CIO-Agenda 2008: Manchmal fehlt die Risikobereitschaft

22.10.2007
Der CIO (Chief Information Officer) kann im Unternehmen die Rolle des IT-Betreibers oder die des geachteten Strategen einnehmen. Entscheidend ist, welche Freiheiten er bekommt und welchen Mut zur Innovation der CIO aufbringt.

Für Reynold Lewke ist jeder gute CIO auch ein Stratege und Innovator. Als Headhunter, der weltweit die besten CIOs vermittelt, weiß der Principal der Personalberatung Egon Zehnder International, worauf es ankommt. "Innovation ist gleich Risikobereitschaft", sagte Lewke im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE. Und in Deutschland sei die Risikobereitschaft unter IT-Managern weit weniger ausgeprägt als unter den US-Kollegen.

CIO-Agenda - die Serie

Teil 1: Manchmal fehlt die Risikobereitschaft

Teil 2: Innovation braucht ein solides Fundament

Teil 3: Wie die IT zum Change Agent wird

Teil 4: "Hinter dem Wiki wird es dunkel"

Hintergrund: Die Methode der Syntegration

"Das gilt aber nicht für die Manager, die heute hier sind", würdigte Lewke augenzwinkernd die Teilnehmer der Veranstaltung "CIO Agenda 2008" in Zürich. Dort stand nur eine Frage im Mittelpunkt: "Welchen Beitrag kann die IT zur Innovation im Unternehmen leisten?" 25 CIOs aus deutschen Konzernen stellten sich dem Thema und begaben sich für zweieinhalb Tage in Klausur, um systematisch zu erarbeiten, wie ihr Innovationsbeitrag im Unternehmen aussehen kann. Auch im vergangenen Jahr hatten sich hochkarätige IT-Manager zu einer vergleichbaren Veranstaltung zusammengefunden und sehr erfolgreich ihre Agenda für das Jahr 2007 entworfen. Lesen Sie alles dazu hier.

Personaberater Reynold Lewke zieht die CIO-Audienz in seinen Bann.
Personaberater Reynold Lewke zieht die CIO-Audienz in seinen Bann.
Foto: Wendler

Lewke stimmte die CIOs in seiner Eröffnungsrede ein, indem er deutlich machte, was die "Key Performance Indicators" für einen CIO sind. Demnach wandelt sich die Rolle in fortschrittlicheren Unternehmen von einem "Funktions- zu einem Transformations- Verantwortlichen mit Business-Know-how". In konservativen Firmen stehe allein der reibungslose Betrieb der IT im Vordergrund, entsprechend eingeschränkt sei die Management-Verantwortung des CIO.

Lewke schmückte die künftige Rolle des IT-Verantwortlichen als die eines "Business-Strategen" aus, der sich auf die Unternehmensstrategie, auf Innovation und Differenzierung im Wettbewerb konzentriere. Heute seien noch viele IT-Manager auf operationale Aufgaben fokussiert, doch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Business spiele eine zunehmend wichtige Rolle, ebenso die Analyse und Transformation der Kernprozesse im Unternehmen. Je weiter der CIO in diese Aufgabe hineinwachse, desto mehr entwickele er sich zum Strategen - durchaus mit Ambitionen auf eine Position im Vorstand.

Der CEO entscheidet

Am Ende sei die Führungsspitze dafür verantwortlich, welche Kompetenzen ein CIO habe, so Lewke: "Der Typ des CEO entscheidet darüber, welche Rolle der CIO spielt." Basierend auf Tausenden von Untersuchungen hat Zehnder International sieben typische Haltungen des Chief Executive Officer (CEO) zur IT identifiziert:

  • Der "Atheist" will am wenigsten mit IT zu schaffen haben. Er glaubt nicht an Chancen durch gezielten IT-Einsatz und macht aus seinem Zweifel auch öffentlich keinen Hehl.

  • Kaum aufgeschlossener ist der "Agnostiker", der zwar widerwillig einräumt, dass IT unter Umständen strategisch wichtig sein könnte, aber letztendlich immer wieder überzeugt werden muss.

  • Auch der "Pharisäer" ist weit verbreitet: Zwar stützt er die Idee, dass IT strategisch wichtig ist, aber sein Handeln läuft dieser Erkenntnis permanent zuwider.

  • Der "Zauderer" akzeptiert zögerlich die strategische Wichtigkeit der IT, ohne sich aber selbst in die zentralen Fragestellungen involvieren zu lassen.

  • Anders der "Eiferer": Er ist von der strategischen Bedeutung der IT überzeugt und sieht sich selbst als Autorität in IT-Fragen, weshalb er sich überall einmischt.

  • Auch der "Monarch" kennt die Chancen, die IT im besten Falle bietet. Er ernennt den aus seiner Sicht optimalen CIO und zieht sich dann in den Hintergrund zurück.

  • Die höchste Stufe, die ein CEO in Sachen IT-Bekenntnis erreichen kann, ist die des "Believer". Er glaubt fest an die strategischen Vorteile durch IT und demonstriert diese Einsicht Tag für Tag durch sein Verhalten.

