Mit BPEL zum Real Time Enterprise: AIDA Cruises setzt bei Reservierungssystem auf SOA

13.11.2007
Von Walter Liedtke
Auf dem Weg zum Real Time Enterprise steuert Aida die für Reservierungsdaten zuständigen Systeme über die Business Process Execution Language (BPEL), so dass die Informationen jederzeit aktuell bei der Schiffs-Crew vorliegen.

Wer sein Data Warehouse nur wöchentlich aktualisiert, kann im heutigen Wirtschaftsleben rasch ins Hintertreffen geraten. Extern wie intern wird mittlerweile immer öfter der Zugriff auf aktuelle Daten in Echtzeit verlangt, und das für immer mehr Prozesse. Das Konzept für die Zukunft heißt daher "Real Time Enterprise" (RTE). Eine Service-orientierte Architektur (SOA) schafft dafür die IT-Basis, unterstützt durch die XML-Sprache BPEL. So gelang es etwa dem Touristikunternehmen AIDA Cruises, den Bordsystemen seiner Kreuzfahrtschiffe alle Reservierungsdaten jederzeit in aktueller Form zur Verfügung zu stellen.

Kreuzfahrtschiffe haben gewaltige Dimensionen: Die Flotte der AIDA Cruises, die derzeit vier Schiffe umfasst, wird im Jahr 2010 auf sieben Luxuskreuzer angewachsen sein und dann täglich über 13.000 Passagiere transportieren. Die logistischen Herausforderungen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, machen es erforderlich, dass das Bordpersonal über die aktuelle Buchungslage jederzeit informiert ist. Es muss genau wissen, welche Passagiere in welcher Kabine einchecken, welche Anreiseflüge und welche Ausflüge sie gebucht haben. Die technische Antwort auf diese Anforderung ist ein prozessorientiertes System mit der Business Process Execution Language (BPEL) als Basis. Die normierte XML-Sprache wurde von Microsoft, BEA und IBM entwickelt und wird zur Umsetzung von Geschäftsprozessabläufen in Software eingesetzt. Auch damit verbundene Dienste können als Web-Services angesprochen werden. OASIS hat im April 2007 die Spezifikation BPEL4WS 2.0 (BPEL for Web-Services) als neuen Standard beschlossen.

BPEL macht eine Verbindung individueller Einzelsysteme zu einer Gesamtwertschöpfungskette möglich und stellt aus Sicht der IT eine funktionierende SOA-Anwendung dar. In der Praxis lässt sich bereits eine Vielzahl solcher Anwendungen finden, die sich durch steigende Geschwindigkeit und Qualität auszeichnen. Diese Lösungen stehen teilweise auch direkt den privaten Nutzern zur Verfügung, wie Beispiele von Bahn- oder Fluginformationssystemen zeigen.

Auch Shop-Systeme im Internet erhöhen durch den Einsatz von BPEL ihre Benutzerfreundlichkeit: Online-Bestellungen fließen mittels EAI-Anwendungen (Enterprise Application Integration) in einen Datenpuffer. Bislang mussten diese Puffer regelmäßig manuell abgefragt und beantwortet werden. Anders beim BPEL-gestützten Prozess. Dieser meldet dem zuständigen Bearbeiter die eingehende Bestellung unmittelbar danach als Ereignis und verarbeitet sie direkt weiter. Erfolgreiche Beispiele für solche Verfahren gibt es auch im Bereich der Lagerlogistik, wo Unterschreitungen von Schwellenwerten eine Bestellautomatik auslösen, die auch gleich angeschlossene Finanzbuchhaltungssysteme einbezieht.

Bei AIDA war die Motivation für die Einrichtung des RTE-Systems zur Verwaltung der Passagierdaten in mehrfacher Hinsicht sinnvoll, berichtet IT-Projektleiter Thomas Stolte: "Einerseits machte das Wachstum des Unternehmens neue Lösungen erforderlich, andererseits hatten wir zunehmend Probleme mit dem Handling, hier passierten einfach zu viele Fehler." Auch der Personalaufwand war beträchtlich, so Stolte weiter: "Die Quelldaten mussten aus unterschiedlichen Oracle- und MySQL-Datenbanken zusammengestellt werden. Daraus wurden manuell die für das Bordpersonal relevanten Informationen generiert, die dann mit Satellitenunterstützung an die Schiffe gesendet wurden - ein zeitintensiver Weg, der außerdem zahlreiche Fehlerquellen in sich barg".

