Mit Fusion Middleware und neuen CRM-Anwendungen gegen Netweaver und SAP ERP

"Die Softwarearchitektur hebt Oracle von SAP ab"

03.03.2008
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Jürgen Kunz, Geschäftsführer von Oracle Deutschland, will SAP im Geschäft mit Business-Applikationen mit Hilfe der "Fusion Middleware" Paroli bieten. Auf dieser Plattform setzen die geheimnisvollen Fusion Applications auf, die der Hersteller für dieses Jahr in Aussicht gestellt hat. Kunden kritisieren die Lizenzpolitik und den Support des Softwarekonzerns.

CW: Oracle hat viel über die Fusion Applications geredet. Und trotzdem ist nicht richtig klar geworden, was sie nun eigentlich auf den Markt bringen?

KUNZ: Die ersten Module umfassen CRM-Funktionen, weil hier der Bedarf besonders groß ist. Sie werden die neuesten Releases von Siebel sehen, die sich auf die Fusion Middleware stützen.

CW: Versprochen waren aber neue Applikationen.

KUNZ: Das sind neue Applikationen. Es handelt sich um einen erweiterten Funktionsumfang der derzeitigen Komponenten, die wir auf der Fusion Middleware bereitstellen. Wir haben zwei Entwicklungspfade. Einmal "Applications Unlimited", was die bisherigen Geschäftsanwendungen beispielsweise von Siebel, Peoplesoft und J.D. Edwards umfasst, die wir wie versprochen weiterentwickeln. Parallel dazu stellen wir die Funktionen dieser Produkte auf einer neuen Technologiebasis zur Verfügung, das sind dann die Fusion Applications. Funktionale Erweiterungen wird es in beiden Linien geben.

CW: Werden denn beide Linien mit gleicher Priorität entwickelt?

KUNZ: Ja, und das ist sehr effizient.

CW: Warum ist das effizient, wenn Sie zwei Produktlinien parallel entwickeln müssen?

KUNZ: Wir haben versprochen, die installierte Basis weiterhin zu unterstützen und die aktuellen Produkte weiterzuentwickeln. Natürlich wollen wir auch die Fusion Applications so attraktiv machen, dass Kunden von bestehenden Anwendungen sukzessive darauf umsteigen. Anwender wollen beispielsweise bei einer CRM-Einführung das Risiko durch die erforderliche Integration mit bestehender Software möglichst gering halten. Hier kommen dann die Fusion Applications zum Tragen: Einerseits erhalten Firmen erweiterte Funktionen, wie sie es von Siebel gewohnt sind, andererseits erlaubt es die Oracle-Middleware, selbstentwickelte Programme anzubinden. Wir zwingen keinen, alle Anwendungsfunktionen bei Oracle zu kaufen, und der Kunde kann selbst bestimmen, wann er welches System einbindet.

CW: Ihre Fusion-Pläne in Ehren, aber noch immer spielt Oracle hierzulande im Geschäft mit Business-Applikationen kaum eine Rolle.

KUNZ: Aber es gibt doch Kunden, nehmen Sie den Logistikspezialisten Hellmann.

CW: Dennoch hören wir im Vergleich zu Wettbewerbern sehr wenig. Woran liegt das?

KUNZ: Wir führen mit Kunden so viele Gespräche wie noch nie. Die Firmen sehen den Architekturvorteil von Fusion. Vom Wettbewerb wollen wir uns nicht nur funktional unterscheiden. Es gibt gute Gründe, sich wegen der Funktionen für Oracle zu entscheiden. Aber was uns vor allem vom Wettbewerb abhebt, ist unsere Architektur: die Verzahnung von Technologie und Anwendung, basierend auf offenen Standards, also Fusion Applications und Fusion Middleware.

CW: Das mag sein, aber warum hören wir dann kaum etwas über Neukunden im ERP-Geschäft?

KUNZ: Wir werden gerne im Laufe des Jahres über Erfolge berichten.

CW: Viele ERP-Anbieter wollen mit dem Mittelstand ins Geschäft kommen. Auch hier wird Oracles Strategie in Deutschland nicht sichtbar.

KUNZ: Wir haben eine eigene Geschäftseinheit für den Mittelstand, und zwar nicht nur für ERP-Software, sondern auch für Middleware und Datenbanken. Zudem gibt es zahlreiche Geschäftskunden aus dem Mittelstand, die heute schon Teile des Applikationsportfolios von Oracle nutzen und überlegen diese zu erweitern. Nur fallen solche Entscheidungen nicht von heute auf morgen.

CW: SAP steigt mit "Business ByDesign" in den Software-as-a-Service-Markt ein. Was hat Oracle in Sachen On-Demand-Applikationen vor?

KUNZ: Wir entwickeln unsere On-Demand-Lösungen weiter. In den letzten zwei Jahren haben die Kunden hier auch investiert. Allerdings halten sich deutsche Anwender bei dem Thema noch zurück, doch das geht allen Herstellern so, die SaaS anbieten.

