Outsourcing: Verlängern oder neu ausschreiben?

17.01.2007
Von Lars Schwarze und Tobias Schmidt
Viele Outsourcing-Deals laufen in Kürze aus. Für die Anwender ergeben sich damit neue Möglichkeiten.

Viele Outsourcing-Verträge laufen in nächster Zeit aus. Studien zufolge wird damit in den kommenden zwei bis drei Jahren ein Vertragsvolumen von weltweit bis zu 100 Milliarden Dollar frei.

Hier lesen Sie ...

  • welche Möglichkeiten der Kunde hat, wenn sein Outsourcing-Vertrag ausläuft;

  • welche Option sich jeweils anbietet;

  • welche Vor- und Nachteile die Möglichkeiten bieten;

  • und warum vor allem Multi-Sourcing im Trend liegt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen. Welche die beste ist - ob Vertragsverlängerung, Multi-Sourcing oder Neuausschreibung - hängt von mehreren Faktoren ab. Grundsätzlich sollten sich Anwender jedoch frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen, um sich möglichst viele Optionen offen zu halten.

Vergleichsweise einfach umzusetzen ist die Vertragsverlängerung: Da sie auf den bestehenden Leistungsvereinbarungen basiert, ändert sich an Art und Umfang der ausgelagerten Services nichts. Nur der Preis wird den aktuellen Verhältnissen angepasst. Um zu prüfen, ob der vom Provider vorgeschlagene Preis marktgerecht ist, sollte der Kunde ein konkurrierendes Angebot einholen, was auch als "Proxy-Bid" bezeichnet wird. Sinnvoll ist zudem, die Leistungen des Betreibers abschließend zu analysieren und zu bewerten. Auf Basis dieser Ergebnisse sollten die Service-Level-Agreements (SLAs) und das Reporting gegebenenfalls neu geregelt werden.

Ein entscheidender Vorteil der Vertragsverlängerung besteht darin, dass der Betrieb in der Regel ohne Unterbrechung weiterläuft, was beim Wechsel zu einem anderen Provider kaum möglich ist. Darüber hinaus kann das während der Vertragslaufzeit erworbene Know-how dem Kunden entscheidende Effizienzsteigerungen bringen. Und schließlich ist die Verlängerung im Regelfall wenig riskant und schneller umzusetzen als andere Alternativen.

Allerdings besteht die Gefahr eines so genannten Vendor Lock-in. Gemeint sind Maßnahmen, die der Provider ergreift, um den Wechsel des Kunden zu einem anderen Anbieter zu erschweren. Generell muss sich der Anwender darüber im Klaren sein, dass der bestehende Betreiber seine Verhandlungsposition kontinuierlich zu verbessern versucht. Zu bedenken ist zudem, dass der IT-Dienstleister über die Vertragslaufzeit hinweg an Innovationskraft verlieren kann. Grundsätzlich kommt eine Vertragsverlängerung nur in Frage, wenn der Kunde mit den Leistungen des IT-Dienstleisters zufrieden ist. Entscheidend ist zudem eine gute Beziehung zwischen den beiden Vertragspartnern. Auch das Risiko, dass der Betreiber ein Monopol ausnutzt, sollte möglichst gering sein.

Sehr verbreitet ist die Multi-Sourcing-Strategie, die sich insbesondere nach dem Auslaufen eines Full-Outsourcing-Vertrags anbietet: Die Leistungen werden gestückelt, die einzelnen Services in mehreren Ausschreibungen angeboten und an verschiedene Betreiber vergeben. Der Vorteil: Der Anwender kann die monopolistische Position eines Betreibers zerschlagen und die Vertragspartner zu einem ständigen Wettbewerb zwingen. Zudem können Unternehmen mit dieser Strategie, auch Nischenanbieter oder regional aufgestellte Player engagieren.

Dadurch verteilt sich das Outsourcing-Risiko auf mehrere Anbieter, ein Vendor Lock-in ist ausgeschlossen. Zum anderen wirkt sich die permanente Konkurrenz zwischen den Betreibern meist positiv auf den Preis sowie auf die Innovationskraft, Flexibilität und Qualität des Auslagerungsvorhabens aus. Aus diesen Gründen liegt Multi-Sourcing im Trend: Einer Deloitte-Studie zufolge haben bereits 73 Prozent der Unternehmen mehr als einen Anbieter unter Vertrag. Das Gros dieser Anwender hat nicht die Absicht, jemals wieder einen Exklusivvertrag abzuschließen.

