Memory Resistor

Nie wieder booten…

07.07.2010
Von Rochus Rademacher
In drei Jahren lässt sich ein PC wie eine Lampe anknipsen: Billige und energieeffiziente nichtflüchtige Arbeitsspeicherarchitekturen gehen jetzt aus den Labs in die Entwicklung. HPs Flash- und Festplatten-Alternative liegt bereits auf 300-Millimeter-Wafern vor.

"In drei Jahren wird der Memory Resistor als ein kommerzielles Produkt verfügbar sein und als Ersatz für DRAM, SRAM und Festplatten dienen", sagte Stan Williams, Direktor des Information and Quantum Systems Research Lab von Hewlett-Packard (HP), anlässlich eines Roundtable-Gesprächs in München. Seinen Ausführungen zufolge punktet das Konstrukt aus überkreuzten Nanodrähten und Speicherknoten gegenüber bekannten Speichertechniken in dreifacher Hinsicht: Kapazität, Energieeffizienz und Geschwindigkeit. Da sich der "Memristor" beim Abschalten etwa eines Notebooks den Zustand merkt, ist er beim Anschalten sofort wieder betriebsbereit.

Die Leistungsdaten des nanoskaligen "Non-volatile Random Access Memory" (NVRAM) sind beachtlich. "Eine Speicherzelle besitzt eine Länge von nur drei Nanometern, wodurch wir eine Speicherdichte von einem Terabit pro Quadratzentimeter erreichen", führte Williams aus. "Da wir aber sehr leicht mehrere Schichten übereinander lagern können, sind ein Terabyte pro Quadratzentimeter möglich." Das erste kommerzielle Produkt werde mit 20 Gigabyte pro Quadratzentimeter auf den Markt kommen.

Festplatten und DRAM gehört nicht die Zukunft, meint HP-Forscher Stan Williams. Er glaubt an Memory-Resistor-Technik,
Festplatten und DRAM gehört nicht die Zukunft, meint HP-Forscher Stan Williams. Er glaubt an Memory-Resistor-Technik,
Foto: HP

Mit diesen Kapazitäten kontert der Memristor die klassischen Festplatten und Chips aus - nach HP-Meinung aber auch die NVRAMs, die zum Beispiel von Unternehmen wie STMicroelectronics durch Kombination eines flüchtigen RAM-Speichers mit einer Pufferbatterie gebaut werden. Firmen mit Chipdesign-Kompetenz wie Samsung, Hynix Semiconductor, Crocus Technology, Intel oder IBM testen auch Alternativen wie etwa das magnetoresistive (MRAM) oder das Phase-change Random Access Memory (PCRAM).

"Mit einer Schreibgeschwindigkeit von fünf Nanosekunden und einer Löschgeschwindigkeit von zwei Nanosekunden ist der Memristor schneller als Festplatte und Flash-Speicher", erklärte Williams. Zwar sei er etwas langsamer als ein DRAM dafür aber mit nur einem Picojoule pro Bit viel energieeffizienter. Unschlagbar dürfte der Memristor in jedem Fall hinsichtlich der Herstellungskosten sein: "Wir brauchen keine aufwendige Halbleiterfertigung, der Memristor ist nur ein einfacher Crossbar, der billig in der Fertigung ist", erläutert der HP Senior Fellow.

Im Prinzip besteht der Memristor aus Drähten, die zu einem Gitter angeordnet sind, das an den Kreuzungspunkten mit Titaniumdioxid verbunden ist - einem halbleitenden Allerweltsmaterial, das etwa für die Herstellung weißer Farbe verwendet wird. Der Clou: Fließt durch den Knoten Strom, erhöht sich der Widerstand des Materials. Fließt er in die andere Richtung, sinkt der Widerstand - und wir der Strom ausgeschaltet, bleibt der jeweilige Zustand erhalten. Die Herstellung ist einfach, in bestehende Fabs leicht zu integrieren und weniger anfällig als die Produktion der Feinstrukturen heutiger Chips und Magnetplatten.

Unter die Speicherhersteller will HP aber nicht gehen. "Die Technologie wird lizenziert", erklärt Williams. "Alle Speicherhersteller arbeiten an NVRAMs - und das sind natürlich alles Memristoren, wobei nur wir das Grundprinzip umgesetzt haben", behauptet der HP-Mann. Entdeckt wurde die Theorie der Memristanz 1971 von Professor Leon Chua an der University of California in Berkeley als vierte Komponente elektronischer Schaltungen - neben Widerstand, Kondensator und Spule. "Meine theoretische Arbeit wurde aber vergessen und dann informierte mich 2008 plötzlich Stan, dass er den Memristor gebaut habe", erzählt Chua. "Tatsächlich ist der Memristor noch mehr als ein nichtflüchtiger Speicher, denn konzeptionell sind die Synapsen unseres Gehirns ebenfalls Memristoren." Deshalb sei das Bauteil gebaut das richtige Element, um einen gehirnartigen Computer zu bauen.

In den HP-Labs wird damit bereits experimentiert. "Wir designen einen hybriden CMOS-Memristor-Chip, mit dem wir die Gehirnstrukturen nachahmen können", berichtet Williams. Sinnfrei ist die Forschung aber nicht: Der Chip soll verraten, welche Architekturen für welche Aufgabe besonders geeignet sind.