SAP-Chef Kagermann: "Wir werden nicht engstirnig agieren"

02.03.2007
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Henning Kagermann steht unter Druck. Erfolg oder Misserfolg der neuen Mittelstandslösung werden die Zukunft des Softwarekonzerns maßgeblich bestimmen.

Nachdem SAP zuletzt die Erwartungen der Börse wiederholt enttäuscht hatte, muss der Konzern mit seiner erneuten Mittelstandsinitiative endlich punkten. Vieles an den Plänen ist noch geheim. SAP-Vorstandssprecher Kagermann verriet in einem Pressegespräch aber einige Einzelheiten, wie die an SAP-Software wenig interessierten Mittelständler gwonnen werden sollen.

Welche Ziele hat sich SAP gesteckt?

Bis 2010 sollen 100 000 Firmennamen auf der Kundenliste des Unternehmens stehen. Zurzeit sind es knapp 39 000. Ein Großteil der neuen Kunden soll aus dem Mittelstand kommen. Helfen soll dabei eine neue Software, die SAP in wenigen Wochen offiziell vorstellen will. Wie viel der Hersteller damit zu verdienen plant, sagte Kagermann nicht. Zudem will der SAP-Chef den Rummel um die erneute Mittelstandsinitiative nicht überbewertet wissen: "Das heißt nicht, dass sich SAP nur noch um den Mittelstand kümmern will", relativiert der studierte Physuker mit Blick auf die Konzernkunden.

Wie weit ist SAP mit dem neuen Mittelstandsprodukt?

SAP-Chef Henning Kagermann will bis 2010 100.000 Kunden.
SAP-Chef Henning Kagermann will bis 2010 100.000 Kunden.

"Auf der CeBIT wird die neue Mittelstandslösung noch kein Thema sein", kündigte Kagermann an. Die SAP-Verantwortlichen fürchten offenbar, dass sie im allgemeinen Messetrubel überhört werden könnten. Deshalb soll das Produkt erst Ende März offiziell vorgestellt werden.

Welche Klientel adressiert SAP damit im Detail?

Das neue Produkt sieht SAP als Schlüssel zu einem bislang verschlossenen Markt. "Zu komplex, zu teuer, zu risikobehaftet", beschreibt er die Vorurteile der anvisierten Klientel gegenüber SAP. Diese Anwenderunternehmen suchten günstige und schnell zu implementierende Lösungen. Die bisher bereits von SAP bedienten Mittelständler hätten dagegen ähnliche Softwareanforderungen wie die Konzernkunden. Sie forderten von ihrer Software umfangreiche Funktionen. "Die andere Gruppe will es dagegen billig, schnell und risikoarm." Generell ist der Mittelstand nach Kagermanns Einschätzung in Sachen IT nach wie vor unterversorgt.

Wie will SAP diese Mittelständler zufrieden stellen?

"Das neue Produkt wird schnell einzuführen und vor allem günstig sein", verspricht Kagermann, ohne sich jedoch auf konkrete Angaben zu Implementierungsdauer und Preisen festzulegen. Diese Punkte hätten Priorität vor der Funktionalität. Um den Aufwand in Grenzen zu halten, müsse SAP standardisieren. Das bedeute für den Kunden allerdings weniger Wahlmöglichkeiten, was Anpassungen und Einstellungen der Software betreffen.

Wie wird die Software konkret aussehen?

SAP zufolge handelt es sich um ein völlig neues Produkt. Mit Einzelheiten halten sich die Softwerker bislang aber noch zurück. Weder ein Name noch der genaue Erscheinungstermin sind bislang bekannt. "Es wird eine komplette Suite geben, die Basisfunktionen aus den Bereichen ERP, CRM und SCM bietet", verriet Kagermann. Firmen könnten damit ihre Standardanforderungen in Sachen Business-Software abdecken. Allerdings wird die Lösung nicht mit dem Funktionsumfang der herkömmlichen All-in-One-Lösung mithalten können. Die Kunden müssten sich entscheiden: entweder eine breite Funktionspalette oder ein günstiger Preis.

Wie wird das neue Produkt im Markt eingeführt?

SAP wird sein Produkt zunächst ausschließlich als gehostete Lösung anbieten. Statt eine Lizenz zu kaufen, können Anwender die Software mieten. Allerdings muss das nicht so bleiben: Wenn der Markt andere Möglichkeiten nachfrage, dann werde SAP welche anbieten. "Wir werden an dieser Stelle nicht engstirnig agieren", so Kagermann. Zudem soll es wie schon im CRM-on-Demand-Umfeld Migrationswege von der Mietsoftware zu einer On-Premise-Lösung geben.

Wer übernimmt das Hosting?

