Am Tropf der SAP: Anwendervereinigung DSAG mit Befreiungsschlag

05.11.2007
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) hat sich eine Restrukturierung verordnet. Außerdem will der neue Vorstand auf Kritik der insgesamt 2000 Mitglieder reagieren. Manchen behagt die Nähe zum Softwarekonzern nicht.

Seit dem Jahr 2000 leitete Alfons Wahlers die DSAG. Nun tritt er von seinem Posten zurück. Übernehmen soll seinen Job sein bisherige Stellvertreter Karl Liebstückel. Er ist einziger Kandidat. Nicht nur die Führung soll sich ändern, sondern auch die Organisation der Anwendervereinigung. Die DSAG müsse sich mit so umfassenden Aufgaben befassen, dass ein rein ehrenamtliches Engagement nicht mehr ausreiche, so Wahlers. Ein hauptamtlicher Vorstand soll künftig der DSAG vorstehen. "Wir sind als Selbsthilfegruppe von ein paar R/3-Anwendern gestartet, doch mittlerweile haben wir 2000 Mitglieder." Die Veränderungen der DSAG bedürfen vermutlich einer Satzungsänderung, über die abgestimmt werden muss. Wie genau diese Umstrukturierung aussieht, steht noch nicht fest, es gibt verschiedene Modelle.

Liebstückel wird so wie Wahlers heute ehrenamtlicher Vorstand der DSAG sein. Beschlüsse zu einer hauptamtlichen Führung sowie zu einer neuen Struktur werden erst im nächsten Jahr konkreter beziehungsweise zur Abstimmung gebracht werden. Diskussionsbedarf über Richtung und Strategie der Anwendervereinigung dürften die Mitglieder reichlich haben.

Wie unabhängig ist die SAP-Anwendergruppe?

Grundsätzlich, so Liebstückel, seien die Mitglieder mehrheitlich mit der Arbeit der DSAG zufrieden. Gleichwohl hätten Mitgliederbefragungen Hinweise für Verbesserungen geliefert. Beispielsweise erwarten die Firmen von der Vereinigung mehr Einfluss auf die Produktentwicklung der SAP. Auch wünschen sich die Mitglieder einen besseren Informationsfluss zwischen den Arbeitskreisen, dem Lenkungskreis und dem DSAG-Vorstand sowie mehr Transparenz in der Vorstandsarbeit. Besonders heikel ist jedoch die Kritik, die DSAG sei zu sehr von der SAP abhängig und würde die Mitglieder zu wenig neutral informieren. Liebstückel führt diese Wahrnehmung mancher Anwender auf die enge Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller zurück. "Wir erreichen bei der SAP nur dann etwas, wenn wir hinter verschlossenen Türen reden und dabei werden wir bleiben", so der künftige DSAG-Chef. Die Tatsache, dass sich eine SAP-Anwendervertretung eng mit dem Softwarelieferanten abstimme, liege in der Natur der Sache. Liebstückel zufolge verkaufe die DSAG mitunter ihre Erfolge nicht gut genug. Beispielsweise sei wenig bekannt, dass das einheitliche Wartungskonzept sowie die Ausdehnung der Maintenance für SAP ERP 6.0 bis 2013 auf Drängen der Anwendergruppe zustand kam. Auch der Softwarekonzern verwahrt sich gegen den Vorwurf, mit der DSAG gemeinsame Sache zu machen. "Wir wollen unsere Kunden früh über Entwicklungen informieren, für mich ist das aber kein Marketing", ergänzt SAP-Vorstandsvorsitzender Henning Kagermann.

Der Eindruck der mangelnden Distanz vom Hersteller wurde nach Ansicht von Beobachtern zuletzt geschürt durch die Aussagen der DSAG in Bezug auf das neue SAP-Produkt "Business ByDesign". Für die Kunden dieser Lösung wolle man eine Plattform innerhalb der Benutzergruppe schaffen, doch bis dato gibt es jedoch lediglich eine Hand voll Testkunden. Die Anwendergruppe dementiert aber, auf diese WEise verstecktes Marketing für die SAP-Mietlösung zu machen. "Ziel der Initiative ist, Nutzer des neuen Produkts zu gewinnen, damit die keine eigene Organisation gründen", erklärt Wahlers. Business ByDesign und damit der Mittelstand soll breiteren Raum innerhalb der DSAG bekommen. Vornehmlich sind es nämlich SAP-Experten aus großen Firmen, die heute das Gros der Mitglieder ausmachen. Künftig sollen mittelständische SAP-Kunden durch ein DSAG-Vorstandsmitglied vertreten werden.

Weniger Marketing auf DSAG-Veranstaltungen

Den Vorwurf, Mitglieder würden zu selten neutrale Informationen erhalten, führt Liebstückel auf Arbeitskreissitzungen zurück, in denen SAP-Partner neben Fachinformationen auch eigene SAP-Zusatzprodukte sowie realisierte Kundenprojekte präsentierten. Hier versprach der designierte DSAG-Vorstand Besserung. Des Weiteren möchte Liebstückel ein System etablieren, mit dem die Anwender gezielter als bisher auf die Produktentwicklung der SAP Einfluss nehmen können.

Die DSAG hat im nächsten Jahr zudem vor, eine deutschsprachige Internet-Plattform zu errichten, die sich an Nutzer des SAP-Produkts Business ByDesign wendet. Diese Anwender aus dem Mittelstand haben im Vergleich zu den Großkunden der SAP kaum die Möglichkeit, Mitarbeiter für Arbeitskreissitzungen der DSAG abzustellen. Geplant ist unter anderem ein Expertenforum nach dem Vorbild des rein englischsprachigen "SAP Developer Network" (SDN). Diese "Online-Community" soll Lerninhalte, Wikis, Podcasts, Foren und Blogs liefern, die entweder von DSAG, der SAP oder beiden betrieben werden. Ferner soll es einen DSAG-Arbeitskreis speziell für CIOs geben. Eine weitere Initiative wird sich mit der Wissensvermittlung rund um Enterprise SOA befassen (siehe auch den SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE).
Viele SAP-Anwender befassen sich jedoch noch nicht mit Service-orientierten Architekturen, sondern bereiten sich auf den Umstieg von R/3 auf den Nachfolger "SAP ERP 6.0". Diese auf Netweaver aufsetzende Business-Software bildet eine der Grundlagen für Enterprise SOA. Allerdings sind darüber hinaus entsprechend qualifizierte IT-Experten beziehungsweise Berater, für SOA aufgeschlossene Fachanwender und nicht zuletzt adäquate Einführungsmethoden erforderlich, die es bis dato nur ansatzweise gibt. "Enterprise SOA setzt ein völlig anders Applikations-Management und anderes Know-how voraus", meint Wahlers, der sich als CIO beim weltweit operierenden Pharmahandelsunternehmen Celesio AG selbst mit diesen Themen befasst (siehe auch das COMPUTERWOCHE-Interview mit Alfons Wahlers). Nicht zuletzt dieser Posten hat den DSAG-Vorsitzenden dazu veranlasst, die Führung der Anwendervereinigung abzugeben. Er will dem Gremium aber weiterhin beratend zu Seite stehen.