CIO-Agenda

CIO-Agenda 2008: "Hinter dem Wiki wird es dunkel"

30.10.2007
Innovativen IT-Abteilungen gelingt es, Kundeninformationen ins Unternehmen zu tragen und firmenübergreifende Prozesse zu organisieren. Vierter und letzter Teil unserer Serie "CIO Agenda 2008: Innovation".

"Prosumption" – unter dieser Überschrift (zusammengesetzt aus production und consumption) stand eine Diskussion darüber, wie die IT dazu beitragen kann, Kundenwissen und –informationen effektiv für Produktion und strategische Ausrichtung zu nutzen. "In vielen Unternehmen sind die meisten Geschäftsprozesse - und damit die IT-Architektur - noch nicht am Kunden ausgerichtet. Das muss sich ändern", sagte Michael Nilles, CIO bei der Bosch Rexroth AG, auf dem Syntegrations-Workshop CIO Agenda 2008 in Zürich. Als Kernproblem erkannte er, dass das Geschäftsmodell vieler Unternehmen historisch um organisatorische Silos wie Geschäftsbereiche oder Technologiefelder gebaut wurde und damit eine ganzheitliche Markt- und Kundenorientierung oft nur im Marketing, weniger jedoch in den Fulfillment- und Serviceprozessen möglich ist (siehe auch: Wie Unternehmen Web 2.0 nutzen).

CIO Agenda 2008 - die Serie

Teil 1: Manchmal fehlt die Risikobereitschaft

Teil 2: Innovation braucht ein solides Fundament

Teil 3: Wie die IT zum Change Agent wird

Teil 4: "Hinter dem Wiki wird es dunkel"

Hintergrund: Die Methode der Syntegration

Die anderen CIOs stimmten Nilles zu: Die IT ist meistens nicht nah genug am Kunden, außerdem kennt sie ihn zu wenig. In der Diskussion zeigte sich, dass große Hoffnungen in Web-2.0-Techniken gesetzt werden. Social Networks, Wikis, Blogs – das alles sind Plattformen, auf denen Kunden Feedback loswerden können: theoretisch eine Goldmine für Unternehmen. Allerdings ist der Umgang mit unstrukturierten Daten und ihre Einbindung in die Unternehmens-IT für die meisten Firmen schwierig.

Geschäftsprozesse und IT-Architektur sind in vielen Unternehmen nicht am Kunden ausgerichtet, beobachtet Michael Nilles, CIO der Bosch Rexroth AG.
Geschäftsprozesse und IT-Architektur sind in vielen Unternehmen nicht am Kunden ausgerichtet, beobachtet Michael Nilles, CIO der Bosch Rexroth AG.

"Hinter dem Wiki ist es dunkel", unkte Jens Hittmeyer, CIO der Maxdata AG. "Web 2.0, Wikis, Blogs – wenn wir diese Dinge hereinlassen, brauchen wir eine Aufbauorganisation, die damit umgehen kann. Das Risiko, in einer Flut von Informationen unterzugehen, ist beträchtlich", so der Maxdata-Mann. Norbert-Karl Falck, Director Corporate IT & Quality Management bei BASF IT Services, empfahl den Aufbau einer entsprechenden Organisation und die Entwicklung einer Policy. "Die Risiken bei Web-2.0-Techniken sind schon aus rechtlicher Sicht beträchtlich", so Falck. Er ließ aber keinen Zweifel daran, dass man sich mit dem Thema beschäftigen müsse.

Wie viel Struktur verträgt Web 2.0?

Sogleich kam die Frage auf, inwieweit sich Web-2.0-Techniken überhaupt mit Regeln und Strukturen vereinbaren lassen. Lässt sich der Kunde das gefallen? Muss sich ein Unternehmen nicht vielmehr öffnen und auf Strukturen weitestgehend verzichten, um die Informationsernte beim Kunden einfahren zu können?

Die Arbeitsgruppe einigte sich auf einige Handlungsempfehlungen, um mit dem Thema Prosumption umzugehen. Zunächst einmal gelte es klarzumachen, welche Kunden überhaupt eingebunden werden sollen. Das können je nach Branche und Geschäftsmodell Endkunden sein, Handelspartner oder auch Großkunden. Ist hier Einigkeit geschaffen, sollte – möglichst auf Initiative der IT – eine Kick-off-Veranstaltung anberaumt werden, in der deutlich wird, welche technischen Möglichkeiten es gibt und welche Prozesse und Systeme angepasst oder gar geöffnet werden müssten.

Mit dem Web 2.0 kommt die Datenflut, warnt Jens Hittmeyer, CIO der Maxdata AG.
Mit dem Web 2.0 kommt die Datenflut, warnt Jens Hittmeyer, CIO der Maxdata AG.

Das Team war sich einig darin, dass eine Öffnung nach außen nicht ohne Folgen für die Unternehmenskultur bleibt. "Wir reden hier über einen Mind Change, einen Paradigmenwechsel", betonte Maxdata-CIO Hittmeyer, der die Arbeitsergebnisse der Gruppe präsentierte. Im nächsten Schritt müsse man sich intensiv mit den Werkzeugen beschäftigen. Was gibt es an Blog- und Wiki-Software, an Such- und Filtermaschinen? Diese Recherche sollte ergebnisoffen erfolgen. Zudem ist eine Umsetzungs-Guideline zu entwickeln, damit alle Beteiligten wissen, wohin die Reise geht

"Start simple and small", lautete eine weitere Empfehlung. Wenn die IT mit diesem Thema in ihrer "üblichen, strukturierten Art" umgehe, dauere es zu lange. Die CIOs zeigten sich risikobereit: Man könne mit einem simplen Projekt einfach mal beginnen, die Ergebnisse auswerten und die "Learnings" auf andere Produkte und Services anwenden. Es geht also um schnelle Antworten für Marketing, Vertrieb oder Produktentwicklung. "Das ganze Vorgehensmodell ist iterativ", referierte Hittmeyer, Fehler müssten in Kauf genommen werden, um weiterzukommen. Automatisierte Feedback-Schleifen einzuziehen dauere zu lange, erstmal müsse ein "menschlicher Filter" dafür sorgen, dass es brauchbare Ergebnisse gibt.

Das CIO-Team einigte sich darauf, auf Policies und Regeln vorerst zu verzichten und diese später "retrospektiv zu entwickeln". Die Initiative könne von einer Taskforce oder einem virtuellen Team mit Teilnehmern aus den betroffenen Funktionen ausgehen, das aber nicht mehr als zwölf Mitarbeiter umfassen dürfe, "damit noch etwas vorangeht". Außerdem sollte ein Risiko-Manager an Bord sein, um die größten Rechts- und Sicherheitsprobleme zu umschiffen. "Wenn die IT so vorgeht, dann zeigt sie, dass sie schnell sein kann und strukturiertes Vorgehen nicht ihr einziger Vorzug ist", schloss Hittmeyer.
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