China

Lesen zwischen den Zeichen

09.08.2006
Von Gina Hardebeck
China ist anders. Nur wer gründlich vorbereitet und bereit ist, sich auf Land und Leute einzulassen, hat eine Chance, erfolgreich zu agieren.
Gerald Reiser, IDS Scheer: 'Eine detaillierte Planung im europäischen Sinne ist in China nicht sinnvoll."
Gerald Reiser, IDS Scheer: 'Eine detaillierte Planung im europäischen Sinne ist in China nicht sinnvoll."

Kaum ein Markt für Informationstechnologie soll in den kommenden Jahren so stark wachsen wie der chinesische. Bereits jetzt ist das Reich der Mitte für ein Drittel der gesamten Ausgaben für Informations- und Kommunikationstechnik in ganz Asien verantwortlich.

Hier lesen Sie ...

- was europäische IT-Spezialisten in China berücksichtigen müssen;

- welche besonderen Fähigkeiten IT-Projektleiter in Asien mitbringen müssen;

- welche Erfahrungen europäische IT-Manager in China gemacht haben.

"Alles in China ist ständig im Fluss. Was heute gilt, kann morgen völlig anders sein." Gerald Reiser, Senior Vice President Business Development China bei der IDS Scheer AG betreut seit vier Jahren IT-Projekte mit den Schwerpunkten Geschäftsprozess-Management und ERP-Implementierung in China. "Eine detaillierte Planung im europäischen Sinn ist in vielen Projekten in China nicht sinnvoll", so Reiser. Denn bei deutsch-chinesischen IT-Projekten trifft oftmals chinesische Aufbruchstimmung auf deutsche Planungsliebe.

Dies kann auch Annegret Sonnenberg, Leiterin Global Diversity Project bei der SAP AG, bestätigen: "Projekte werden in China viel kürzer terminiert als in Deutschland. Planungszyklen von fünf Jahren, wie sie in Deutschland vorkommen können, sind undenkbar. Dafür ist China zu sehr in Bewegung und das Alltagsgeschäft zu wenig planbar."

"Nein" ist nicht gleich "nein"

Viele internationale IT-Unternehmen sehen sich in China mit Unterschieden in der Kultur konfrontiert, die sich in Management-Stilen, Haltung gegenüber Vorgesetzten, der Teilnahme an Entscheidungen oder durch eine unterschiedliche Auffassung von Teamwork ausdrücken können. Aber auch die vielfältigen Arten, Zustimmung oder Ablehnung zu signalisieren, können für Verwirrung sorgen.

So birgt ein klares "Nein" im chinesischen Verständnis die Gefahr, dass es auch als Zeichen persönlicher Abneigung aufgefasst werden kann. Chinesen versuchen daher häufig auf nonverbalem oder indirektem Weg abzulehnen. Sie wechseln beispielsweise das Thema, machen Gegenvorschläge oder, was seltener vorkommt, verlassen den Raum, um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Diese indirekte Art und Weise "Nein" zu sagen, kann die Kommunikation für "geradlinige" deutsche Kollegen oder Partner erheblich erschweren.

Ein Beispiel, das die Feinheiten der chinesischen Sprache verdeutlicht, nennt Wolfgang Maag, Gründer der auf Prozess-Management spezialisierten Abbex Group aus Ulm und seit fünf Jahren beruflich in Asien tätig: "Da der chinesische Übersetzer bei Vertragsverhandlungen eine chinesische Formulierung, trotz richtiger formaler Übersetzung, in einem anderen Zusammenhang gesehen hatte, waren die Gespräche ins Stocken geraten. Ein einziges chinesisches Zeichen war entscheidend für eine halbtägige Unterbrechung und hätte fast zum Scheitern von Vertragsverhandlungen geführt."