Das Hosting will SAP zunächst selbst übernehmen. Allerdings muss der Hersteller auch Partner in das Konzept einbinden. Dazu laufen laut Kagermann Gespräche. Wie das neue Konzept bei den Partnern ankommt, darüber will der SAP-Chef nichts sagen. Allerdings, so räumt er ein, müssten sich die SAP-Partner auf Veränderungen einstellen. Demnach werden die Partner unterschiedliche Rollen übernehmen. Das Hosting übernähmen naturgemäß die großen Partnerunternehmen. Die kleineren könnten sich dagegen ganz auf den Kontakt zum Kunden konzentrieren.

Wo wird die neue Lösung zuerst eingeführt?

"Die Lösung wird in einigen ausgewählten Märkten starten", kündigte Kagermann an. Welche das sein werden, ließ er jedoch - wie so vieles - offen. Allerdings erwähnte der Vorstandssprecher, dass Mietmodelle derzeit in Nordamerika besser funktionieren als in Europa. Das legt nahe, dass eine Version in den USA herauskommen wird. Auch Deutschland dürfte als Startland gesetzt sein.

Was lässt sich SAP die neue Initiative kosten?

SAP will in den kommenden Jahren 300 bis 400 Millionen Euro in die neue Mittelstandsinitiative stecken. Von möglichen Risiken will Kagermann nichts wissen. "Wir wissen, wo wir aufpassen und an welcher Stelle wir notfalls nachjustieren müssen."

Was wird aus den bestehenden Mittelstandsprodukten?

Für die anspruchsvollen Mittelstandskunden will SAP sein All-in-One-Paket weiterentwickeln. So soll auf der diesjährigen CeBIT unter anderem die neue Version im Mittelpunkt stehen. Kagermann kündigte an, die Branchenausprägung des Pakets weiter zu vertiefen. Auch Business One spielt in den SAP-Plänen eine Rolle. "Von den für 2010 anvisierten 100 000 Kunden werden etwa die Hälfte Business One einsetzen", schätzt Kagermann. Aktuell versorgt SAP angeblich 14 000 Anwender mit dem Softwarepaket für kleine Firmen. Überlappungen der neuen Mittelstandslösung mit den bestehenden Produkten sieht Kagermann kaum.

Was tut SAP für seine Bestandskunden?

Nachdem in den vergangenen Jahren immer wieder Diskussionen rund um SAPs Enterprise-SOA-Strategie für Unruhe gesorgt hatten, bemüht sich der Softwarehersteller nun darum, seine Konzernklientel bei Laune zu halten. "Wir haben den Kunden einen stabilen ERP-Kern versprochen", schildert Kagermann. Statt einer Reihe von verschiedenen Releases in kurzer Abfolge sollen Erweiterungen in Form von Enhancement Packs ausgeliefert werden: "Das macht Innovation für die Anwender leicht verdaulich." Eine neue ERP-Version ist nach der SAP-Roadmap erst für 2010 geplant.

Wie weit ist SAP mit seiner SOA-Strategie?

"SAP ist mit seiner SOA-Roadmap im Plan", versichert der SAP-Chef. 2006 wurden etwa 1000 Enterprise-Services ausgeliefert. In den kommenden beiden Jahren soll die Zahl auf 2000 steigen. 7000 Kunden hätten bereits Mysap-ERP-2004- beziehungsweise 2005-Lizenzen. 4000 davon setzten das System live ein. Allerdings sähen viele Unternehmen das SOA-Konzept noch zu technisch, warnt Kagermann. Vielfach fehle die Verknüpfung mit der Geschäftsseite. Die Unternehmen müssten langfristige Pläne und Visionen entwickeln, um die Möglichkeiten der Serviceorientierung auszureizen.

Muss SAP seine Lizenz- und Preismetriken neu anpassen?

"Das ist gar nicht so einfach", meint Kagermann. Zwar kritisierten Kunden, gerade wenn sie nur selten auf SAP-Softwareservices zugriffen, das User-basierende Abrechnungsmodell als ungerecht. Doch auch das vom SAP-Chef favorisierte Modell, mit einer Art Zähler die Nutzung des Systems zu messen und danach abzurechnen, stoße zurzeit nur auf wenig Gegenliebe unter den SAP-Anwender. Kaum kalkulierbar sei diese Variante, höre er immer wieder. Kagermann geht jedoch davon aus, dass sich Kunden an nutzungsbasierende Abrechnungsmodelle gewöhnen: "Beim Strom ist diese Methode auch akzeptiert."

Wie sieht Kagermanns Zukunft aus?

Sein Vorstandsvertrag wurde erst vor wenigen Tagen um zwei weitere Jahre bis Mai 2009 verlängert. Damit fehlt bis zur Zielgeraden 2010, an der für die SAP-Verantwortlichen ein Millionenbonus wartet, ein weiteres Jahr. Zu seiner SAP-Zukunft über 2009 hinaus wollte sich Kagermann nicht äußern. Vertrag und Bonus seien nicht gekoppelt. Wer seinen Anteil zum Erreichen der Ziele beiträgt, werde dafür belohnt.