Mitarbeiterbindung

Personalgespräche an der Herdplatte

07.12.2009
Von Dieter Schmitt
Um herauszufinden, was neue Mitarbeiter über das Unternehmen denken, lädt der ERP-Hersteller Wilken regelmäßig zum Essen mit den Führungskräften. Zuvor wird gemeinsam gekocht.

"Wie empfinden Sie die Atmosphäre bei Wilken?", "Was ist Ihnen bei uns aufgefallen - positiv wie negativ?", "Wie erleben Sie die Firma?" - Wilken-Geschäftsführer Oswald Gomolka sowie die beiden Mitglieder des Geschäftslenkungskreises, Wolfgang Grandjean und Harald Varel, wollen genau wissen. Fragestellungen lassen spüren, dass sie ernsthaft herausfinden wollen, was den "Neuen" am Herzen liegt.

Zu diesem Zeitpunkt ist bereits der erste Gang verspeist, und die zwölf Teilnehmer der so genannten Casino-Runde haben die Führungskräfte schon bei der Zubereitung der Kürbiskernsuppe oder der Schupfnudeln näher kennen gelernt. "Casino" bezeichnet bei Wilken die Kantine, die laut "Handelsblatt" zu den fünf besten in Deutschland zählt. "Das Kochen hat mich beeindruckt", erinnert sich der 52-jährige Arthur Gretter, der seit Januar 2009 im Unternehmen arbeitet und im März in der Küche stand. "Wir kamen dadurch schnell ins Gespräch, und man baut zu den Vorgesetzten eine Beziehung auf, wie sie im täglichen Geschäft nicht zustande kommen kann." Ähnlich sieht es Torsten Reinfeld-Julius (47). "Ich finde das einzigartig. Wenn man wie ich schon quer durch die deutsche Industrie gewandert ist, dann weiß man so etwas zu schätzen. Es kam wirklich zu einem Austausch."

Das Essen und das gemeinsame Kochen sind Teil eines Personalbindungsprogramms, das es bei Wilken nicht immer gab. "2008 haben wir eine Mitarbeiterbefragung veranstaltet und mussten feststellen, dass viele mit der Einarbeitung nicht zufrieden waren", erläutert Marketing-Leiter Wolfgang Grandjean. "Wir haben gehandelt, damit uns die Kritik nicht noch einmal um die Ohren fliegt." Seitdem existiert ein ausgeklügeltes Personalentwicklungs-Programm.

Dieses beginnt mit einem genau festgelegten, individuellen Einarbeitungsplan, der für den Personalverantwortlichen Pflicht ist. Ansprechpartner der Neuen sind "Paten" aus der eigenen Abteilung. Sie sind für rund sechs Monate Mittler und Unterstützer. Nach rund drei Monaten folgt die "Casino-Runde", bei der vor dem Kochen unter anderem die Außendarstellung und die Unternehmenswerte verdeutlicht werden. Alle zwölf bis 18 Monate findet dann ein ausführliches "Beurteilungs- und Fortbildungsgespräch" (B+F) statt, bei dem auch der persönliche Karriereplan besprochen wird.

Der Mitarbeiter bekommt einen Gesprächsbogen zur Vorbereitung. Den gleichen Bogen füllt auch der Personalverantwortliche aus. So können im B+F-Gespräch Selbst- und Fremdwahrnehmung abgeglichen werden. Um in den ersten Jahren keinen Verdruss hinsichtlich der eigenen Karriere aufkommen zu lassen, hat Wilken Aufstiegsmöglichkeiten auch ohne Übernahme einer Abteilungsleitung geschaffen. So kann bereits ein Berufseinsteiger zum Berater werden, wenn er bei der Akquisition hilft und Projektarbeiten übernimmt.

Eines ist allerdings immer Voraussetzung: Hilfsbereitschaft im Arbeitsalltag. Jeder Mitarbeiter trägt dazu im Rahmen eines Fotoarchivs freiwillig ein, wofür er "Experte" ist oder zumindest als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Dabei kann es sich um Branchenwissen (Energie, Gesundheit und Soziales etc.) oder Modulwissen (Finanzbuchhaltung, Controlling etc.) handeln. "Das Prinzip ist zwar freiwillig", erklärt Wolfgang Grandjean. "Wer sich aber generell verweigert, hat bei Wilken keine Chance zum Aufstieg."