Karriere durch virtuelles Networking?

21.06.2007
Von Hans Peter Kistner
Business Networks können zu einem wichtigen Faktor für den Erfolg in der globalen Arbeitswelt werden. Aber nur wer mindestens zwei bis drei Stunden pro Woche dafür investiert, profitiert davon beruflich.

Dass Networking wie neudeutsch die Kontaktpflege genannt wird für die Karriere wichtig ist, braucht man nicht mehr weiter zu erläutern. Kein Wunder, dass Unternehmen wie Xing, die daraus ein Geschäft gemacht haben, mit 2,1 Millionen Mitgliedern erfolgreich agieren. Inzwischen hat sich das Angebot an so genannten Social Business Networks ausdifferenziert: Die einen arbeiten eher regional, andere wiederum möchten eine Plattform für bestimmte Gruppen bieten. Auch zur Finanzierung existieren unterschiedliche Strategien. Beim Marktführer Xing landet man, nimmt man die Sache ernster, über kurz oder lang bei den Premium-Kunden für etwa sechs Euro im Monat. Die Zugangsregeln sind ebenfalls unterschiedlich: Bei Linkedin kommt man nur auf Empfehlung eines Mitglieds hinein, bei Xing nahezu jeder.

Hier lesen Sie …

  • was Mitglieder eines Social Business Network mit ihrer Teilnahme anfangen;

  • wie viele Stunden wöchentlich man in die Pflege seiner sozialen Kontakte auf elektronischer Basis investieren sollte;

  • warum der Datenschutz dabei eine wichtige Rolle spielen kann.

Xing vermittelt jetzt auch Jobs

Auch die Netzwerke verändern sich und versuchen, neue Kunden zu gewinnen. Xing führte vor kurzem den "marketplace" ein, auf dem Jobs vermittelt werden, Theweps als Netzwerk für den Mittelstand sucht mit dem "International Students Club" neue Zielgruppen zu erschließen.

Die Netzbetreiber werben mit Begriffen wie "Business-Beschleuniger" oder den Hunderttausenden "Professionals" als Nutzern und winken mit potenziellen Kunden. Die Realität ist differenzierter. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Kommunikationswissenschaftlers Florian Renz zeigt, dass "auch auf einer Business-Plattform die Beziehungsgeflechte eher privater als geschäftlicher Natur sind", mit anderen Worten: Viele Nutzer verwalten Kontakte, über die sie sowieso verfügen, und denken dabei wenig an Umsatzgenerierung.

Peter Blenninger, Baaderbank: "Ich nutze das Business-Netzwerk, um schnell Informationen über neue Kollegen oder Dienstleister zu bekommen."
Peter Blenninger, Baaderbank: "Ich nutze das Business-Netzwerk, um schnell Informationen über neue Kollegen oder Dienstleister zu bekommen."

Eine weitere Gruppe nutzt das jeweils präsentierte Beziehungsgeflecht einfach zur Recherche. Peter Blenninger, Leiter Prozess-Management bei der Baader Wertpapierhandelsbank, ist dafür ganz typisch: "Immer wenn ich mit neuen Dienstleistern, Kollegen oder auch Praktikanten zu tun habe, prüfe ich deren Kontakte in Gulp oder Xing. Dann sehe ich sofort, mit wem ich es zu tun habe. Oder ich rufe bei einem gemeinsamen Bekannten an und hole mir dort meine Infos." Sonst nützt er wie viele die Netzwerke kaum, oder eben nur für private Zwecke, um den Werdegang Bekannter zu verfolgen. An diesem Beispiel ist übrigens klar erkennbar, dass der Übergang zwischen privater und geschäftlicher Nutzung fließend ist: Manchmal wird aus einem privaten Kontakt schnell ein gewinnbringend beruflicher, weil man sich einfach in der gleichen Branche bewegt.

Business Networks: Spielzeug oder Business-Tool?

Mehr als ein Drittel der befragten Fach- und Führungskräfte, die mit elektronischen, sozialen Netzen arbeiten, sind vom geschäftlichen Nutzen nicht überzeugt (Quelle: Dr. Haffa & Partner).
Mehr als ein Drittel der befragten Fach- und Führungskräfte, die mit elektronischen, sozialen Netzen arbeiten, sind vom geschäftlichen Nutzen nicht überzeugt (Quelle: Dr. Haffa & Partner).

Dass Business-Netzwerke mehrere Funktionen erfüllen, wird auch durch eine Untersuchung der Kommunikationsagentur Dr. Haffa & Partner gestützt: Die Online-Umfrage unter rund 70 ausgewählten Mitgliedern eines Experten-Panels ergab, dass mehr als ein Drittel in derartigen Netzwerken keinen echten Geschäftsnutzen sieht und über ein Fünftel sich selbst eher als "Karteileiche" bezeichnet. Dennoch ist die Akzeptanz hoch: Über 80 Prozent sind Mitglied einer oder mehrerer Netzwerkplattformen. Überraschend ist das Resümee: "Business-Netzwerke sind eher Spielzeug als Business-Tool." Überraschend deshalb, weil auf der anderen Seite das Ergebnis der Untersuchung gar nicht so schlecht ausfällt. Denn mehr als 20 Prozent der Befragten gaben an, dass sie "über Business-Netzwerke wichtige Menschen kennen lernen und interessante Geschäftskontakte knüpfen können".

