Feindliche Übernahme

Cadence greift nach Mentor Graphics

18.06.2008
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Cadence Design Systems hat ein feindliches Übernahmeangebot für den Wettbwerber Mentor Graphics öffentlich gemacht. Die Offerte beläuft sich auf satte 1,49 Milliarden Dollar.

Mentor ist einer von zwei verbliebenen Rivalen in einer Software-Nische, die unter der Volatilität der Halbleiterindustrie leidet. Cadence mit Sitz in San Jose, Kalifornien, hatte Mentor aus Wilsonville, Oregon, nach eigenen Angaben Mitte April ein Übernahmeangebot unterbreitet. Mit 16 Dollar pro Mentor-Aktie stellt dieses ein Aufgeld von 30 Prozent auf den Mentor-Schlusskurs vom Montag dar. Und am 2. Mai, als Cadence Mentor die Details unterbreitete, betrug das Premium laut "Wall Street Journal" sogar noch 59 Prozent.

Mike Fister, CEO Cadence Design Systems
Mike Fister, CEO Cadence Design Systems
Foto: Cadence

Nachdem Cadence bislang abgeblitzt ist, hat es sich nun entschlossen, sein Angebot öffentlich zu machen in der Hoffnung, Mentor damit umzustimmen. "Wir sind zuversichtlich, dass die beiden Mannschaften zusammen die Transaktion erfolgreich machen können", erklärte Cadence-Chef Michael Fister in einem Interview.

Der Deal ist der letzte einer ganzen Welle feindlicher Übernahme in der Hightech-Branche, in der diese Praxis lange unbekannt war. Nachdem das Wachstum in verschiedenen Marktsegmenten nachgelassen hat, wächst der Konsolidierungsdruck stärker als die Angst, talentiertes Personal durch eine feindliche Transaktion zu verlieren.

Cadence führt nach Umsatz im Markt für Software für die Entwicklung von Chips und anderer Elektronik vor Synopsys und Mentor. Alle drei Firmen leiden unter gedeckelten Budgets ihrer Stammkundschaft, die unter anderem unter dem extremen Preisverfall bei Speicherchips leidet. Außerdem treiben die Kosten für neue, immer stärker miniaturisierte Produktionsprozesse auch die Design-Kosten, weswegen einige Firmen gar keine neuen Chips mehr entwickeln.

Laut Fister fordern die Halbleiterhersteller von ihren Softwarelieferanten niedrigere Preise und andere Zugeständnisse, darunter auch besser interoperable Produkte. Sie hätten unter anderem gern die Produktlinie von Cadence, die auf die ersten Design-Schritte fokussiert ist, besser integriert mit den Programmen von Mentor, die eher auf die spätere Fertigung der Halbleiter abzielen.

Die Chefs beider Firmen kommen selbst aus der Halbleiterbranche - Fister war früher bei Intel, der Mentor-Graphics-CEO (Chief Executive Officer) Walden Rhines arbeitet zuvor für Texas Instruments (TI).

Mike Fister schrieb gestern in einem Brief an den Verwaltungsrat von Mentor, er habe seinen CEO-Counterpart Rhines erstmals am 16. April auf eine mögliche Kombination mit Cadence angesprochen und am 2. Mai dann ein weiteres Treffen nachgeschoben. Das formale Angebot sei dann am 23. Mai "ohne nennenswerte Diskussion mit uns oder Verhandlungen unseres Angebots" abgewiesen worden; Mentor habe lediglich die Absicht bekundet, unabhängig bleiben zu wollen. Rhines bestätigte dies in einer Erwiderung. Er bezeichnete die Cadence-Offerte als unzureichend, außerdem dürfte sie aus seiner Sicht von den Kartellbehörden abgelehnt werden. "Aus diesen und anderen Gründen hat das Board den Vorschlag einstimmig abgewiesen", so der Mentor-Chef.