Software-Wartung: Das Monopol bröckelt

01.06.2007
Anwender, die keine Rundum-Versicherung für ihre Software benötigen, schauen sich verstärkt nach Wartungsalternativen um. Damit wächst auch der Druck auf die Hersteller, flexiblere Modelle anzubieten.

"Die Wartung ist nicht verhandelbar." Eine solche Abfuhr holten sich in den vergangenen Jahren die meisten Anwender, die mit ihrem Softwarelieferanten über die Höhe der jährlichen Wartungskosten sprechen wollten. Doch der Druck auf die Hersteller wächst. Immer mehr Unternehmen suchen nach alternativen Modellen, um den Posten Wartung und Support in ihren IT-Budgets zu drücken. Erst vor kurzem ermittelten die Marktforscher von Gartner, dass die Aufwendungen für den laufenden Betrieb etwa von Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERP) einen immer größeren Anteil des IT-Budgets beanspruchen. Damit schrumpfe der finanzielle Spielraum für Innovationen.

Hier lesen Sie ...

  • welche Alternativen es zur Herstellerwartung gibt;

  • warum die Wartung für die Anbieter so wichtig ist;

  • was Anwender beim Wartungsvertrag beachten sollten.

Die Interessen der Anwender, die Wartungskosten zu drücken, kollidieren jedoch, wie nicht anders zu erwarten, mit den Wünschen der Hersteller. Längst hat der Wartungsumsatz die Lizenzeinnahmen überflügelt. Kein Wunder also, dass die Anbieter zunehmend empfindlich auf alles reagieren, was den kontinuierlichen Einnahmestrom aus der Wartung schmälern könnte. Angesichts des immer schwierigeren Lizenzgeschäfts dürfte sich die Situation für die Hersteller in Zukunft eher verschärfen als entspannen.

So versuchen die Softwareanbieter, ihre Klientel in Sachen Wartung und Support noch stärker an sich zu binden, als dies schon in der Vergangenheit der Fall war. Demnach müssen beispielsweise Oracle-Anwender laut der jüngsten Preisliste das komplette Wartungspaket beziehen, berichtet Frank Schönthaler, Geschäftsführer der Promatis Software GmbH und Sprecher der deutschen E-Business-Suite-Anwender innerhalb der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag). Eine Differenzierung der Gebühren, je nachdem ob der Kunde alle Produkt-Updates oder nur Hotline-Support benötigt, sei nicht mehr möglich.

Dass die Flexibilität der Hersteller nachlässt, bekam auch ein anderer Oracle-Anwender zu spüren, der namentlich nicht genannt werden möchte. Den Versuch des Anwenders, einige Datenbanklizenzen aus der Wartung zu nehmen, konterte der Hersteller unter Verweis auf die Lizenzbestimmungen mit der Drohung, den gesamten Wartungsvertrag zu kündigen. Nicht akzeptabel für ein Unternehmen, dessen geschäftskritische Applikationen auf den reibungslosen Betrieb der Datenbank angewiesen sind.

Lizenzen und Wartung: Abhängigkeit vom Hersteller

"Die Abhängigkeit von den Herstellern ist zu groß", stellt Ralf Schütte, Geschäftsführer von ERP-Broker, fest. Der Lizenzhändler, der seit geraumer Zeit auch das Wartungsgeschäft im Auge hat, spricht von monopolähnlichen Strukturen. Am liebsten würden die Hersteller Lizenz und Wartung miteinander verknüpfen, obwohl es eigentlich zwei unterschiedliche Verträge seien. Zwischen den Interessen der Hersteller und denen der Anwender klaffe eine große Lücke. Auf der einen Seite wachse der Wettbewerbsdruck auf die Anbieter, die auf einen kontinuierlichen Einnahmestrom für die Weiterentwicklung ihrer Produkte angewiesen sind. Auf der anderen Seite bemühten sich die Anwenderunternehmen nach wie vor, ihre IT-Kosten zu senken. Die Nachfrage nach alternativen Wartungs- und Support-Angeboten wäre da, ist Schütte überzeugt. "Allerdings ist der Markt noch nicht reif genug."

Das liegt unter anderem an dem hohen Sicherheitsbedürfnis der Anwender, meint der Aachener Softwarehändler Axel Susen. Gerade in Sachen ERP, dem Herzstück jedes Unternehmens, gingen die IT-Leiter auf Nummer Sicher und kauften die Wartung des Herstellers ein – auch wenn der Finanz-Controller diesen Posten kritisch hinterfrage. Der Planungshorizont der Anwender für ihre Business-Applikationen erstreckt sich Susen zufolge über viele Jahre. Über diesen Zeitraum hinweg verlangten die Kunden Supportsicherheit, was die Überlebensfähigkeit des Anbieters und die Qualität betreffe.

