Preisfrage

Honorarratgeber für Freiberufler

01.06.2011
Wie viel muss ein IT-Selbständiger in der Stunde verdienen, damit er am Ende des Jahres nicht schlechter dasteht als sein festangestellter Kollege?

Die Honorare der Freiberufler sorgen immer wieder für Diskussionen: Vermittlungsagenturen und Kunden erscheinen sie als zu hoch, viele Freiberufler indes klagen vor allem in Krisenzeiten, dass ihre Stundensätze als erste in den Keller fallen. Zudem herrscht in der Preisfrage wenig Transparenz: Selbständige, die über eine Vermittlungsagentur an ihren Auftrag kommen, wissen in der Regel nicht, welchen Stundensatz die Agentur beim Endkunden berechnet und wie hoch die Marge für den Vermittler ist.

Wie Freiberufler ihren Stundensatz kalkulieren

Für viele IT-Profis, die sich selbständig machen, gilt die Faustregel: Sie müssen im Vergleich zu ihrem bisherigen Jahresgehalt als Angestellter den doppelten Umsatz erwirtschaften, um den hohen unternehmerischen Risiko gerecht zu werden. In der Praxis orientieren sich aber die wenigsten Freiberufler an den Angestelltengehältern, wie eine Umfrage der Vermittlungsagentur Jobhopper + Consulting GmbH aus Großhansdorf zeigt. Demnach richten 74 Prozent der Freiberufler die Höhe ihrer Honorare nach Dauer und Laufzeit des Projektes, der Entfernung des Projekts vom Wohnort und der Funktion (leitend oder nicht) aus. Die eigene Ausbildung fließt für jeden Zweiten in die Kalkulation mit ein ebenso wie die Frage, ob der Selbständige mit oder ohne Vermittler arbeitet. " Grundsätzlich orientieren sich viele an den marktüblichen Stundensätzen, den Honoraren von vergleichbaren Kollegen, ihrem persönlichen finanziellen Bedarf und der Wirtschaftslage. In guten Zeiten besteht eine hohe Nachfrage, und die verlangen mehr", sagt Jobhopper-Geschäftsführerin Susanne Braun-Speck.

Susanne Braun-Speck, Jobhopper: "Bei der Kalkulation von Honoraren sollten Freiberufler sich an Angestelltengehältern orientieren."
Susanne Braun-Speck, Jobhopper: "Bei der Kalkulation von Honoraren sollten Freiberufler sich an Angestelltengehältern orientieren."
Foto: Jobhopper Susanne Braun-Speck

Sie hat sich gefragt, wie ein Honorar am besten kalkuliert werden kann: " Für Erbsenzähler funktioniert die betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Methode: Errechne den privaten Finanzbedarf pro Jahr, lege dort die jährlichen Betriebskosten wie Personal, Auto oder Bürokosten, Urlaub, Krankheitszeiten, Rentenvorsorge, Steuern, etc. drauf und teile das Jahresergebnis in die möglichen Arbeitsstunden pro Jahr. Das Ergebnis ist sehr individuell, aber die Ausrichtung an Mitbewerbern und Markt fehlt." Auch könnten Kunden sagen: "Deine Kosten interessieren mich nicht!"

Wie viel Tage im Jahr kann der Freiberufler abrechnen?

Statt dessen empfiehlt Braun-Speck eine Kalkulation auf Basis von Angestelltengehältern: "Gegenüber Kunden ist er leicht transparent zu machen und trifft auf Verständnis, anstatt Abwehr." Verdient ein Softwareentwickler nach sechs bis acht Jahren in der Telekommunikationsbranche etwa 51.350 Euro im Jahr, kostet er dem Arbeitgeber 65.220 Euro pro Jahr. Darin eingeschlossen sind neben dem Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung auch freiwillige Leistungen wie Pensionsfonds oder vermögenswirksame Leistungen und Kosten für Weiterbildung. Doch wie viele Tage arbeitet ein Festangestellter im Jahr, so dass sich dieser Verdienst auf Tage beziehungsweise einen Stundensatz herunterrechnen lässt?

Braun-Speck geht nach Abzug von Urlaub, Feiertagen, Krankheit und Weiterbildung von 207 Arbeitstagen pro Jahr aus, demnach kostet der Softwareentwickler dem Unternehmen 315 Euro am Tag beziehungsweise 39,38 Euro in der Stunde. Dieser Tages- beziehungsweise Stundensatz wäre aber für einen Freiberufler deutlich zu niedrig, da er nur 137 Tage dem Kunden in Rechnung stellen (fakturieren) kann. Schließlich hat er nicht nur Leerlauf zwischen den Projekten, sondern muss auch Zeit für die Akquise neuer Auftraggeber aufwenden.

Zudem müsse der Freiberufler auf das Jahresgehalt des Angestellten Betriebskosten von 15.000 Euro draufschlagen, die für Büro, Auto oder eine Aushilfskraft anfallen. Schlussendlich komme man dann auf einen Jahresumsatz von 80.220 Euro, der heruntergebrochen einen Stundensatz von 73,19 Euro ergibt.

Beispielkalkulation: Wie viel muss ein freier Softwareentwickler verlangen, damit er gegenüber dem angestellten Entwickler nicht schlechter gestellt ist?

Angestellter mit 51.350 € Jahresgehalt

Freiberufler

Personalkosten für Arbeitgeber/

Jahresumsatz

65.220

80.220 ( davon 15.000 Euro Betriebskosten)

Arbeitsage pro Jahr/ fakturierbare Tage

207

137

Tagessatz

315,07 €

585,55 €

Stundensatz

39,38 €

73,19 €

Weiterbildung auf eigene Rechnung

Dass Externe dem Kunden auf den ersten Blick teurer kommen, ist in den Augen von Freiberufler Axel Dahmen logisch: "Im Gegensatz zu Festangestellten muss ich mich immer auf dem neuesten Stand der Technik halten und entsprechend Zeit und Geld investieren. Dafür erhält der Kunde Top-Leistung und kann mich jederzeit loswerden, wenn sein Bedarf gedeckt ist. Dieser Vorteil kostet nun mal etwas mehr."

Haben Freiberufler eine Strategie, um ihre Honorarvorstellung durchzusetzen? Laut Jophopper-Umfrage setzten 78 Prozent ihren Stundensatz auf Verhandlungsbasis fest und schauen sich dann die Projektbedingungen an. Zudem bilden sich 61 Prozent der befragten Freiberufler regelmäßig weiter, wie Diplominformatikerin Barbara Beenen, Sprecherin des Hamburger Arbeitskreises der Gesellschaft für Informatik: "Wir Freiberufler kümmern uns selbst um unsere Fortbildung. Der Aufwand dahinter ist für den Kunden jedoch nicht sichtbar - im Gegensatz zu dem Aufwand, den er für das Erreichen desselben Kenntnisstands bei seinen Mitarbeitern hat."