Branchenfunktionen für Handel, Industrie und Behörden

SAP erweitert Branchenfunktionen in ERP 6.0

25.02.2008
Das dritte Erweiterungspaket für SAP ERP 6.0 bringt neue Funktionen für den Handel, die Industrie und die öffentliche Hand. Das Einspielen neuer Softwarefeatures soll durch Enhancement Packages leichter fallen als ein Release-Wechsel im R/3-Umfeld.

Statt umfänglicher Release-Wechsel sollen SAP-Kunden neue Funktionen über Enhancement Packages einspielen können. Sofern Firmen bereits das aktuelle Produkt ERP 6.0 verwenden, können sie diese Erweiterungen installieren. Die neuen Programmfeatures nutzen zwar die Kernfunktionen der ERP-Software, verändern diese aber nicht: Der Kernbaustein von SAP ERP bleibt stabil, bis der Hersteller neues System ausliefert. Ein genauer Zeitplan dafür steht derzeit noch nicht fest. Im Herbst 2006 hatte SAP noch verkündet, bis 2010 werde der ERP-Kern nicht verändert. Im Sommer 2007 hatte der Konzern das zweite Enhancement Package vorgestellt.

Für SAP ist dieses Konzept ein Grund, warum sich Unternehmen für die ERP-Software entscheiden. Einerseits meint der Hersteller damit Neukunden, andererseits aber auch Bestandskunden, die mehrheitlich R/3-Technik verwenden.

Rechnungslegung innerhalb von Joint-Ventures

Für ERP 6.0 hat SAP nun das dritte Enhancement Package vorgestellt. Es liefert Erweiterungen der Finanzbuchhaltung und dem Personal-Management sowie neue Funktionen für die Branchen Handel, Fertigung und die öffentliche Hand.

Ein Merkmal für die Konsumgüter- und die Petroindustrie ist "Direct Store Delivery". Es soll Mineralölkonzernen leichtere Methoden liefern, Tankstellenfilialen mit Waren zu versorgen.

Im Bereich Finanzen kommen Funktionen zur Rechnungslegung innerhalb von Joint-Ventures hinzu. Erweiterte Methoden für das Kredit-Management und die mobile Lagerbestandshaltung wenden sich an Handelsunternehmen.

Für Behörden hat SAP weitere Self-Service-Funktionen entwickelt. Ämtern soll es damit leichter fallen, Bürgern im Sinne des "E-Government" über Portale Antragsformulare zur Verfügung zu stellen. Insgesamt umfasst das Enhancement Package über 1400 neue Funktionen.

Neben den Softwarefunktionen enthält das dritte Erweiterungspaket darüber hinaus etwa 50 Enterprise Services Bundles. Es handelt sich dabei um Softwaredienste, die zusammengefasst wurden, so dass Firmen sie flexibler verwenden können. Auf der Grundlage von Netweaver sollen Unternehmen so spezifische Anforderungen innerhalb ihrer Geschäftsprozesse abdecken können, die SAPs Software so nicht bietet.

Installation und Aktivierung getrennt

Anwender sind laut SAP in der Lage, selbst zu bestimmen wann und in welchem Umfang sie Funktionen eines Enhancement Packages aktivieren wollen. Über das "Switch Framework", das Teil von ERP 6.0 ist, kann eine Firma beispielsweise neue Eigenschaften für das Talent-Management im Bereich Personalwesen freischalten. Danach stehen die entsprechenden Services und Oberflächen bereit. Durch das gezielte Aktivieren von Funktionen bleibt auch der Testaufwand überschaubar, wirbt der Hersteller für das Enhancement-Konzept. Zudem wurden Testverfahren verbessert. Jedes Jahr etwa will der Konzern ein Erweiterungspaket herausbringen.

Raad Research ermittelt die Release-Verteilung bei deutschen SAP-Anwendern.
Raad Research ermittelt die Release-Verteilung bei deutschen SAP-Anwendern.
Foto: RAAD

Das Switch Framework hatte SAP entwickelt, um branchenorientierte ERP-Funktionen einfacher zu verwalten. Der Softwareanbieter liefert jedem Kunden den gesamten Katalog der industriespezifischen Merkmale aus; der Anwender kann aber nur die Abschnitte freischalten, für die er Lizenzen erworben hat. Auf diese Weise sollen Unternehmen auch in der Lage sein, Softwarebausteine mehrerer Branchenlösungen zu verwenden. Denkbar wäre dies für Stromanbieter, die auch Handelsfunktionen benötigen. Sie könnten Branchenfunktionen aus den Industrielösung "Utilities" und "Retail" mischen.

Hoffnung auf weniger Stress bei Upgrade Support

SAP hofft, dass Kunden ihre in R/3 geschriebenen Eigenentwicklungen nach einem Release-Wechsel auf ERP 6.0 mit Hilfe der Enhancement Packages durch Standardfunktionen ersetzen. Viele Firmen haben in der Vergangenheit eigene Programme geschrieben, um funktionale Lücken zu schließen. Ihre ERP-Umgebung wurde dadurch komplex und schwer wartbar; R/3-Release-Wechsel zogen sich in die Länge und kosteten viel Geld, weshalb Anwender mit alter Software arbeiteten, bis es nicht mehr ging.

Enhancement Packages zu installieren ist mit einer Downtime des ERP-Systems verbunden. Für die spätere Aktivierung der Funktionen muss der Anwender laut SAP das System hingegen nicht herunterfahren. Der Modifikationsabgleich und der Regessionstest sind vom Nutzer nur einmal nach der Installation des Pakets vorzunehmen, nicht aber nach jedesmal nach dem Freischalten (Aktivieren) von Funktionen des Erweiterungspakets.

Nutzbar sind Enhancement Packages nur für solche Kunden, die ERP 6.0 bereits produktiv verwenden. Beim Einrichten von ERP 6.0 beziehungsweise beim Umstieg von R/3 auf das aktuelle ERP-Release sollten Anwender auch gleich die Enhancement Packages installieren. Die darin enthaltenen Funktionen können sie später aktivieren.

Noch stellen ERP-6.0-Nutzer mit etwa 5500 eine kleine Minderheit unter den insgesamt rund 43.000 Softwarekunden (ohne Business Objects) dar. Umfragen zufolge wird der Anteil von Firmen, die von R/3 auf die neue ERP-Software wechseln, steigen. SAP hat die Wartungskosten für ältere R/3-Versionen angehoben. Daher migrieren viele Kunden auf die aktuelle Programmversion, um den Mehrkosten zu entgehen.

Lesen Sie zum Thema SAP-Migration von R/3 auf ERP 6.0 auch unsere Artikelserie. (fn)