Software-Wartung: Bewegung im Markt

Das Interesse der Anwender an günstigeren Alternativen ist jedoch da, bestätigt auch Susen. Wenn sich ein renommierter Serviceanbieter dieses Geschäfts annehmen würde, sähe der Markt ganz anders aus. Das Problem sei jedoch, dass diese Dienstleister auf anderen Ebenen eng mit den Softwareherstellern zusammenarbeiteten. Ein Vorpreschen mit konkurrierenden Wartungsofferten könnte diese Geschäftsbeziehungen empfindlich stören.

Dennoch sehen Susen wie auch Schütte durchaus Bewegung im Markt. Gerade SAP mit dem ambitionierten Ziel, seine Kundenzahl bis zum Jahr 2010 auf 100 000 zu verdreifachen, müsste dies supportseitig erst einmal stemmen, meint Susen. Der Konzern könne im Grunde froh sein, wenn Partner Leistungsengpässe auffingen, "eventuell auch mal etwas günstiger, um beispielsweise den Mittelstand bei der Stange zu halten".

Schütte zufolge kann man bereits heute mit dem einen oder anderen Systemhaus über die Höhe der Wartungsrate reden. Zwar verlangt SAP eine Grundwartung zwischen sieben und elf Prozent, der Rest liege aber im Ermessen des Partners. Um bestimmte Kunden oder Branchen zu halten, sei durchaus die Bereitschaft da, auf einen Teil der Gewinnspanne zu verzichten.

Duncan Jones, Analyst von Forrester Research, rechnet damit, dass der Drittmarkt für Wartungs- und Supportdienste weiter wachsen wird. Es sei überraschend, wie wenige Unternehmen derzeit von den Alternativen wüssten: "Viele Firmen haben keine Ahnung, dass es solche Angebote gibt." Third-Party-Maintenance wird Jones zufolge dann interessant, wenn die ERP-Wechselzyklen länger werden. Das sei zurzeit der Fall. Sobald Anwender beabsichtigten, ein ERP-System vier oder fünf Jahre unverändert zu betreiben, könnte sich die Wartung durch einen günstigeren Drittanbieter lohnen, gibt Jones als Faustregel an. Für die Anwender sei es günstiger, über die Jahre hinweg geringere Wartungsgebühren zu zahlen und dann eine neue Lizenz zu kaufen.

Von diesem Trend wollen Firmen wie beispielsweise Tomorrownow profitieren. Der US-amerikanische Dienstleister, der im Frühjahr 2005 von SAP aufgekauft wurde, offeriert Wartung und Support für die von Oracle übernommen Apllikationslinien von Peoplesoft, J.D. Edwards und Siebel sowie für die mittlerweile zu Infor gehörende Baan-Software.

Sechs Tipps für die richtige Wartung

  1. Lassen Sie sich nicht von den Anbietern einschüchtern: Auch die Wartungssätze sind verhandelbar.

  2. Anbieter versuchen die Kunden mit Lizenznachlässen zu ködern. Lassen Sie sich davon nicht blenden. Der Wartungsposten kostet über die Jahre hinweg viel mehr.

  3. Lassen Sie durchblicken, dass Sie sich mit alternativen Wartungsangeboten beschäftigen. Das kann Ihre Verhandlungsposition stärken.

  4. Ihre Verhandlungsposition wird noch besser, wenn Sie Ergebnisse für die Zusammenarbeit mit Drittanbietern Schwarz auf Weiß vorlegen können.

  5. Achten Sie darauf, auf welchen Lizenzpreis sich die Wartung bezieht: Oft nehmen die Anbieter trotz Rabattierung als Maß den teureren Listenpreis.

  6. Pochen Sie auf größtmögliche Flexibilität. Die Option, Lizenzen aus der Wartung nehmen zu dürfen, spart bares Geld.

Keine Gebühren für unnötige Wartung

Nachdem die Unternehmen die Jahr-2000-Hürde genommen hatten, begann das Geschäft interessant zu werden, berichtet Nigel Pullan, Vice President für den Bereich International Sales von Tomorrownow. Viele Anwender hätten in der Folge festgestellt, dass sie mit dem Funktionsumfang ihrer betriebswirtschaftlichen Software eigentlich alle geschäftlichen Anforderungen abdecken konnten. Die Bereitschaft dieser Klientel, für noch nicht existierende Releases, die sie womöglich auch gar nicht benötigten, Wartungsgebühren zu zahlen, sei rapide gesunken.

Trotz des Verzichts auf Upgrades und neue Releases benötigten diese Firmen allerdings nach wie vor Support, um Fehler zu beheben und gesetzliche Änderungen in die Applikationen einzupflegen, erläutert Pullan. Diese Dienstleistungen biete Tomorrownow für etwa die Hälfte des Wartungssatzes, den der Kunde beim Softwarehersteller zahlen müsste. Jeder Tomorrownow-Kunde bekommt Pullan zufolge seinen persönlichen Ansprechpartner. Dieser Primary Support Engineer habe in aller Regel zwischen acht und zwölf Jahren Erfahrung mit der von ihm betreuten Software. Der Dienstleister garantiert eine Antwortzeit von 30 Minuten. In der Praxis müssten die Anrufer zurzeit jedoch nur etwa acht bis zehn Minuten auf eine Antwort warten.