CW: Was kann denn SaaS zum Gesamtumsatz beitragen?

KUNZ: Ich kann da keine Prozentzahlen nennen, aber SaaS ist eine unserer Prioritäten. Der Kunde soll sich mit seinen Prozessen auseinandersetzen können, ganz gleich, ob er eine On-Demand-Applikation nutzt oder eine Inhouse-Lösung.

CW: Oracle plant mit dem Bea-Kauf einen weiteren Milliarden-Deal. Erwerben Sie damit nur Marktanteile?

KUNZ: Zum aktuellen Zeitpunkt kann ich die Bea-Akquisition nicht kommentieren. Grundsätzlich gilt, dass Oracle eine Integrationsplattform bietet, um die Business-Probleme bei Kunden zu lösen. Firmen wollen ein einheitliches Prozess-Management, um für Veränderungen beziehungsweise Wachstum gerüstet zu sein. Des Weiteren benötigen sie Business-Intelligence-Lösungen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Drittens müssen Unternehmen Compliance und Security gewährleisten, dazu zählt das Identity-Management. Punkt vier betrifft das Benutzer-Interface, also das Frontend sowohl für Kunden als auch für Mitarbeiter.

CW: Unlängst hatte Oracle Virtualisierungstechnik angekündigt. Welche Rolle spielt die innerhalb der Middleware?

KUNZ: Virtualisierung dient unter anderem dazu, Drittprodukte in unserer Middleware-Umgebung zu unterstützen. Die Virtualisierungstechnik kommt dabei sowohl auf Datenbankebene, im Bereich der Anwendungsintegration sowie der Standardapplikationen zum Tragen. Eine dedizierte Applikation, die in einer virtuellen Maschine läuft, lässt sich über einen Integrations-Bus mit Datenbanksystemen verbinden, wobei Sie die gesamte Umgebung über ein einheitliches Management-System verwalten können. So können wir sicherstellen, dass auf unserer Middleware nicht nur Oracle-Anwendungen laufen, sondern auch Produkte von Drittanbietern, die der Kunde einsetzt, wobei es unerheblich ist, ob diese Programme Oracle-Datenbanken oder beispielsweise DB2 von IBM nutzen. Außerdem können Anwender mittels Virtualisierung Ressourcen wie Datenbank-Cluster und Hardwarekomponenten zuweisen, um beispielsweise Lastspitzen von Applikationen auszugleichen.

Foto: Oracle Deutschland

CW: Strebt Oracle neben eigener Virtualisierung auch eine eigene Linux-Distribution an, um die Infrastruktur quasi nach unten zu erweitern?

KUNZ: Nein wir bieten unseren Kunden einen eigenen Support für Linux. Unsere gesamte Produktpalette läuft auf Linux, wir verfügen über langjährige Erfahrung und Kompetenz in diesem Bereich.

CW: Manche ERP-Anbieter passen ihre Produkte an die Middleware von IBM ("Websphere") und ".NET" von Microsoft an. Warum gibt es außer IFS keinen weiteren namhaften Anbieter von Standardsoftware, der seine Business-Software auf die Oracle-Plattform stützt?

KUNZ: Allein in Deutschland haben wir über 1800 Partner, darunter unabhängige Softwarehäuser, die sehr wohl unsere Middleware nutzen.

CW: Das sind aber keine Unternehmen, die Standardsoftware in großem Stil anbieten.

KUNZ: Aber diese unabhängigen Softwarehäuser sind ein sehr wichtiger Markt für uns.

CW: Viele dieser Softwarehäuser haben Applikationen geschrieben, die auf "Oracle Forms" basieren. Anwender fragen sich jedoch, welches Nachfolgeprodukt Oracle liefern wird.

KUNZ: Wir bieten Migrationspfade für die Forms-Community in Richtung Web-Services. Dabei geht es nicht einfach nur um eine technische Umstellung von Programmen, sondern auch um Prozessänderungen.

CW: Das klingt so, als würden die Nachfolgeprodukte eher komplexer werden als das bisherige Forms, das Anwender wegen seiner Einfachheit schätzen.

KUNZ: Nein, dem ist nicht so. Nur weil viele Leute darüber diskutieren, wird die Technik ja nicht komplexer.

CW: Fragen zur künftigen Produktstrategie stellen sich auch Hyperion-Kunden, da es innerhalb des Business-Intelligence-Portfolios von Oracle Überlappungen gibt. Wie sieht Ihr Fahrplan aus?

KUNZ: Beide Produktlinien ergänzen sich. Das Enterprise Performance Management (EPM) von Hyperion lässt sich mit den Olap- und Data-Warehousing-Systemen von Oracle kombinieren. Das gilt auch für die Geschäftsanwendungen. Siebel-Kunden beispielsweise wollen EPM mit ihren CRM-Applikationen verbinden.

