Kinder und zwei Karrieren

Organisation ist alles

13.08.2008
Von Anja Dilk und Heike Littger
Eltern, die beruflich nach oben wollen, brauchen den richtigen Arbeitgeber - und viel Disziplin. Dann klappt es auch mit der Work-Life-Balance.

Er klotzt ganztags in einem Softwareunternehmen, sie sucht als Vollzeit-Personalerin Topleute aus der IT-Branche. Er fegt morgens mit den Kindern zum Kindergarten, sie springt zwischendurch mit den Kleinen zum Arzt. Er will mehr Zeit für seine Kinder, aber die Karriere nicht an den Nagel hängen. Sie will Zeit für ihre Karriere, aber die Kinder nicht darunter leiden lassen.

Viele scheitern an dem doppelten Gleichklang oder wagen ihn gar nicht erst. Doch es gibt sie, auch in der IT-Branche: Paare, bei denen beide Partner eine erfolgreiche Berufslaufbahn mit einem erfüllten Familienleben verbinden. Menschen wie Birgit Oßendorf-Will, IT-Personalerin bei British Telecom Global Services in München, und ihr Mann, Fitnessberater und Personalcoach. Paare wie Astrid Elbe und Ralf Dietzel, sie Director Develoment bei Infineon, er Leiter der Steuerabteilung bei Nokia Siemens Networks. Was machen sie anders? Wie gelingt ihnen der Kraftakt mit Kindern und Karriere?

Nicht nur die Frauen stecken zurück

Weniger als ein Drittel der Unternehmen unterstützt Väter, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.
Weniger als ein Drittel der Unternehmen unterstützt Väter, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.

Die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) in Berlin hat im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung und des Bundesfamilienministeriums die bisher umfangreichste Untersuchung von Doppelkarrierepaaren mit Kindern in Deutschland herausgegeben. Knapp 1200 Frauen und Männer wurden teils persönlich in Fallstudien, teils online befragt. Beide Partner haben eine Fach- oder Führungsposition oder streben sie an, und sie haben in der Regel zwei oder mehr Kinder, leben häufig in einer Großstadt oder in der Nähe davon, sind im Schnitt zwischen Mitte dreißig und Mitte vierzig.

Die Studie "Kinder und Karrieren: die neuen Paare" zeigt: Beides zusammen ist nur mit einem ausgefeilten Betreuungssystem und vor allem partnerschaftlich zu stemmen. Obwohl die Doppelkarrierepaare der EAF-Studie stark berufs- und aufstiegsorientiert sind, wollen sie keine Karriere um jeden Preis, vor allem nicht auf Kosten der Kinder. Mit ihnen verschieben sich die Prioritäten. Die Paare nehmen Auszeiten oder reduzieren ihre Arbeitszeit, schlagen ein Angebot zunächst aus oder verzichten auf den Ortswechsel. Das Besondere an den Paaren ist: Es sind nicht automatisch die Frauen, die zugunsten der Kinder zurückstecken. Die Kunst besteht darin, immer wieder aufs Neue auszuhandeln, wer welche Stufe der Karriereleiter nimmt. In der Fallstudie gelang es 40 Prozent der Paare, sich die Auszeiten zu teilen, in der Online-Befragung waren es 15 Prozent. Diese Zahlen liegen über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 10,5 Prozent.

Der hohe Preis der zwei Karrieren

"Dass die Partner in beiden Welten - der beruflichen und der familiären - zu Hause sind, stärkt das gegenseitige Verständnis und stabilisiert die Partnerschaft", sagt Co-Studienleiterin und stellvertretende EAF-Geschäftsführerin Kathrin Walther. "Insofern überrascht es wenig, dass die Paare mit ihrem Lebensmodell, der Entwicklung ihrer Kinder und ihrer beruflichen Entwicklung sehr zufrieden sind. Die Familie stärkt ihnen den Rücken und ist ein wichtiger Ausgleich zum Berufsleben." Allerdings zahlen sie auch einen Preis: Die Organisation der Kinderbetreuung und das Zeit-Management werden als größte Herausforderungen gesehen, und die Hälfte der Mütter und Väter ist unzufrieden mit der eigenen Work-Life-Balance.

Knackpunkt für ihr Lebensmodell sind familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Und das heißt vor allem: Flexibilität. "Das hören wir von Führungskräften mit Kindern durch die Bank: Die wichtigste Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Topjob sind flexible Arbeitsmodelle", so Walther. "Nur dann kann man im Notfall mit den Kindern zum Arzt, das Schulfest besuchen oder von zu Hause arbeiten. Das ist umso wichtiger, je höher man in die Führungsetagen aufsteigt, wo weit über das tarifliche Maß hinaus gearbeitet wird. Ohne Zeitsouveränität in gewissen Grenzen, ad hoc oder langfristig, geht es dort nicht, wenn man sich um Kinder kümmern muss." Eine EAF-Studie über Mütter in Führungspositionen vor zwei Jahren ergab dasselbe Bild: Ob sie Vollzeit oder Teilzeit arbeiten, ist zweitrangig, weil sich der Stellenzuschnitt dadurch nicht ändert, sie dieselben Aufgaben erledigen müssen. Viel wichtiger ist die Flexibilität.