Recht auf Aussageverweigerung

Pierer will Zeugenaussage im Siemens-Prozess verweigern

12.06.2008
Der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer will im ersten Prozess um den milliardenschweren Schmiergeld-Skandal die Aussage als Zeuge verweigern.

Das teilte sein für Pressefragen zuständiger Anwalt Winfried Seibert am Mittwoch mit. Pierer mache mit Blick auf das gegen ihn laufende Ordnungswidrigkeiten-Verfahren von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. "Ich nehme an, dass das Gericht daraufhin von seinem Erscheinen absehen wird", sagte der Anwalt. Das Landgericht München I hatte Pierer ursprünglich für den 20. Juni als Zeuge im ersten Strafprozess um den Korruptionsskandal geladen. Angeklagt ist darin ein früherer Manager der Siemens- Festnetzsparte ICN, der den Aufbau schwarzer Kassen und die Abwicklung dubioser Zahlungen eingeräumt hatte.

Gegen Pierer und andere Mitglieder der Siemens-Führungsspitze ermittelt die Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts einer Verletzung der Aufsichtspflicht. Dabei würde es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln, die mit einer Geldbuße von bis zu einer Million Euro belegt werden könnte. Seibert erklärte, der Schritt Pierers sei mit Blick darauf aus seiner Sicht sinnvoll. Der frühere Konzern-Chef müsse sich in der derzeitigen Situation "voll auf die Verteidigung in dem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren konzentrieren. Jede Aussage, die einen ähnlichen Sachverhalt betriff, kann kontraproduktiv sein."

Pierer selbst übernahm unterdessen in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" "politische Verantwortung" für die Affäre um schwarze Kassen während seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender. "Wahrscheinlich hätte ich deutlicher sagen sollen, dass ich die politische Verantwortung trage für die Dinge, die während meiner Amtszeit geschehen sind", sagte Pierer. "Ich dachte, das bringe ich mit meinem Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender deutlich genug zum Ausdruck." Pierer war von 1992 bis 2005 Siemens-Chef und trat danach an die Spitze des Aufsichtsrats. Im Zuge der Korruptionsaffäre war er im April 2007 zurückgetreten.

In dem Schmiergeld-Skandal geht es um dubiose Zahlungen von 1,3 Milliarden Euro, die im Ausland zur Erlangung von Aufträgen eingesetzt worden sein sollen. Die größte Gefahr in dem Skandal droht dem Konzern von der mächtigen US-Börsenaufsicht SEC, die eine Milliardenstrafe gegen Siemens verhängen könnte. Ein Ausschuss des Aufsichtsrats prüft auch mögliche Schadenersatzansprüche.

In dem Prozess vor dem Landgericht München I hatten vor Pierer auch mehrere andere Mitglieder der ehemaligen Siemens-Führungsspitze angekündigt, dass sie die Zeugenaussage verweigern wollen. Dazu gehören auch die früheren Zentralvorstände Heinz-Joachim Neubürger und Thomas Ganswindt, die als Beschuldigte im Siemens-Verfahren geführt werden. (dpa/tc)