CW: Wenn Hyperion in erster Linie Analyse-Applikationen liefert, während die Basistechnik von Oracle stammt, was geschieht dann mit der BI-Plattform von Hyperion?

KUNZ: Die werden wir behalten und auch weiterhin unterstützen.

CW: Kunden kritisieren den Oracle-Support, weil sie insbesondere bei komplexeren Problemen öfter an englischsprachige Experten weitergereicht werden. Wollen Sie das nicht ändern?

KUNZ: Support ist immer ein Thema, das wir mit den Anwendern diskutieren. Im Übrigen bescheinigen uns externe Institute eine herausragende Leistungsfähigkeit unseres Supports im Vergleich zum Wettbewerb. Dies zeigen auch die vielen Awards, die wir Jahr für Jahr in dem Bereich gewinnen. Dass es natürlich in Einzelfällen Probleme geben kann, will ich gar nicht abstreiten. Wir bemühen uns, diese so gering wie möglich zu halten.

CW: Einer Umfrage des Datenbanksicherheitsspezialisten Sentrigo zufolge spielen viele Ihrer Datenbankkunden Patches nicht ein, da der Testaufwand enorm ist und sie Detailinformationen zu den einzelnen Updates vermissen. Wieso ist das so?

KUNZ: Wir können Ihnen Statistiken zur Verfügung stellen, wie viele Kunden unserer Release-Strategie folgen. Die überwiegende Mehrheit der Anwender nutzen aktuelle Versionen unserer Produkte.

CW: Nutzen die denn auch alle die aktuellen Patches?

Foto: Oracle Deutschland

KUNZ: Oracle liefert Patches in regelmäßigem Abstand aus. Sie würden ja nicht auf ein neues Release wechseln, wenn sie befürchten müssten, dass das nicht stabil läuft.

CW: Das Datenbanksystem Oracle 11g, Release 1, ist nun verfügbar. Wird es ein zweites Release geben oder gleich das nächste Major-Release Oracle 12g?

KUNZ: Das können wir zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen. Bisher haben uns Kunden darauf aber auch noch nicht explizit angesprochen.

CW: Wo gibt es noch Verbesserungspotenzial bei Datenbanken?

KUNZ: Manche glauben, Datenbanken sind Commodity und die Produkte seien austauschbar, doch wenn Sie mit Kunden sprechen, stellen sie das Gegenteil fest. Nach wie vor ist die Leistung des Datenbanksystems ausschlaggebend für die Gesamt-Performance einer Softwarelösung. Es geht weiterhin darum, die Administration zu vereinfachen, schon deshalb, weil das Datenvolumen ständig steigt und die IT-Infrastrukturen bei den Kunden immer komplexer werden. Zudem müssen Unternehmen ihre Daten konsolidieren. Flexible Anpassung an den Leistungsbedarf sowie Datenbanksicherheit sind weitere Themen. Firmen müssen gesetzlichen Auflagen genügen.

CW: Für Unmut bei Kunden sorgen Ihre komplizierten Lizenzbestimmungen. Warum vereinfachen Sie die nicht?

KUNZ: Wir haben eine einfache Antwort darauf: "Unlimited Licence Agreement". Kunden können damit selbst entscheiden, wie sie über einen bestimmten Zeitraum Oracle-Produkte nutzen wollen. Zudem wissen Kunden am Ende des Vertragsabschlusses, was an Supportgebühren anfällt. Viele Unternehmen machen schon davon Gebrauch.

CW: Natürlich ist es für Kunden einfacher, wenn Sie quasi einen Rahmenvertrag für Software abschließen, doch lohnt sich das auch finanziell?

KUNZ: Deshalb setzen wir uns mit den Kunden zusammen und diskutieren, wie sie die Software innerhalb der nächsten drei Jahre nutzen wollen. Da die Softwareanwendungen vielfältiger werden, gibt es neue Lizenzmodelle.

CW: Meinen Sie, die Kritik an den Lizenzmodellen ist damit ausgeräumt?

KUNZ: Kritik wird es immer geben. Wir reagieren ja nur auf Innovationen. Man muss gemeinsam mit den Kunden neue Modelle erarbeiten. Wenn jemand zum Beispiel eingebettete Datenbanksysteme für Fahrzeugcomputer benötigt, braucht er möglicherweise ein spezielles Lizenzmodell für den Kleinwagen, die Mittelklasse und die Luxuslimousine.

Jürgen Kunz persönlich

CW: Oracle wird zentral aus den USA gesteuert. Wie viel Spielraum haben Sie überhaupt hier in Deutschland?

KUNZ: Wir können unsere Marktstrategie für Deutschland weitgehend selbst bestimmen, natürlich im Rahmen der weltweit verabschiedeten Kernbranchen und Produktportfolios.

CW: Was ist das Schwierigste an Ihrem Job?

KUNZ: Die spezifischen Prozessanforderungen der Kunden zu verstehen. Einerseits macht das den Job so spannend, andererseits ist es eine Herausforderung, dem immer gerecht zu werden.