Apple WWDC

Tim Cook präsentiert kein "One More Thing"

12.06.2012
Vor einem Jahr hatte auf der Apple-Entwicklerkonferenz WWDC noch Mitbegründer Steve Jobs auf der Bühne gestanden.

Acht Monate nach Jobs' Tod feierten die rund 5000 Besucher im Moscone Center in San Francisco seinen Nachfolger Tim Cook, der den Partnern des Unternehmens erneut vor Augen führte, auf welcher Erfolgswelle die Apple-Gemeinde reitet. 400 Millionen Nutzer sind mit ihren Kreditkartendaten im App Store registriert. 650.000 Apps stehen zum Download bereit. An die Entwickler und ihre Unternehmen hat Apple nach Angaben von Cook fünf Milliarden Dollar ausgezahlt. In mehr als 120 Ländern ist die App-Plattform bereits verfügbar, 32 weitere werden diese Liste demnächst verlängern.

Doch auf der WWDC geht es traditionell um mehr als nur die Beziehung zwischen Apple und den Entwicklern. Hier wurde 2003 der erste PowerMac G5 vorgestellt, 2006 der erste Mac Pro, 2010 das iPhone 4. Tim Cook überließ es seinen Mitstreitern im Führungsteam, die diesjährigen Neuheiten zu verkünden: Marketingchef Phil Schiller durfte die runderneuerten Notebook-Familien MacBook Air und MacBook Pro präsentieren. Darunter ist ein neues Super-Notebook mit einem hochauflösenden Display, das vom britischen Design-Chef Jony Ive völlig ohne Understatement als "der beste Computer, den wir je bei Apple gebaut haben" bezeichnet wird.

Bei seinen Notebooks setzt Apple - wie manche Konkurrenten aus dem Windows-Lager auch - auf Intels neue Prozessorarchitektur "Ivy Bridge" und die schnellere Schnittstelle USB 3.0. Beim Spitzenmodell führt Apple jedoch auch seine "Retina" genannte Bildschirmtechnik ein, die eine bislang unerreichte Auflösung von über fünf Millionen Pixeln auf einem 15-Zoll-Bildschirm (38 cm) ermöglicht. Da können die Wettbewerber nicht mithalten.

Nach der Keynote versammelten sich hunderte WWDC-Besucher vor zylindrischen Vitrinen, in denen Apple die neuen Objekte der Begierde ausgestellt hatte. Die meisten WWDC-Gäste ließen sich in ihrer Begeisterung auch nicht von dem Preis abschrecken, den Apple-Manager Schiller zuvor verkündet hatte. In den USA verlangt Apple mindestens 2200 Dollar - üppig ausgestattet kann das Retina-Notebook sogar über 3000 Dollar kosten (ohne Mehrwertsteuer). In Deutschland stehen mindestens 2279 Euro auf dem Preisschild (inklusive Mehrwertsteuer).

Applaus gab es auch für das neue Mobil-Betriebssystem iOS 6, das auf dem iPhone (4S, 4 und 3GS), dem iPad (2 und 3) sowie und dem iPod touch (vierte Generation) als kostenloses Update installiert werden kann. Mit dem neuen System verzahnt Apple seine mobilen Geräte eng mit Facebook, so dass künftig aus zahlreichen iOS-Apps heraus Aktionen auf dem Sozialen Netzwerk angestoßen werden können. So kann man direkt aus der Foto-Anwendung heraus Bilder mit Freunden auf Facebook teilen oder Songs in iTunes in dem Netzwerk empfehlen. Experten gehen davon aus, dass Apple sein eigenes Musik-Netzwerk Ping nicht mehr weiterentwickelt und stattdessen den Spezialisten Facebook und Twitter den Platz überlässt.

Viel vor hat dagegen Apple mit seiner Sprachtechnologie Siri, die künftig auch Spanisch, Italienisch, Koreanisch, Mandarin und Kantonesisch versteht. Bislang gab es Siri nur auf dem iPhone 4S, künftig auch auf dem neuen iPad. Über die Sprachsteuerung gelangen nun auch Sportergebnisse auf den Bildschirm, inklusive Fußball aus den europäischen Spitzenligen. Außerdem kann man via Siri auch seinen Facebook-Status erneuern, eine Kurzmitteilung auf Twitter absetzen oder eine App öffnen.

Wie erwartet verabschiedet sich Apple bei iOS 6 von den Google Maps und setzt künftig eigenes Kartenmaterial ein. Die Anwender von iOS sehen auf den Karten (zumindest für die USA) Verkehrsmeldungen in Echtzeit und können die Map-Anwendung als Navigationssystem nutzen. Das iPhone kann dabei in Echtzeit anonymisiert Verkehrsdaten sammeln, so dass das Ausweichrouten angezeigt werden können. Mit deutschen Autobauern wie Audi, BMW und Mercedes und etlichen asiatischen und amerikanischen Herstellern hat Apple vereinbart, ein darauf angepasstes Dockingsystem einzuführen und für die Aktivierung der Siri-Sprachbedienung einen eigenen Knopf am Lenkrad anzubieten.

So sehr während der zweistündigen Präsentation immer wieder Szenenapplaus der versammelten Entwickler aufbrandete: Nach dem Auftritt waren viele WWDC-Besucher doch enttäuscht. Sie hatten auf das legendäre "One More Thing" gehofft, mit dem Steve Jobs so oft das Publikum überrascht hatte. Doch Tim Cook wollte an diesem Tag keine weitere Neuheit wie ein weißes Kaninchen aus dem Hut zaubern, etwa den von vielen Fans erhofften Apple-Fernseher oder zumindest eine Entwicklungs-Plattform für TV-Anwendungen.

Diese Erwartungshaltung dürften auch viele Investoren gehabt haben. Während de Apple-Aktie zunächst zulegte, gab der Kurs um mehrere Prozentpunkte nach als klar wurde, dass es kein "One More Thing" geben wird. Das Papier ging am Montag schließlich mit einem Minus von 1,58 Prozent aus dem Markt. (dpa/tc)