SAP-Europachef Gunst: "Wir werden skeptische Firmen umstimmen"

20.07.2007
Erwin Gunst, Emea-Präsident von SAP, erklärt, wie sich der Softwarekonzern in Sachen Software as a Service (SaaS) aufstellen und die bestehenden Produkte voneinander abgrenzen will.

CW: Im nächsten Jahr soll A1S als Software-as-a-Service-Angebot starten. Welches Potenzial hat das Produkt hier in Europa?

Gunst: Ich bin noch ein bisschen verhalten. Unsere Erfahrung mit dem Mittelstand ist, dass er gerne die Systeme im eigenen Haus betreiben möchte. Ich glaube dennoch, A1S ist so attraktiv ist, dass wir skeptische Unternehmen letztlich umstimmen können. Am Anfang werden wir das Produkt Schritt für Schritt ausrollen. Auf diese Weise können wir einschätzen, wie der Markt reagiert. Wir sind zuversichtlich, Firmen überzeugen zu können, wenn sie hören, dass – überspitzt gesagt - ein User sie täglich nicht ker als eine Tasse Kaffee kostet. Zudem müssen sie sich nicht um den Softwarebetrieb kümmern. Trotzdem folgt ihnen die Software, wenn sich ihr Geschäft verändert.

CW: SAP kannibalisiert doch ihr Mittelstandsgeschäft, wenn sie Firmen, die eigentlich eine Inhouse-Lösung wollen, ein SaaS-Angebot unterbreitet.

Gunst: Das ist Kaffeesatzleserei. Wir haben A1S für ein bestimmtes Kundenprofil entwickelt, das für standardisierte Prozesse in Frage kommt. Daher wird der Kannibalisierungseffekt gering sein. Möglicherweise interessiert sich aber der eine oder andere Anwender mit deutlich komplexeren Abläufen für SaaS und ist bereit, von der Stange statt einen Maßanzug zu kaufen.

CW: Jedes Softwarehaus, das in SaaS einsteigt, bekommt zwangsläufig Probleme mit seinen Vertriebspartnern. Wie will SAP das bewerkstelligen?

Gunst: Das Partnergeschäft ist wichtig für uns. Ohne sie können wir unsere Ziele auch im SaaS-Bereich nicht erreichen. Wir werden andere Partnerschaften haben als die, die wir heute kennen. Ich glaube, dass Online-Communities wie unser "SAP Developer Network" (SDN) eine Rolle spielen werden. Innovation geht nicht nur von groß nach klein, sondern auch umgekehrt.

CW: Viele Beobachter glauben, dass SAP Business One an Bedeutung verliert, sobald A1S auf dem Markt ist.

Gunst: Wir sprechen mit A1S nicht das gleiche Segment an. Für die kleinsten Unternehmen haben wir Business One, dann folgt A1S, für noch größere Kunden "All-in-one" und die Business Suite. Natürlich lässt sich das nicht immer so klar abgrenzen, aber die Überlappungen sind nicht so groß.

CW: Kommen wir zum aktuellen Geschäftsbericht. SAP hat im zweiten Quartal die Software- und softwarebezogenen Umsätze steigern können. Wie viel davon machen die Migrationsprojekte der R/3-Kunden aus, die auf ERP 2006 umsteigen?

Gunst: Die Zahl geben wir nicht bekannt.

CW: Aber der Anteil dürfte erheblich sein.

Gunst: Selbstverständlich schlagen sich die Migrationen im Umsatz nieder, doch das hat unsere Kunden ja schon immer begleitet. Die Bestandskunden kaufen zusätzliche Produkte und weitere Nutzerlizenzen, da sie wachsen. Klar ist natürlich, dass es zurzeit mehr Umstellungen auf ERP 2006 gibt.

CW: Wie hoch ist der Umsatz, den SAP mit Netweaver erzielt. Ich meine damit Lizenzen, die über die mit einer SAP-Lösungen erworbenen Infrastrukturkomponenten hinausgehen?

Gunst: Auch diese Zahl geben wir nicht bekannt. Zumindest kann ich Ihnen sagen, dass dieser Bereich wächst. Die Kunden wollen in Enterprise-SOA investieren und sehen, dass die Technik ihnen Flexibilität bringt.

SAP kocht den Rechtsstreit mit Oracle auf kleiner Flamme

Offenbar rechnet SAP nicht mit einem umfangreichen Gerichtsverfahren mit Oracle wegen illegaler Downloads. Im Rahmen der gestrigen Bilanzpressekonferenz hat das Management zwar keine Angaben zu den möglichen Kosten des Rechtstreits gemacht, jedoch findet sich im Bericht kein Rückstellungsbetrag für juristische Auseinandersetzungen, der zehn Millionen Euro übersteigt.

Bei der von Oracle verklagten SAP-Tochter TomorrowNow wurden Konsequenzen gezogen. Einige Mitarbeiter und Führungskräfte mussten ihren Hut nehmen.

CW: Gleichwohl sind die Migrationsprojekte, von denen ich gehört habe, rein technische Upgrades gewesen, bei denen die Kunden ihr R/3 gegen ERP Core Component 6.0 (ECC) austauschen, ohne schon Enterprise-SOA einzuführen.

Gunst: Ich glaube, sie werden künftig mehr Projekte sehen, wo Enterprise-SOA Verwendung findet. Das wird noch verhalten sein in Bezug auf die Gesamtkundenzahl. In 2008 rechne ich damit, dass sich mehr Firmen trauen werden, die neuen Softwarekonzepte zu verwenden.

Mit Erwin Gunst sprach CW-Redakteur Frank Niemann