanwälte benötigen dagegen Beweise, mit denen sie eine Verurteilung erreichen können. Nach Einschätzung des Freiburger Strafrechtsexperten Ulrich Sieber haben die Ermittler aber selbst bei herkömmlichen Verfahren diese Probleme.