Multi-Sourcing im Trend

Die Kehrseite der Medaille: Durch die hohe Anzahl an Verträgen steigt die Komplexität und damit auch der Management- und Integrationsaufwand. Erschwert wird die Situation dadurch, dass es kaum Standards und Prozesse gibt, die auf die Verwaltung und Kontrolle von mehreren Betreibern abgestimmt sind. Vor diesem Hintergrund setzt Multi-Sourcing ein gutes Management voraus.

Mehr als zwei Drittel der im Jahr 2000 in Europa unterzeichneten Verträge laufen demnächst aus. Viele davon sollen erneuert oder teilweise erweitert werden.
Mehr als zwei Drittel der im Jahr 2000 in Europa unterzeichneten Verträge laufen demnächst aus. Viele davon sollen erneuert oder teilweise erweitert werden.

Die Outsourcing-Erfahrungen können auch zu dem Entschluss führen, ausgelagerte Services wieder ins eigene Unternehmen zu integrieren. Meist handelt es sich um ein selektives Backsourcing, bei dem einzelne ausgelagerte IT-Dienstleistungen zurückgeholt werden. Wichtig ist, dass diese Maßnahme nicht so teuer und aufwändig ausfällt, wie es etwa beim Wiederaufbau eines Rechenzentrums der Fall wäre. Grundsätzlich sollten die benötigten Kompetenzen schon vor dem eigentlichen Backsourcing zur Verfügung stehen, damit der laufende Betrieb während des Übergangs nicht gestört wird.

Kunden, die sich für die Zurückführung von bislang extern erbrachten IT-Services entscheiden, sind entweder mit dem Auslagern an sich oder mit der Leistung des jeweiligen Betreibers unzufrieden, oder sie stoßen sich an Kostenüberschreitungen. Weitere Gründe sind Veränderungen der Geschäftsstrategie oder ein gestiegenes Vertrauen in die Fähigkeit, die IT mit eigenen Mitteln effizienter zu betreiben. Auch die Angst vor Kontrollverlust oder die Erkenntnis, dass die IT eine Kernkompetenz darstellt, können Firmen zum Backsourcing veranlassen.

Dementsprechend hängen die Vorteile dieser Strategie weitgehend von den jeweiligen Beweggründen der Anwender ab. Bei unternehmenskritischen Leistungen etwa gewinnt der Kunde die Kontrolle zurück und kann die restlichen Services an mehrere Anbieter ausschreiben, um von einem Best-of-Breed-Ansatz zu profitieren. Hält sich der Kunde dagegen mit Recht für fähig, die IT intern effizienter zu betreiben, lassen sich durch Backsourcing die Kosten senken. Allerdings werden die internen Ressourcen oft überschätzt - und die erhofften Einsparungen oder Verbesserungen bleiben aus. Ein Nachteil besteht auch darin, dass der Anwender Personal und Infrastrukturen wieder aufbauen und die entsprechenden Kosten tragen muss.

Eine weitere Option bei Vertragsende ist die Neuausschreibung. Hier werden bestehende Services entweder in ihrer ursprünglichen oder in einer angepassten Form neu ausgeschrieben. Ein Kunde, der diese Option wählt, ist entweder mit der Leistung des momentanen Betreibers nicht zufrieden, oder er beabsichtigt, einen künstlichen Wettbewerb zu erzeugen, um preisgünstigere beziehungsweise innovativere und bessere Angebote zu erhalten. Allein schon das Signal des Anwenders, bei Bedarf den Betreiber zu wechseln, kann den gegenwärtigen Anbieter zu höheren Leistungen anspornen.

Unkooperative Anbieter

Allerdings kann es auch vorkommen, dass der momentane Betreiber, der ja einen Wissensvorsprung gegenüber seinen Konkurrenten hat, sich bei einem Anbieterwechsel unkooperativ verhält. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass die Konkurrenz die bisherigen Preise unterbietet, um den Vertrag zu gewinnen, dann aber nicht die vereinbarte Qualität liefert.

Eine andere Möglichkeit, Services neuen Anforderungen anzupassen, sind Umstrukturierungen, die unabhängig von der Vertragslaufzeit in Angriff genommen werden können und damit eine Sonderrolle spielen. Anlass ist meist ein Wechsel in der Geschäfts- oder IT-Strategie. Auch bei dieser Option können konkurrierende Angebote dazu dienen, bessere Preise für die neu definierten IT-Services zu erzielen. Eine Umstrukturierung - insbesondere wenn sie auf eine Vertragsverlängerung hinausläuft - setzt voraus, dass der Kunde mit den Leistungen seines Partners zufrieden und die Beziehung insgesamt intakt ist.