Als leuchtende Beispiele für Konzerne, in denen IT diese herausragende Rolle spielt, nannte Lewke Google, Reuters, British Telecom, Morgan Stanley, Allied Domecq und andere. Im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE hob er explizit das Beispiel des Glasfaserspezialisten Corning hervor, der nach einer Hochphase zur Jahrtausendwende immer weiter abgerutscht war. Doch dann habe das Unternehmen "IT in den Vorstand gebracht", so der Zehnder-Berater. "Sie haben begriffen: Wir müssen IT verstehen, wenn wir gewinnen wollen." Inzwischen ist Corning wieder auf dem aufsteigenden Ast.

Innovationskultur

IT als Zopf, an dem sich Unternehmen aus dem Sumpf ziehen können? Als Brutstätte für innovative Ideen, die zu Wachstum und Wohlstand führen? Die Veranstaltung in Zürich zeigte, dass Wunsch und Wirklichkeit noch weit auseinanderklaffen. "In den meisten Unternehmen gilt für die IT der Grundsatz: Wer nicht liefert ist tot!", brachte Andreas Resch, CIO der Bayer AG, die zentrale Forderung der meisten Vorstände auf den Punkt. An erster Stelle steht der reibungslose Betrieb. Um Wandel, Innovation und Transformation gehe es auch - aber erst, wenn diese Hausaufgaben erledigt seien.

In insgesamt zwölf Sessions diskutierten die CIOs über Innovation. Im Workshop "Innovationskultur", in dem es um die Verankerung des Themas im Unternehmen ging, kam ein CIO den Vorstellungen des Zehnder-Beraters sehr nahe: "Die IT kann sagen, wie die Prozesse besser laufen. Mich interessiert aber die Frage, wo die IT echte Innovationen auf der Geschäftsseite initiieren kann. Wo entsteht etwas, das vorher nicht existiert hat? Etwas, das über das Tagesgeschäft hinausgeht?"

Die Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass es in den Unternehmen sowohl an Raum als auch an Budget für Innovationen mangelt. "Wir geben unseren Leuten zu wenig Zeit und Gelegenheit, innerhalb und auch jenseits der Produkt-Roadmaps von Microsoft und SAP eigene Ideen zu entwickeln", sprach Karl Pomschar, CIO der Münchner Qimonda AG, für die Gruppe. Das Team entwickelte eine Reihe von Ideen, wie es gelingen könne, eine Innovationskultur zu etablieren.

Auf den Tisch kam der Vorschlag, innerhalb der IT die Position des Innovations-Scouts zu installieren, der vom Tagesgeschäft freizustellen sei. Auch könne es sinnvoll sein, Innovationskonferenzen zu etablieren, die zu festen Terminen stattfinden und in denen jeder seine Ideen einbringen kann. Allerdings, so stellte Dietmar Schröder, CIO der Techniker Krankenkasse aus Hamburg, fest, können solche Veranstaltungen ihre Tücken haben. "Sie werden sehen, einige Mitarbeiter tragen nichts bei, weil sie fürchten, ihre Idee selbst umsetzen zu müssen", warnte der CIO.

Also gilt es, Anreize für Innovationsleistungen zu schaffen. So kam der Vorschlag auf, den IT-Mitarbeitern nach dem Vorbild von Google einen kleinen Teil ihrer Arbeitszeit zur freien Verfügung zu stellen, damit sie unabhängig von Projekten und Konferenzen Dinge entwickeln und ausprobieren können. Auch lohne es sich möglicherweise, Preise für besondere Innovationen auszuloben. Motivation entstehe zudem, wenn die Erfolge herausgestellt würden – und seien sie auch noch so klein.

Wer innovativ sein will, braucht Geld - das Budget wurde zwangsläufig auch zum Gegenstand der Diskussion. Das Team schlug vor, einen nicht nur "symbolischen" Teil des Budgets für "Vorhaben ohne expliziten Business-Case" zur Verfügung zu stellen. Wichtig sei, dass mit diesem Geld frei jongliert werden könne. Mittel ließen sich ferner freischaufeln, indem Schulungen umgewidmet würden: Weiterbildung gibt es nur noch zu Themen, die inspirierend wirken, einfache Trainings werden durch die Lektüre von Handbüchern ersetzt.

Dass Web-2.0-Ideen wie Social Networking und kollektive Intelligenz längst in CIO-Kreisen Einzug gehalten haben, zeigte die Diskussion deutlich: Wie mehrfach erwähnt wurde, müssen die IT-Bereiche über den Tellerrand des eigenen Unternehmens hinausblicken. "Abgucken ist keine Schande", lautete das Postulat des Teams, warum also nicht die in Sachen Innovation vorbildlichen Unternehmen analysieren und ein "ideales Referenzmodell" erstellen? Bewährt haben sich auch Ausflüge in die Entwicklungs-Labors der großen Lieferanten. Der Blick in die Hexenküche hilft, Trends frühzeitig zu erkennen und sich gegebenenfalls vorzubereiten.
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