Dem Burnout trotzen

Wie sich CIOs erholen

15.12.2011
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Effizient arbeiten und zeitweise die Arbeit vergessen - das tun CIOs für ihre Work-Life-Balance. Manche finden den Begriff allerdings überholt.

"Eine Tour darf gerne sechs bis acht Stunden dauern", sagt Lars Ludwig, Leiter IT, Bankdirektor und Prokurist beim Bankhaus Donner & Reuschel, über die Wanderungen, die er zusammen mit seiner Frau jedes Jahr zwei oder drei Wochen lang im Bregenzer Wald unternimmt. "Die körperliche Herausforderung, das Naturerleben, der weite Blick und die Stille, da kann ich sehr gut abschalten und alles andere vergessen." Ludwig hat eine Fusion hinter sich. Im Juli 2009 übernahm die Conrad Hinrich Donner Bank aus Hamburg das Münchner Bankhaus Reuschel & Co. Ab November 2009 integrierten Ludwig und sein IT-Team binnen 333 Tagen die IT der beiden Häuser, wobei sie das Kernbankverfahren "bank21" und das Wertpapierabwicklungssystem "WP2" einführten. Wie häufig bei solchen Standardisierungen fürchteten Mitarbeiter um ihre individuellen und flexiblen Arbeitsweisen und letztlich um ihre Jobs. Gemischte Teams aus Hamburgern und Münchnern sowie der weitgehende Verzicht auf externe Berater wirkten diesen Ängsten entgegen. "Jeder wusste: Der, der mich schult, kennt meine Arbeitsabläufe und spricht die Banksprache", schildert Ludwig. Betriebsbedingte Kündigungen durch die Fusion waren von vornherein ausgeschlossen worden.

Lars Ludwig, Bankhaus Donner & Reuschel: "...das Naturerleben, der weite Blick und die Stille, da kann ich sehr gut abschalten."
Lars Ludwig, Bankhaus Donner & Reuschel: "...das Naturerleben, der weite Blick und die Stille, da kann ich sehr gut abschalten."
Foto: privat

Ludwig hat neben dem Studium (Physik, Informatik, Wirtschaftswissenschaften) privat Gesang studiert und singt heute in Chören, vor allem Kirchenmusik. Im Bregenzer Wald hat er "auch schon Tandem-Gleitschirmflüge und sogar einen Tandem-Fallschirmsprung gemacht. Es hat riesig Spaß gemacht, die Welt auf diese Weise von oben zu sehen."

Mit Peter Maffay auf der Bühne

Wenn die IT zeitgemäß bleiben will, muss sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Anwendern immer wieder anstrengende Neuerungen zumuten. Diese Dauerlast, die jeder CIO trägt, kennt auch Clemens Blauert, IT-Leiter des Evangelischen J ohannesstifts in Berlin, aus seiner täglichen Arbeit. Wer heute, etwa als Pfleger oder Betreuer, in der Sozialwirtschaft arbeitet, der muss seine Arbeit so umfassend dokumentieren und auswertbar machen, wie es ohne IT kaum möglich wäre. Dafür installieren und betreiben Blauert und seine Mitarbeiter die Technik. Zuletzt, als Teil eines größeren Unternehmenskommunikations-Projekts, in Form von integrierter Telefonie und Groupware: "Viele CIOs wünschen sich mehr Akzeptanz. IT ist ein Mittel, Dinge zu bewegen, und ITler würden gerne als Leute wahrgenommen, die dieses Mittel bereitstellen."

Blauert spielt Trompete im Blasorchester 1911 Neukölln, dem ältesten Laien-Blasorchester Berlins: "Für Amateure ist Musik eine wunderbare Möglichkeit, völlig abzuschalten und etwas ganz anderes zu machen. Da gibt es dann nur die Musik." Die Neuköllner wirken bei Martinsumzügen und Schützenfesten mit und sind schon am 17. Juni am Brandenburger Tor aufgetreten. Mit Peter Maffay haben sie sich in kleiner Besetzung in dem Musical "Tabaluga und das verschenkte Glück" präsentiert. Vielleicht ist Blauert bei solchen Gelegenheiten weiter von seiner Arbeit weg als im Urlaub: "Da muss man ja auch mit Anrufen rechnen. Manchmal hat man dann eher bürofreie Zeit als Urlaub."

Integration statt Balance

Bayer-Healthcare-CIO Matthias Moritz (links)auf der Gala "CIO der Bekade".
Bayer-Healthcare-CIO Matthias Moritz (links)auf der Gala "CIO der Bekade".
Foto: Joachim Wendler

Am 29. September 2010 krönte das COMPUTERWOCHE-Schwestermagazin "CIO" den "CIO der Dekade". Für die musikalische Untermalung sorgte eine Band, deren Bassist vielen Gästen aus anderem Zusammenhang bekannt war: Matthias Moritz, CIO von Bayer HealthCare. Vermutlich versteht er sein musikalisches Engagement nicht als Abgrenzung vom Beruf, sondern als Teil eines Ganzen: "Work-Life-Balance war gestern. Wir werden immer mobiler und flexibler und brauchen eine Work-Life-Integration, in der sich Berufliches und Privates immer weiter vernetzen."

Moritz ist beruflich stark eingespannt ("Am anstrengendsten ist es für mich, wenn ich viel unterwegs bin"); dass die Arbeitswelt außerhalb der Unternehmenstür nicht mehr endet, hält er jedoch nicht prinzipiell, sondern nur graduell für eine Besonderheit hoher Management-Positionen: "Eine 40-Stunden-Woche mit fünf Tagen à acht Stunden im Büro ist kaum noch die Regel." Gefragt sei deshalb ein gutes Selbst-Management: "Mit E-Mails und dem Blackberrry kann man sehr gut so umgehen, dass man nicht ständig, aber in den richtigen Momenten erreichbar ist. Auf Mails kann man kurz antworten, und man muss die Antworten nicht an 15 Leute schicken."