Die einzelnen Prozessschritte bei AIDA

Am Beginn stand die Ermittlung der Reservierungsinformationen. Diese wurden konsolidiert und ins XML-Format transformiert. Danach wurde festgestellt, wer wann welche Dateien erhält und welche Sonderfälle bestehen. Die Herausforderung bestand während der Analyse- und Planungsphase darin, die Vorgänge so zu schachteln, dass sich künftig für die Kreuzfahrtlinie ein optimaler Ablauf der Prozesse ergibt. Vor der Einführung der BPEL-Technik wurden die Daten aus den unterschiedlichen Quellsystemen in einen zentralen Data Hub als "Manifest"-Datenbank eingelesen. Dort wurden die Daten zu Dateien aufbereitet und dann den Crew-Mitgliedern zur Kundenbetreuung per FTP-Verbindung überspielt.

"Diese Abläufe wurden nun mit BPEL neu konfiguriert", schildert Rolf Scheuch, Geschäftsführer des mit Konzeption und Umsetzung beauftragten Systemhauses Opitz Consulting. Der neue Ablauf: Die Crew jedes Schiffs erhält einmalig eine Gesamtdatei und in weiteren Intervallen die jeweiligen Änderungen. Den Bereitstellungszeitpunkt können die betroffenen Mitarbeiter dabei frei wählen. Die bisher individuell vorliegenden Einzelsysteme von AIDA Cruises wurden so für komplexe automatisierte Geschäftsprozesse verbunden, nicht jedoch aufgelöst. Existierende Systeme wie das Reservierungssystem oder die Personenstammdatenbank bleiben bestehen, werden aber "orchestriert". Ermittlung, Bereitstellung und Aufbereitung der Daten erfolgen über Web-Services und werden zu einem neuen Metaprozess zusammengestellt.

Oracle liefert mit der SOA-Suite zahlreiche Adapter, um die gängigsten Systeme anzubinden. Bei AIDA Cruises hilft nun ein Datenbankadapter dabei, die aufzubereitenden Daten in die Prozessebene zu heben. Ein File-Adapter erzeugt die Zieldateien, ein FTP-Adapter sorgt für deren Übertragung. Wenn eine Quelldatenbank vorübergehend ausfällt, kümmert sich das System routinemäßig darum, dass nochmals nachgefragt wird. Das Ergebnis all dieser Vorgänge ist ein jeden Morgen automatisch erstellter "materialized view" der Manifest-Datenbank – also ein automatisch generierter tagesaktueller Blick auf die neuesten Daten aus den Quellsystemen.

Zur Optimierung der Geschäftsprozesse erhalten die Verantwortlichen für Prozessanalyse und -design zeitnah Hinweise auf Schwachstellen und Verbesserungsvorschläge und schließen durch dieses permanente Controlling der Prozesskennzahlen den Regelkreis. Sollte der Rückfluss ausbleiben, könnte der automatisierte Prozess in einem Unternehmen scheitern. Der Regelkreis wäre in diesem Fall nicht geschlossen. Ergeben sich durch das Monitoring geänderte Vorstellungen über Prozessabläufe, so kann der Arbeitsfluss auf einer grafischen Ebene neu modelliert werden. Die BPEL-Engine ändert dann automatisch, basierend auf dem neuen BPEL-File, den auszuführenden Prozessfluss. BPEL liefert damit die Möglichkeit, Modifikationen ohne Verzögerungen im Betriebsablauf vorzunehmen. (ue)

Zentrale RTE-Herausforderungen

  • Einstiegsprojekte in ein Real Time Enterprise (RTE) sollten einen überschaubaren Umfang haben und nicht länger als ein halbes Jahr dauern.

  • Die unterschiedlichen Denkweisen der beteiligten Personen aus den Fach- und den IT-Abteilungen müssen gebührend berücksichtigt werden.

  • Die aus betriebswirtschaftlicher Sicht modellierten Geschäftsprozesse müssen konsequent auf die technische Sicht, zum Beispiel die Workflow-Modellierung, übertragen werden.

  • Der unterschiedliche Wissensstand der beteiligten Personen muss berücksichtigt und gemanagt werden.