Oracle droht bei Hochtief zu scheitern

11.05.2007
Das von Oracle vor zwei Jahren noch als Triumph gefeierte SAP-Ablöse-Projekt bei dem Baukonzern Hochtief bleibt eine Baustelle.

Oracle hat bei dem Versuch, im Revier der SAP Boden auf den ERP-Marktführer gut zu machen, einen herben Rückschlag einstecken müssen. Das vor zwei Jahren gestartete Projekt "Aristoteles 2005", mit dem der Essener Baukonzern Hochtief seine SAP-Applikationen durch Oracles "E-Business-Suite" ablösen wollte, droht zu scheitern.

Am 20. April 2005 hatten die Oracle-Verantwortlichen den Deal mit Hochtief bekannt gegeben. Innerhalb eines Jahres sollte die bestehende SAP-Installation gegen die eigene E-Business-Suite ausgetauscht werden. Neben dem Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, der Projektabwicklung und dem Beschaffungs-Management wollte der Baukonzern auch das allgemeine Berichtswesen sowie Oracle Contracts für das Facility-Management nutzen. Die integrierte Standardlösung decke die relevanten Kernprozesse von Hochtief im Wesentlichen ab, hieß es vor zwei Jahren. Darüber hinaus versprach der Softwarekonzern seinem Kunden erhebliche Kosteneinsparungen sowie die einfache Integration von Tochtergesellschaften.

Die Bilanz heute sieht jedoch verheerend aus. Nach wie vor arbeitet Hochtief mit seiner SAP-Software, Release 4.6c. Ende der 90er Jahre hatte der Konzern mit seiner IT-Tochter Hochtief Software GmbH und SAP eine Branchenlösung für das Baugewerbe entwickelt. Im Lauf der Zeit bekam diese Partnerschaft jedoch mehr und mehr Risse. Gerüchten zufolge haben weniger technische oder finanzielle Gründe den Ausschlag für den Softwarewechsel zu Oracle gegeben, als vielmehr SAPs Geschäftsgebaren im Umgang mit Bestandskunden.

Doch auch mit Oracle wurde Hochtief nicht glücklich. "Es gibt Schwierigkeiten", gibt Hochtief-Sprecherin Jutta Hobbiebrunken unumwunden zu. Zwei Gründe seien maßgeblich für die Umstellung gewesen: Kostenersparnis, insbesondere beim Betrieb, sowie die Integration der verschiedenen Softwaresysteme. Die Essener hatten in den vergangenen Jahren verschiedene Akquisitionen getätigt wie beispielsweise die Gebäude-Management-Sparten von Siemens und der Lufthansa. Diese sollten integriert beziehungsweise auf eine gemeinsame Plattform gestellt werden. "Das ist bis jetzt nicht so gelungen, wie wir uns das vorgestellt hatten." Derzeit würden intensive Gespräche geführt, ob die Probleme noch zu lösen seien.

Bis dahin läuft das bestehende SAP-System weiter. Die entsprechenden Verträge seien noch gültig, berichtet Hobbiebrunken. Auch die Wartung sei bis 2009 sichergestellt. Der Service-Anbieter Capgemini, der 2001 die IT-Tochter des Konzerns Hochtief Software GmbH übernommen hatte, betreibt das System. "Das Ganze läuft einfach weiter, bis wir etwas Neues haben", stellt die Sprecherin klar und lässt damit durchblicken, dass es offenbar wenig Hoffnung gibt, das Oracle-Projekt noch zu retten. Einzelheiten, wie die künftige ERP-Landschaft aussehen könnte, ständen noch nicht fest.

Auf wessen Kappe das ERP-Fiasko geht, ist bislang nicht ersichtlich. Für die Implementierung der E-Business-Suite wollten Capgemini und Oracle zusammenarbeiten. Die Generalunternehmerschaft für den Betrieb der Lösung sollte Capgemini Outsourcing erhalten. Nach der Übernahme der Hochtief Software GmbH hatte der Serviceanbieter mit dem Baukonzern einen langfristigen Outsourcing-Vertrag über zehn Jahre abgeschlossen.

Für die Oracle-Verantwortlichen war Aristoteles 2005 ein Prestigevorhaben, mit dem man nach der schwierigen Übernahme von Peoplesoft endlich zum Sturm auf die SAP-Festung blasen wollte (siehe auch: Oracle will SAP in Deutschland Marktanteile abluchsen). Zwar mahnte der damalige Deutschland-Geschäftsführer von Oracle, Rolf Schwirz, dass dies ein schwieriges Unterfangen sei und die Kunden nicht in Scharen wechseln würden. Allerdings versprach sich der Manager durchaus das eine oder andere Projekt-Highlight. Um den Boden dafür zu bereiten, lege Oracle großen Wert darauf, dass diese Projekte gelingen, sagte Schwirz vor zwei Jahren und verwies auf eine deutlich verbesserte Projektqualität. Das Vorhaben bei Hochtief ist jedoch kein Beleg dafür. Weder Capgemini noch Oracle wollen die Schwierigkeiten bei Aristoteles 2005 bislang kommentieren.

"Deutschland bleibt für Oracle ein schwieriges Pflaster", meint Christian Glas, Analyst von Pierre Audoin Consultants (PAC). Obwohl der Softwarekonzern mit seinen Datenbanken und der Middleware hierzulande gute Geschäfte macht, gelingt im Applikationssegment kaum ein Stich. Die beiden Vorzeige-Deals mit Thyssen-Krupp und Hochtief seien in erster Linie durch massive Lizenzrabatte zustande gekommen. Es sei jedoch nicht unproblematisch, ein neues ERP-System nur nach Kostengesichtspunkten auszuwählen, mahnt Glas. Zudem gebe es gerade in Deutschland bislang wenig Erfahrungen mit großvolumigen ERP-Projekten im Oracle-Umfeld.

Für den Softwarekonzern gelte es nun, alles zu versuchen, um das Vorhaben zu retten, rät Glas. Ansonsten dürfte es in Zukunft noch schwieriger werden, sich gegen die übermächtige Konkurrenz von SAP durchzusetzen. Zumal noch im laufenden Jahr weitere wichtige Projektentscheidungen anstehen wie beispielsweise im Sparkassenbereich. Hier tritt Oracle mit seiner iFlex-Lösung gegen SAP und eine interne Bankenlösung an. Glas zufolge dürfte dieses Vorhaben nicht gerade einfach werden. Und mit der Hypothek eines gescheiterten Großprojekts wird es für Oracle noch schwerer, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. (ba)