Probe aufs Exempel

Was ist das Fachpersonal in der Krise wert?

22.07.2009
Von Hadi Stiel
Wenn das Geschäft unter Druck gerät, sind auch IT-Spezialisten vor einer Freisetzung nicht mehr gefeit.

Noch versuchen die meisten Unternehmen, ihre Mitarbeiter zu halten. Die generöse Kurzarbeitsregelung des Staates, der nun nach sechs Monaten Kurzarbeit auch den Sozialkostenanteil der Unternehmen übernimmt, hat bisher eine Personalfreisetzung größeren Maßstabs verhindert. Doch die Luft für die Unternehmen wird angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Baisse dünner. Den Verlust an finanzieller Substanz spiegelt die stark steigende Zahl an Firmenpleiten und Kreditablehnungen wider.

Keine spürbare Verbesserung in Sicht

16.650 Unternehmen haben laut der Wirtschaftsauskunft Creditreform im ersten Halbjahr Insolvenz angemeldet. Das waren 14 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Solche drastischen Steigerungsraten hat es bei den vorhergehenden Abschwüngen nicht gegeben. Creditreform macht dafür die Kombination aus Finanz-/Kreditkrise und Wirtschaftskrise verantwortlich. Parallel hat sich die Zahl der Kurzarbeiterstunden von Januar bis Juni mehr als verdreifacht - auf etwa 66.000 Stunden verteilt auf knapp 400 Unternehmen. Weil in absehbarer Zeit voraussichtlich keine spürbare Verbesserung eintritt, werden die Firmeninsolvenzen und Kurzarbeitsstunden weiter steigen und die Bereitschaft der Unternehmen, ihre Mitarbeiter zu halten trotz Bezuschussung, sinken. Und die IT und die hier beschäftigten Spezialisten? Sie sind mangels Unternehmensgeschäft in dieser Abschwungsphase mittendrin.

Zweifel an vorausschauender Personalarbeit

"Jetzt kommt es darauf an, ob die meisten Unternehmen wie bei der letzten, weit harmloseren Krise nur kurzfristig reagieren oder mit Bedacht und Weitsicht agieren", kommentiert Winfried Materna, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Materna und Ehrenpräsident der IHK zu Dortmund. In guten Zeiten wäre es einfach gewesen, Corporate Responsibility (CR) gegenüber der eigenen Mitarbeiterschaft herauszukehren. "In dieser Krise wird sich zeigen, wer CR tatsächlich lebt", sagt der Geschäftsführer.

Dies werde daran abzulesen sein, ob das Personal gehalten und weiter in die Ausbildung bestehender und neuer Mitarbeiter investiert werde - oder eben nicht. Wenn er auf die Börsen blickt, die unverändert gerade die großen Unternehmen zu hektischen Reaktionen verleiten, hat er seine Zweifel, ob diesmal eine vorausschauendere Personalpolitik betrieben wird. Dabei müsste es nach Materna im eigenen geschäftlichen Interesse der Unternehmenslenker liegen für ihre Mitarbeiter und deren Ausbildung etwas zu tun. Materna: "Denn motivierte, gut ausgebildete Mitarbeiter, die unternehmerisch denken, sind das eigentliche Kapital des Unternehmens und gerade in Krisenzeiten unverzichtbar."

Er warnt: "Wer diesmal übereilt handelt und Personal freisetzt, der wird wie schon nach der letzten Krise mit leeren Händen dastehen." Nur würden sich die Unternehmen dann einen Spezialistenmangel noch weniger leisten können, weil der Wettbewerb ungleich härter werde: "Hohe Staatsschulden und steigende Steuerlasten rund um den Globus werden in den meisten Branchen keine hohen Wachstumsraten zulassen." Für den Geschäftsführer steht deshalb außer Frage, dass nur Sozialethik und Nachhaltigkeit in der Personalpolitik durch die Krise und danach zum Ziel führen. Deshalb sieht er keinen Grund, an der bewährten Personal- und Ausbildungsstrategie seines Unternehmens etwas zu ändern.

Ob der Mittelstand seine Mitarbeiter in der Krise uneingeschränkt halten können wird, bleibt abzuwarten. Die s+p Software und Consulting hat daran Zweifel. Nach dem "s+p Trendindex Personalarbeit" planen über ein Drittel der mittelständischen Firmen in diesem Jahr Umstrukturierungen und Personalfreisetzungen. Das hat der Anbieter von Personalsoftware durch eine Umfrage bei mehr als 350 deutschen Personalverantwortlichen herausgefunden. 35 Prozent der Befragten gaben an, dass sie zurückhaltend oder gar nicht nach neuen Mitarbeitern suchen wollen. Ganz anders beim Themenkomplex Personalkostenplanung und -Controlling. Mehr als die Hälfte der Interviewten wollen als Antwort auf die Krise die Kostenzügel anziehen.