Karriere machen

Frauen verlassen die Komfortzone

17.11.2010
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

"Ruhig mal laut sein"

Informatik interessierte Leah Blessin zwar, doch nach dem Abitur studierte sie BWL. Während verschiedener Praktika wurde für sie klar, dass sie in der technischen Unternehmensberatung arbeiten will. Im Jahr 2000 heuerte sie bei Accenture (damals Anderson-Consulting) an und blieb dort bis heute. Blessin hatte klare Ziele: Sie wollte Technik verstehen und hat im ersten Berufsjahr überwiegend in der IT-Entwicklung gearbeitet. "Die im Studium erworbenen IT-Kenntnisse haben nicht gereicht, ich wollte tiefer einsteigen." Heute berät die 34-Jährige Unternehmen in der Transport- und Logistikbranche, ein von Männern dominierter Sektor. "Als Frau falle ich mehr auf und es ist noch etwas Besonderes, doch das ändert sich gerade." Eine Quote lehnt Accenture zwar ab, doch im laufenden Geschäftsjahr 2010/11 sollen unter den 1000 Neueinstellungen mindestens 300 Frauen sein. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gemischte Teams erfolgreicher arbeiten.

Leah Blessin, Accenture: "Viele Frauen leisten gute Arbeit und denken, dass es ihr Chef schon merkt. Eine Fehleinschätzung."
Leah Blessin, Accenture: "Viele Frauen leisten gute Arbeit und denken, dass es ihr Chef schon merkt. Eine Fehleinschätzung."
Foto: Leah Blessin, Accenture

Blessins Karriere in einem männerdominierten Umfeld hielt einige Herausforderungen bereit. "Viele Frauen leisten gute Arbeit und denken, dass es ihr Chef schon merkt. Eine Fehleinschätzung", hat sie beobachtet. "Männer reden gern über sich und ihre Erfolge, das habe ich mir abgeguckt", gibt sie offen zu. Sichtbar sein, selbstbewusst gegenüber Kollegen und Vorgesetzten auftreten, fällt vielen Frauen schwer. Dabei ist das eine wichtige Voraussetzung, um beim Aufstieg nicht auf der Strecke zu bleiben. Fast wäre das auch Blessin passiert. "Ich habe meinen Vorgesetzten auf meine Erfolge hingewiesen und betont, wie wichtig für mich eine Beförderung ist. Ich habe gesagt, dass ich meine Karriere wegen meiner Schwangerschaft nicht zurückstellen möchte." Blessin ist sich sicher, dass sie diesen Karriereschritt ohne ihr Engagement nicht gemacht hätte. Inzwischen ist ihr Sohn vier Jahre alt und ihre Tochter gerade ein Jahr geworden. In dieser Zeit stieg sie bis zur Senior-Managerin auf. "Ich war nach der Geburt meiner Kinder je ein halbes Jahr zu Hause und habe den Kontakt zu Kollegen und Managern gepflegt. Es ist wichtig, nicht zu lange weg zu sein, sonst arrangiert man sich mit der Situation zu Hause und die Rückkehr fällt schwer."

Blessin kennt auch Zweifel: " Ich habe mit mir gehadert, ob sich Beruf und Familie verbinden lassen." Dank eines ausgeklügelten Betreuungssystems kann die Managerin wieder Vollzeit arbeiten. Nur längere Geschäftsreisen vermeidet sie noch. Accenture unterstützt zwar seine Mitarbeiter mit Mentoren und Trainings, doch Blessin empfiehlt, die eigene Karriereplanung selbst in die Hand zu nehmen. "Ich bin selbst auf erfahrene Führungskräfte zugegangen. Auch für das Mentorenprogramm habe ich mir Persönlichkeiten ausgesucht, von deren Rat ich profitieren kann." Auf Floskeln wie "Glück gehabt" verzichtet sie. "Ich habe mich nie in die Opferrolle begeben, sondern überlegt, wie sich Aufgaben besser verteilen lassen." Gerade neue Kommunikationstools sieht die Beraterin als Segen, den eigenen Zeitplan zu entzerren. Sie isst mit ihren Kindern zu Abend und verbringt Zeit mit ihnen. Wenn die Kleinen schlafen, kann sie sich nochmals an den Schreibtisch setzen.

Blessin möchte in zwei bis drei Jahren bei Accenture Partner werden. "In einem internationalen Karriereprogramm für Frauen habe ich gelernt, wie wichtig es ist, laut zu sein und auf sich aufmerksam zu machen." Die junge Mutter sieht aber die gesellschaftlichen Konventionen in Deutschland kritisch. Müttern, die ganztags arbeiten, werden viele Steine in den Weg gelegt. "Gute Kinderbetreuung ist teuer und nicht leicht zu finden."