Die Kunst des internen Aufstiegs

Gestern Kollege, heute Chef

13.02.2011
Von Anja Dilk
Der Weg nach oben kann im eigenen Unternehmen besonders steinig werden. Eine professionelle Vorbereitung lindert den Stress.

Nach dieser Nachricht lässt Herbert Massberger* erstmal die Korken knallen: "Massberger, Sie übernehmen jetzt", hatte der Chef gesagt und ihm kräftig auf die Schulter geklopft. "Sie sind genau der Richtige, um meine Arbeit fortzusetzen." Massberger kann sein Glück nicht fassen: Jetzt ist er Chef. Endlich kann er die Entwicklungsabteilung des norddeutschen IT-Dienstleisters so führen, wie er es schon immer gewollt hatte. Auch die Teamkollegen scheinen erfreut. Sie gratulieren, lächeln, scherzen.

Doch in den nächsten Wochen fühlt sich Massberger zunehmend unwohl. In der Teeküche verstummt das Gespräch, wenn er kommt. Mittags verschwinden die Kollegen beim Italiener ums Eck, ohne ihn zu fragen. Und sein alter Zimmergenosse Seirig macht auf den Konferenzen ungewohnt spitze Bemerkungen. Massberger: "Ich wusste überhaupt nicht, wie ich mich verhalten sollte."

Karriere nur im eigenen Unternehmen

Gestern Kollege, heute Chef - in vielen Unternehmen ist das immer noch eine verbreitete Strategie. Zwar wird gerade in der IT-Branche die klassische Kaminkarriere mit ihrem Lauf über das hierarchische Aufstiegstreppchen allmählich von neuen Arbeitsformen mit anderen Karrieremodellen verdrängt - technische Expertenlaufbahnen, wechselnde Chefrollen in virtuellen Teams, Projektarbeit oder Netzwerkorganisationen. Doch viele Firmen rekrutieren nach wie vor gerne aus den eigenen Reihen. Manche, wie Citrix Systems aus Hallbergmoos, machen es sogar zu ihrem Unternehmensprinzip - Führungsjobs lieber mit Topleuten aus dem Firmenpool zu besetzen als Neulinge von außen anzuwerben. "Das hat Vorteile ", weiß Jürgen Rohrmeier, Vorstand der IT-Personalberatung Pape Consulting Group in München. "Und wer merkt, dass er in der Firma vorankommen kann, hat weniger Grund, sich nach einem neuen Job umzusehen.

Jürgen Rohermeier, Pape Consulting: " Wer im Unternehmen groß geworden ist, weiß wie es tickt, kennt Kultur, Kollegen und Geschäftsstrategien."
Jürgen Rohermeier, Pape Consulting: " Wer im Unternehmen groß geworden ist, weiß wie es tickt, kennt Kultur, Kollegen und Geschäftsstrategien."

Dafür trägt derjenige, der innerhalb des Unternehmens nach oben klettert, eine Geschichte mit sich. Man kennt sich, die Karten völlig neu zu mischen fällt schwer. "Der Sprung vom Kollegen zum Chef ist nur erfolgreich, wenn es dem neuen Chef gelingt, die Balance zwischen neuer Verantwortung und alter Teamzugehörigkeit zu bewahren", so Rohrmeier. Doch allzu oft kracht es im Arbeitsalltag gewaltig, der neue Chef wird vom Unternehmen kaum auf die neue Rolle vorbereitet, fühlt sich isoliert, aus dem Kreis der Kollegen ausgeschlossen. Aus Nähe wird Distanz: Mal sehen, was wir von unserem ehemaligen Kollegen und Freund erwarten können. Wird er wirklich Wort halten und sich für uns einsetzen oder bald den Chef raushängen lassen und nur auf seinen eigenen Vorteil schielen? Gleichzeitig machen oft Neider aus den eigenen Reihen schlechte Stimmung.

Wie bei dem frisch beförderten Entwicklungsleiter Herbert Massberger. Diese Missgunst und Distanz zu ertragen, war für Massberger am schwierigsten. Zwei, drei Mal hätte er sich fast angebiedert, nur um das Gefühl von Nähe und Vertrautheit wieder zu spüren. Heute ist Massberger froh, der Versuchung nicht nachgegeben zu haben. "Drei Monate muss man durchhalten, dann wird es besser. Die Verunsicherung bei den Mitarbeitern schwindet, und man selbst knüpft Kontakte zu anderen Chefs."