Raus aus dem Burnout

Warum Angst gut ist

06.05.2012
Von 
Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.
Leistungsträger sind oft von Burnout betroffen. Besonders gefährdet sind Kandidaten, die keine Angst haben. Sie könnten von Bergsteigern lernen, denn gute Alpininisten wissen, wann und wo sie umkehren müssen.
Management-Berater Frank Lüschow: "Angst bewahrt uns vor Gefährlichem. Wer diesen Schutz deaktiviert, öffnet dem Burnout Tür und Tor."
Management-Berater Frank Lüschow: "Angst bewahrt uns vor Gefährlichem. Wer diesen Schutz deaktiviert, öffnet dem Burnout Tür und Tor."

Manager haben keine Angst! So sehen sich Führungskräfte und so will die Gesellschaft Führungskräfte sehen. Wer Angst hat, ist ein Versager, bekommt nichts auf die Reihe und ist bestenfalls zu bemitleiden. Ein großer Fehler, meint Management-Berater Frank Lüschow, der auf der 10. Jahrestagung des "CIO Circle" in Stuttgart ein Plädoyer für die Wiederbelebung des Zweifelns hielt. Denn Angst sei ein Schutzmechanismus, der uns davor bewahre, Gefährliches zu tun oder über unsere Grenzen zu gehen. Wer diese rote Ampel deaktiviere, der laufe Gefahr, die eigene Person zu instrumentalisieren und in den Burnout zu rutschen, so Lüschow.

Projekt-Manager besonders gefährdet

"Projektleiter sind die idealen Kandidaten für einen Burnout", sagt der seit über 20 Jahren als Berater und Trainer tätige Experte. Besonders gefährdet seien diejenigen, die …

  • … ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein haben,

  • … sich selbst motivieren und antreiben und Spaß an der Arbeit haben,

  • … keine Scheu haben, sich die Hände schmutzig zu machen und …

  • … hart gegen sich selbst sind.

Gerade wenn sie nach dem Motto "Yes, we can" - also gegen alle Widerstände und Herausforderungen erfolgreich zu sein - Projekte übernehmen, laufen diese Kandidaten laut Lüschow Gefahr, den Schutzmechanismus Angst auszuhebeln und über ihre (Belastungs-)Grenzen zu gehen. "Diese Personen nehmen also eine Aufgabe an allein aus dem Grund, weil sie vorhanden ist", so der Trainer. Ihre Identifikation mit dem Projekt sei groß und sie seien überzeugt, es stemmen zu können.

Verstärkt werde diese Haltung häufig durch das Umfeld: Zum einen lobe das Management die stets für alle Aufgaben bereiten Projektleiter dafür, dass sie sich des Themas annehmen. Zum anderen könnten sich diese positiv von den Kollegen abheben, die nur mauern, immer ablehnen und nie zupacken. Das sei ein gefährliches System, so Lüschow weiter, denn je mehr eine Aufgabe von den Kollegen abgelehnt werde, umso mehr identifizieren sich die höchst engagierten Projektleiter mit ihr.

Optimaler Nährboden für Burnout

In seiner Beratungspraxis beobachtet Lüschow immer wieder, dass potenzielle Burnout-Kandidaten oft einen hohen inneren Erfolgsdruck spüren und die äußeren Erwartungen stark verinnerlicht haben. Sie wollen sich gegen Bremser abgrenzen und keinen Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit zulassen. Sie verspüren keine innerlichen Begrenzungen oder Einschränkungen, die sie davon abhalten könnten, eine Aufgabe anzunehmen. "Dies ist der optimale Nährboden für einen Burnout", warnt Lüschow. Wer sich zu sehr über seine Fachkompetenz definiere und zu "Tiefenbohrungen" neige, dabei aber den Gesamtüberblick verliere und seine Funktion als Richtungsgeber nicht erfülle, beschleunige den Prozess der Überlastung.

Viele Burnout-Kandidaten zeigen Lüschow zufolge zudem eine Schwäche auf der sozial-kommunikativen Ebene: Sie gestalten ihre Beziehung zu anderen sehr locker, halten oft Distanz zu ihrem Team und vernachlässigen die strategische Kommunikation im Unternehmen. "Diese Personen wollen keine Politik", erklärt der Experte. Sie fühlen sich jedoch überfordert, wenn es zu Abweichungen vom Plan kommt und politische Entscheidungen gefällt werden müssen.

Bei vielen Burnout-Kandidaten beobachtet der Berater zudem eine Tendenz, nur das zu verplanen, was sie kennen. Sie konzentrierten sich auf das Eindeutige, das Messbare. Das Unbekannte, das Unsichere hingegen werde verdrängt. Auch das führe dazu, dass sich diese Personen mit jeder Aufgabe identifizieren und keine Alarmglocke aufleuchtet, um sie vor zu hoher Belastung zu bewahren.