Mit 50 abgeschrieben?

Wo ältere IT-Profis noch Chancen haben

06.09.2010
Hauptsache jung. Jahrelang schien das Alter das wichtigste Kriterium bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter zu sein. Einige IT-Firmen haben indes erkannt, dass sie auch ältere IT-Profis einstellen müssen.

Mit 50 abgeschrieben? Ein Blick in aktuelle Stellenanzeigen für IT-Berufe zeigt, dass es für über 40-Jährige auf dem IT-Arbeitsmarkt eng wird, trotz des proklamierten Fachkräftemangels und 20.000 offenen Stellen laut Branchenverband Bitkom. Gefragt sind offenbar überwiegend junge Hochschulabgänger der so genannten Generation Y. Auch die öffentliche Diskussion ist geprägt von den Ansprüchen, die diese nach 1980 Geborenen an ihre künftigen Arbeitgeber stellen: Instant Messaging, Twitter, Facebook, flexible Arbeitszeiten und flache Hierarchien stehen auf dem Wunschprogramm dieser "always-on" Generation. Wer als Arbeitgeber nicht die notwendigen technischen Voraussetzungen bieten kann, so scheint es, hat schlechte Karten bei der Bewerbersuche.

Doch sieht die Realität in den Unternehmen tatsächlich so aus? Können es sich Arbeitgeber leisten, auf das Potenzial älterer Bewerber zu verzichten? Die demografische Entwicklung der Gesellschaft beeinflusst zunehmend die Altersstruktur der Belegschaften. Auf dem IT-Stellenmarkt müssen Bewerber über 40 oft gegen stereotype Vorstellungen kämpfen: Ältere Mitarbeiter seien teuer, unflexibel und weniger leistungsstark.

Mit 57 Jahren einen Job gefunden

Mittlerweile scheint sich eine Kehrtwende abzuzeichnen: Immer mehr IT-Unternehmen setzen auf ältere Mitarbeiter: So auch Computacenter im Falle von Rainer Curth. Im Alter von 57 Jahren trat er 2007 die Stelle als Senior Projekt Manager bei dem IT-Dienstleister an. "Ich hatte von Anfang an das Gefühl, hier wird nicht das Alter, sondern die Erfahrung gemessen", erinnert sich Curth. "Zuvor war ich selbständig und habe mich während dieser Zeit kontinuierlich weitergebildet, eine Projektmanagement-Ausbildung gemacht und IT-Zertifizierungen erworben. Das war meine Eintrittskarte, denn so war ich sofort einsatzbereit."

Rainer Curth, Computacenter: "Ich werde jetzt 60, aber niemand sagt, dass es sich nicht mehr lohnt in mich zu investieren."
Rainer Curth, Computacenter: "Ich werde jetzt 60, aber niemand sagt, dass es sich nicht mehr lohnt in mich zu investieren."

Computacenter legt Wert auf Weiterbildung, unabhängig vom Alter. Der IT-Dienstleister ist auf die Zielgruppe 40plus eingestellt und mit verschiedenen Aktivitäten und Programmen aktiv. Eine Initiative mit dem Namen LEO (Lebensereignisorientierte Personalentwicklung) versucht, die berufliche Entwicklung mit den persönlichen Lebensereignissen in Einklang zu bringen; Unterstützung durch eine Beratungshotline für persönliche oder familiäre Probleme, Gesundheitstraining und Trainings zur Stressprävention runden das Angebot ab. Rainer Curth schätzt diese Möglichkeiten sehr: "Ich werde jetzt 60 - aber niemand sagt, dass es sich nun nicht mehr lohnt, in mich zu investieren. Im Gegenteil: Ich wurde gerade in ein neues Förderungsprogramm aufgenommen." Die so genannte Proton-Initiative startete Anfang dieses Jahres. Über drei Jahre werden zehn Projekt-Manager weitergebildet. Unter anderem auch, um später als Mentoren fungieren zu können und andere Mitarbeiter zu coachen. "Das ist nicht selbstverständlich für ein Unternehmen, hier auch auf Mitarbeiter zu setzen, die nur noch fünf bis sechs Jahre im Unternehmen sind", ist Curth überzeugt.

Thomas Leibfried, Computacenter: Ältere Bewerber punkten im Vergleich zu jüngeren Konkurrenten mit Kompetenzen, die man nur im Laufe vieler Berufsjahre erwerben kann.
Thomas Leibfried, Computacenter: Ältere Bewerber punkten im Vergleich zu jüngeren Konkurrenten mit Kompetenzen, die man nur im Laufe vieler Berufsjahre erwerben kann.

"Unsere Mitarbeiter sind inzwischen im Durchschnitt knapp über vierzig Jahre alt. Das Verhältnis zwischen jung und alt ist bei uns ausgeglichen. Wir setzen auf die Kompetenzen all unserer Mitarbeiter. Im Alter von vierzig Jahren stehen unseren Arbeitnehmern ja noch mindestens zwanzig Arbeitsjahre bevor, die sie hoffentlich bei uns verbringen,," erklärt Thomas Leibfried, Prokurist und verantwortlich für das Recruiting und die Mitarbeiterentwicklung bei Computacenter. "Und der Großteil unserer offenen Stellen richtet sich heute an Bewerber mit ausreichend langer Berufserfahrung."

Ältere Bewerber punkten im Vergleich zu jüngeren Konkurrenten mit Kompetenzen, die man nur im Laufe vieler Berufsjahre erwerben kann. "Erfahrung und Wissen sind Schätze, die man behält, auch wenn man sie weitergibt. Und die Generation, zu der ich zähle, ist ein Schlüssel dazu," weiß Senior Projekt Manager Curth. Gerade in Beratungsunternehmen seien erfahrene, kompetente Mitarbeiter gefragt. "Aber die bekommen sie eben nicht direkt von der Hochschule. Firmen brauchen beides: die jungen dynamischen und die Erfahrenen, die Seniorität und Seriosität ausstrahlen. Ich selbst erlebe das immer wieder in Sitzungen, wenn von Kundenseite die Frage aufkommt ‚Sind Sie wirklich in der Lage, das zu leisten?’ Da wandert der Blick ganz schnell zum älteren Projekt-Manager - und wenn der dann nickt, sind alle beruhigt."