Technische Voraussetzungen für flexible Arbeitsgestaltung längst gegeben

Arbeiten ohne Stechuhr - Ergebnisse statt Stunden zählen

09.01.2008
Von pte pte
Flexible und ortungebundene Büroarbeit soll schon bald zur Norm werden. Das behauptet zumindest die aktuelle Studie "Flexible Working 2007" von Johnson Controls Global Work Place Solutions. Mehr als 60 Prozent der 200 internationalen Studienteilnehmer arbeiten nämlich bereits jetzt regelmäßig an verschiedenen Orten - im Büro, zu Hause oder unterwegs.

Im Vergleich zum Jahr verbrachten die im Auftrag von Johnson Controls Befragten in 2007 weniger Arbeitszeit im Unternehmen (18 Prozent), dafür mehr Zeit im Eigenheim-Büro (36 Prozent) sowie beim Kunden oder auf Reisen (46 Prozent). Der klassische Nine-to-Five-Job passt folglich kaum mehr in die schöne neue Arbeitswelt. "Bisher stand für Arbeitnehmer vor allem die freie Zeiteinteilung im Vordergrund. Die aktuelle Studie von Johnson Controls zeigt hingegen, dass die flexible Wahl des Arbeitsumfeldes zunehmend wichtiger wird", kommentierte Paul Barlett, Vorsitzender des Office Productivity Network, die Resultate der Befragung. Das Büro werde vorwiegend zum Ort der Interaktion, an dem Mitarbeiter sich austauschen und zusammenarbeiten. Gleichzeitig reiche es nicht mehr aus, Mitarbeitern "nur" einen Büroarbeitsplatz im Unternehmen bereitzustellen.

"Die technischen Voraussetzungen für räumlich und zeitlich flexibles Arbeiten sind durch die moderne Telekommunikation gegeben. Wer die besten Köpfe für sein Unternehmen gewinnen will, muss ihnen mehr bieten als nur eine angemessene Bezahlung. Dazu gehört auch ein möglichst flexibles Arbeitsumfeld", sagt der Personalexperte Marc Emde, Geschäftsführer der Kirch Personalberatung in Köln. Zudem komme dieses Modell berufstätigen Müttern und Vätern entgegen. Allerdings verhindere eine konservative, ja starre Kultur in manchen Unternehmen, dass Telearbeit oder Gleitzeitmodelle auch wirklich zum Einsatz kommen würden.

In einer globalisierten Arbeitswelt müssten sich auch die Arbeitszeiten internationalen Standards anpassen, so Emde. "In Europa klammern sich einige noch viel zu stark an die 35-Stunden-Woche oder den geregelten Arbeitstag von neun bis 17 Uhr. Das gehört der Vergangenheit an. In den Vereinigten Staaten geht man teilweise schon viel radikalere Wege", weiß der Personalexperte. Er verweist auf den größten amerikanischen Elektronikhändler Best Buy, den die Wochenzeitung "Die Zeit" als das "Kaufhaus der Freiwilligen" beschrieben hat. Dort gibt es weder vorgeschriebene Stundenzahlen für die Beschäftigten noch Anwesenheitspflicht bei Besprechungen und auch keine Kernzeit. "Statt Stunden nachzuweisen, zählt nur das Ergebnis: erledigte Aufgaben, abgearbeitete Projekte", schreibt Zeit-Autorin Heike Buchter.

"So ganz schlecht scheint das Unternehmen damit nicht zu fahren", meint Emde. "Schließlich erwirtschaftete die Elektronikkette im dritten Geschäftsquartal 2007 einen satten Gewinn. Es ist ja auch ein Trugschluss, dass Arbeiten ohne Kernzeit und Stechuhr weniger produktiv oder leistungsbezogen sei. Ganz im Gegenteil: Die Führungskräfte haben in einem solchen System die Aufgabe, ihre Mitarbeiter anhand der tatsächlich geleisteten Arbeit zu beurteilen. Entscheidend ist die Produktivität, und nicht, ob von neun bis fünf die Schreibtischlampe brennt."

Die Arbeitsmarktpolitik von Bundesregierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden hat nach Auffassung des Dienstleistungsexperten Michael Müller diese neue Lebenswirklichkeit noch nicht erfasst. "Vor allen Dingen der Einstieg in die digitale Ökonomie hat Menschen und Märkte verändert, Ansprüche an Produkte und Service individueller gemacht. In einer von so genannten E-Lancern beherrschten Ökonomie wandelt sich die Rolle des Wirtschaftsmanagers, der nichts mehr gemeinsam hat mit dem Industriekapitän vergangener Tage. An die Stelle eines Unternehmens industrieller Prägung tritt ein Netz von freischaffenden und weitgehend selbstbestimmten Arbeitskräften, die über die gesamte Welt verstreut und auf elektronischem Wege verbunden zusammenarbeiten können", meint Müller, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters a&o. Und hier werde nach Leistung bezahlt und nicht nach Löhnen und Arbeitszeiten, die Tarifkartelle am grünen Tisch festlegen. (pte)