Eine gut gepflegte Präsenz mit einem hohen Aktivitätsindex und vielen Kontakten, dazu ein regelmäßiges Engagement in spezialisierten Foren führt tatsächlich zum Erfolg. IT-Fachjournalistin Regina Müller** wurde von Kunden über die Suchfunktion eines Netzwerkes gefunden und konnte so einen wertvollen Kontakt zu einer Agentur aufbauen, Event-Managerin Margot Fürmann** wurde bei einer Bewerbung für einen Auftrag freundlich begrüßt: "Wir haben Ihre Daten gecheckt, Geschäftsführer X und Abteilungsleiter Y gehören zu Ihren Kontakten, das reicht uns!"

Tipps für den Einstieg

An Xing.com kommt in Deutschland aufgrund der Menge an Mitgliedern vorerst kaum jemand vorbei. Konkurrent Linkedin.com mit über zehn Millionen Mitgliedern plant seit längerem auch ein deutsches Angebot. Neu in Deutschland ist viadeo.com, bisher stark vor allem in Frankreich. Mycorners.com ist ein relativ neues Angebot mit im Vergleich wenigen Mitgliedern. Ein leider nicht immer aktuelles Verzeichnis regionaler und kleinerer Netzwerke findet man auf http://www.erfolgreichnetzwerken.de, dort auch speziell Netzwerke für Frauen. Für den Mittelstand und Existenzgründer lohnt sich ein Blick auf theweps.com.

Die Prognosen für Social Networks sind positiv. Einer der Gründe ist sicher der Erfolg der Netzwerke bei jüngeren Menschen. Es spricht alles dafür, dass in den kommenden Generationen jedes Entwicklungsalter von der Mitgliedschaft in einem passenden Netzwerk begleitet wird: Erst ist man in "Knuddels" oder "habbo", oder den "Localisten", später im studentischen Netzwerk "studivz", dann landet man, aus Interesse an der beruflichen Karriere, zum Beispiel bei Linkedin. Sogar Netzwerke für die "Silver Surfer" ab 50 aufwärts gibt es schon. Mit der wachsenden Bedeutung des Internets wächst die Rolle der zweiten, "virtuellen" Existenz im Netz.

Netzwerken ist wichtig, aber …

Eine Recherche zum Beispiel unter Xing-Netzwerkern zeigt allerdings auch: Eine große Gruppe der Teilnehmer ist zwar in irgendeiner Form präsent, pflegt aber den Auftritt kaum - der "Aktivitätsindex" weist sofort darauf hin. Die Gründe sind vielfältig: Manche setzen lieber auf die bewährten Offline-Kontakte. Jan Kurschewitz von Aysberg Web Development: "Für mich sind direkte Kontakte gewinnbringender, als sie in einer Riesen-Community zu streuen." Noch häufiger wird das Zeitproblem angeführt. Die Kontaktpflege, die Präsenz in den Foren, die Aktualisierung des Auftritts verursachen einen gewissen Aufwand. Da sind pro Woche schnell mal zwei oder drei Stunden investiert, die neben der laufenden Arbeit aufgebracht werden müssen.

Schließlich ist es auch eine Frage des Typs: Dem einen liegt eher die Welt der unter Soziologen so genannten "Weak Ties", der eher zweckorientierten oder oberflächlichen zu großen Gruppen. Der andere ist der Typ der "Strong Ties", der in einer kleinen, sorgfältig ausgewählten Gruppe sozial engagierte, tiefer gehende, weniger funktional orientierte Kontakte pflegt.

Kritischer Datenschutz

Ein Aspekt bleibt bei all der Netzwerkerei doch problematisch: Man überlässt eine Menge Informationen einem privaten Unternehmen. Auskünfte über den beruflichen Werdegang, die Kontakte und weitere biografische Daten können in der Summe sehr sensibel sein, ihre jahrelange Archivierung ist nicht immer erwünscht. So manch einer der Befragten lehnt deshalb die Teilnahme an Online-Netzwerken kategorisch ab und vertraut auf die Pflege der Offline-Kontakte. Vor kurzem kündigte Lars Hinrich, Gründer und CEO von Xing, außerdem die Entwicklung von Schnittstellen für das Netzwerk an, um für die Nutzer neue Services zu ermöglichen.

Einige Netzwerke haben mittlerweile eine solch kritische Größe erreicht, dass es für bestimmte Berufsgruppen einfach zum Standard werden kann, dort präsent zu sein. Inzwischen sprechen Wissenschaftler schon, ähnlich wie beim "Information Gap", also dem Graben zwischen Internet-Nutzern und "Offlinern", vom "Networking Gap". Wer kein "Multilevel-Networking" beherrscht, also neben den traditionellen Formen zusätzlich in Business-Netzwerken präsent ist und eventuell die dort organisierten realen Treffen besucht, hat es künftig schwerer. Kommunikationswissenschaftler Florian Renz fasst zusammen: "Menschen, die kein Mehr-Ebenen-Networking betreiben, werden in Zukunft zwangsläufig gehandicapt sein." (hk)