Open Lab Night an der Bauhaus-Uni Weimar

Spannende Grundlagenforschung in der Medieninformatik

28.07.2009
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Weimar ist mehr als "nur" Goethe und Schiller. Die Bauhaus-Uni (BUW) hat Deutschlands einzige Medienfakultät. Was deren Informatiker so alles drauf haben, zeigten sie Mitte Juli bei ihrer Open Lab Night.

Die COMPUTERWOCHE hatte die Gelegenheit, unter der ausgesprochen freundlichen wie fachkundigen Führung von Professor Matthias Maier im Rahmen des "mediengangs" einen Blick auf einige der interessantesten Forschungsarbeiten des Weimarer Studiengangs Medieninformatik zu werfen. Etliche davon, die sich mit Virtual/Augmented Reality und neuartigen 3D-Mensch-Maschine-Schnitstellen beschäftigen, lassen sich allerdings in Wort und (auch Bewegt-)Bild leider nur bedingt anschaulich wiedergeben. Wir glauben, dass wir trotzdem einige spannende Dinge gefunden haben (die Auswahl ist natürlich rein subjektiv).

Zum Beispiel das "AISearch"-Plug-in für den Browser Firefox. Es erleichtert die Internet-Suche, indem es die von Google gelieferten Ergebnis-Snippets über eine spezielle JavaScript-Bibliothek semantisch analysiert und kategorisiert - das geschieht rein auf dem Client. Die ermittelten Kategorien werden dann oberhalb der Ergebnisse eingeblendet; der Nutzer kann durch Anklicken einer Kategorie seine Suche sehr einfach sinnvoll verfeinern. Das funktionierte bereits in der gezeigten Mockup-Version überraschend gut; demnächst soll das Plug-in auch öffentlich zum Download bereitstehen.

Eine nicht nur für Wissenschaftler sehr praktische Anwendung ist "Netspeak". Der frei zugängliche Web-Dienst hilft Nicht-Muttersprachlern dabei, die richtigen Formulierungen im Englischen zu finden. Die Grundlage dafür bildet ein Korpus von 3,8 Milliarden Phrasen mit einer Länge von bis zu fünf Wörtern, den Google für das englischsprachige Web zusammengestellt hat. Wie Netspeak funktioniert, erläutert ein Screencast besser als 1000 Worte.

Sowohl mit Data-Mining- als auch mit Visualisierungsalgorithmen beschäftigt sich das Projekt "Visual Data Mining". Data-Mining-Verfahren kommen zum Beispiel beim Information Retrieval (Sortieren, Filtern und Ranken von Dokumenten) zum Einsatz. Beim Visuellen Data Mining kann der Benutzer direkt in den Data-Mining-Prozess eingreifen und interaktiv mit den Daten arbeiten.

In CAD-Anwendungen sind NURBS-Flächen das meist verwendete Grundprimitiv zur Modellierung von Objekten. Obwohl die mathematische Beschreibung einer NURBS-Fläche relativ einfach ist, ist die direkte Darstellung auf dem Monitor nicht trivial. Auf der Open Lab Night wurde ein neues Darstellungsverfahren für NURBS-Flächen gezeigt, das nicht wie üblich auf der Annäherung durch Dreiecksmodelle, sondern auf der direkten Darstellung mittels Ray-Casting-Algorithmen beruht. Ray Casting, auch als Strahlverfolgung bezeichnet, verfolgt virtuelle Lichtstrahlen von einer gedachten Kamera rückwärts durch jeden Bildpunkt in die Szene. Durch Ausführung der Berechnungen auf programmierbaren Grafikkarten lassen sich inzwischen auch komplexe NURBS-Modelle interaktiv darstellen, ohne auf Approximationen ausweichen zu müssen. Im August wird die dazugehörige Veröffentlichung mit dem Titel "Direct Trimming of NURBS Surfaces on the GPU” auf der weltweit größten Computergraphikkonferenz, der SIGGRAPH 2009, in New Orleans vorgestellt.

Dass HDTV nicht wirklich hochauflösend arbeitet, konnte man auf einem 2000 x 4000 Pixel auflösenden Spezialbildschirm für das Projekt "Multi-Large Image Rendering" in Augenschein nehmen. Hier wurde gezeigt, wie ein herkömmlicher PC (zugegeben mit Gaming-Grafikkarte) die gleichzeitige interaktive Visualisierung extrem hoch auflösender medizinischer Gewebe-Scans mit bis zu 100.000 x 100.000 px bewältigt. Zur Steuerung konnte man alternativ auch eine drahtlose Multi-touch-App auf einem iPhone verwenden.

Ebenfalls sehr praxisnah ist die Forschung an dem neuartigen 3D-Eingabegerät "Globefish". Es ermöglicht mit seinem greifbaren Trackball die direkte Kontrolle von 3D-Rotationen beispielsweise in CAD/DCC-Applikationen. Die größere "Spheron"-Variante ist speziell für Präsentationen im öffentlichen Raum und für Gruppen-Interaktionen konzipiert.