Die Tatsache, dass Tomorrownow seine Wartungs- und Supportleistungen für die Hälfte der Herstellergebühren offerieren könne, habe nichts mit der Qualität des Service zu tun, stellt Pullan klar. Die niedrigeren Preise rührten vielmehr daher, dass man kein Geld in die weitere Produktentwicklung stecken müsse wie die Hersteller. Die einzigen Entwicklungsaufwände beträfen gesetzliche Änderungen.

Noch ist das Geschäft von Tomorrownow überschaubar. Gerade einmal 310 Firmennamen zählt die Kundenliste des Dienstleisters. "Wir sind noch klein", räumt Pullan selbst ein. Dafür biete der Markt noch genügend Potenzial, lautet seine Kampfansage an die etablierten Softwaregrößen.

Oracle wehrt sich gegen Angriff auf Wartungsgeschäft

Trotz des noch geringen Volumens wollen sich die Oracle-Verantwortlichen den Angriff auf das eigene Wartungsgeschäft nicht gefallen lassen. Ende März reichte der Softwarekonzern vor einem Bezirksgericht in San Francisco Klage gegen Tomorrownow ein. Der Vorwurf: Die SAP-Tochter habe sich systematisch illegalen Zugang zum Kundenbetreuungssystem von Oracle verschafft sowie eigentums- und urheberrechtlich geschütztes Softwareprodukte und vertrauliches Material gestohlen. Die Verantwortlichen von SAP und Tomorrownow haben die Anschuldigungen als falsch zurückgewiesen. "Wir werden unsere Rechte unnachgiebig verteidigen", kündigte Tomorrownow-CEO Andrew Nelson an.

Mit SAP im Rücken kann Tomorrownow zwar seine Geschäfte zügig ausbauen, muss aber gegen Vorbehalte im Markt ankämpfen, die Services dienten lediglich als Transitstation in Richtung SAP. Zwar beteuern Nelson und Pullan die eigene Unabhängigkeit, müssen aber gleichzeitig einräumen, dass ein großer Teil der eigenen Klientel auch einen Umstieg auf SAP-Software im Rahmen des Safe-Passage-Programms plant. Neben Tomorrownow versuchen jedoch auch eine Reihe anderer Wartungsanbieter Fuß in diesem Markt zu fassen. Dazu zählen Anbieter wie Connexus, Cedar Crestone, Ciber, Citagus, Klee Associates, Rimini Street und Versytec. Auch Oracle bemüht sich als Konter auf die SAP-Abwerbeinitiative im Rahmen seines "Off-SAP"-Programms gemeinsam mit indischen Dienstleistern ein Wartungs- und Supportpaket für SAP-Applikationen zu schnüren.

All diese Angebote haben jedoch ihre Grenzen. Wenn ein Unternehmen auf Updates und neue Releases angewiesen ist, bestehe jedoch keine Alternative zur Herstellerwartung, schränkt Christian Glas, ERP-Experte von Pierre Audoin Consultants (PAC), ein. Angebote wie das von Tomorrownow gäben dann Sinn, wenn die Anwender sowieso einen Wechsel planten oder sicher seien, ihr bestehendes System über die nächsten Jahre hinweg unverändert zu betreiben. Glas empfiehlt grundsätzlich, die Wartung unbedingt zu verhandeln. Zwar seien die Spielräume nicht so groß wie bei den Lizenzkosten. Je nach Marktmacht des Anwenderunternehmens ließen sich jedoch durchaus Nachlässe herausschlagen.

Keine Invstitionen ohne Wartungseinnahmen

Allerdings dürfe man das Wartungsthema nicht zu einseitig sehen und nur darüber schimpfen, warnt der Analyst. Solche Kritiker sollten aber nicht vergessen, dass die Hersteller gigantische Summen in die Weiterentwicklung ihrer Produkte stecken müssten. Diese Investitionen seien ohne Wartungseinnahmen nicht denkbar. Die Wartungsdienstleister seien Glas zufolge besser dran. Meist unterstützten sie in die Jahre gekommene Softwareprodukte, deren Fehleranteil schon allein aufgrund ihres Alters relativ gering sei.

Darüber hinaus sollten die Anwender nicht den Fehler begehen, sich mit Drittwartung keine Gedanken mehr über ihr ERP-System zu machen. Plötzlich sitze man auf einem zehn Jahre alten System, das nicht mehr zeitgemäß sei. Von dieser Regel, räumt der Analyst ein, fänden sich aber auch Ausnahmen: "Nach wie vor gibt es Unternehmen, die höchst erfolgreich mit R/2 arbeiten."