1. Platz - Rainer Janßen, Münchener Rück

Der Business-Versteher

28.11.2008
Von 
Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.
Rainer Janßen ist CIO des Jahres geworden, weil er die Anwendungsentwicklung der Münchener Rück Service-orientiert aufgestellt hat und neue Wege geht, um Business und IT ins gleiche Boot zu ziehen.
Rainer Janßen von der Münchener Rück wurde 2008 zum CIO des Jahres gewählt.
Rainer Janßen von der Münchener Rück wurde 2008 zum CIO des Jahres gewählt.

Der Mann weiß einen guten Plot zu schätzen. Vielleicht hält er auch deshalb in seiner inzwischen elfjährigen CIO-Karriere bei der Münchener Rück die Spannung immer aufrecht. Nicht indem er die Protagonisten wechselt oder immer wieder neue Nebenschauplätze aufmacht, sondern indem er die IT-Story seines Unternehmens logisch fortschreibt und von Höhepunkt zu Höhepunkt treibt. Wie einem guten Krimi-Autor geht es ihm darum, seine Figuren in ihren Entwicklungsmöglichkeiten zu verstehen, die sie aufgrund ihres Profils haben. Seine Hauptfiguren heißen Business und IT. Über lange Jahre waren sie als Gegensatzpaar angelegt. Nach einer langen und schwierigen Phase der Annäherung stehen sie nun durch einen Kunstgriff des Unternehmens auf der gleichen Seite. Doch dazu später mehr.

Janßens neuester Coup ist eine Reorganisation: "Wir haben die Anwendungsentwicklung Service-orientiert aufgestellt und eine konsequente Multi-Sourcing-Strategie umgesetzt." Was Janßen da so glatt über die Lippen geht, war mit grundlegenden Änderungen verbunden. So ist die Anwendungsentwicklung nicht mehr entlang den einzelnen Applikationen geordnet, sondern in Business- und technikorientierte Servicearten unterteilt.

Interview: "Wir haben viel für das Internet in Deutschland getan"

CW: Am Anfang Ihrer Karriere haben Sie für die IBM gearbeitet. Was haben Sie da gemacht?

JANSSEN: Das war eine spannende Zeit. Die IBM war damals noch viel internationaler aufgestellt als heute. Mitte der 80er Jahre durfte auch noch außerhalb der USA entwickelt und nicht nur installiert und ausgeliefert werden. Mein erstes Projekt war auch gleich mein spannendstes und das aus gesellschaftlicher Sicht relevanteste. Es ging um eine Datenbank für ein Transplantationsinformationssystem. Für die Transplantationsimmunologen der Universität Heidelberg haben wir Daten über Nierentransplantationen und posttransplantative Daten gesammelt, um besser zu verstehen, welche Niere am besten zu welchem Spender passt und welche Folgebehandlungen die höchsten Erfolgsaussichten haben. Aber es ging auch um eine gerechtere Verteilung der vorhandenen Spenderorgane. Wenn Sie eine seltene Blutgruppe haben, ist Ihre Chance auf eine passende Niere sehr viel geringer, als wenn Sie die Blutgruppe Null haben. Dieses Kriterium haben wir berücksichtigt, so dass die optimale Überlebenschance der Niere nicht mehr das einzige Kriterium war, sondern auch die Chance berücksichtigt wird, die ein Dialysepatient aufgrund seiner Blutgruppe überhaupt hat, eine Niere zu bekommen.

CW: Nachdem das Projekt abgeschlossen war, haben Sie als Director des European Networking Center gearbeitet.

JANSSEN: Ja, das war von 1992 bis 1997. Wir haben uns damals mit Breitbandtechnologien und Multimedia beschäftigt. Dinge, die heute selbstverständlich sind, damals aber brandneu waren. Wir haben im Networking Center viel für das Internet in Deutschland getan.

CW: Warum sind Sie dann auf die Anwenderseite gewechselt?

JANSSEN: Als Louis Gerstner begann, die IBM umzustrukturieren, weil das Unternehmen drohte, an seinem bisher verfolgten Weg zugrunde zu gehen, habe ich anfangs begeistert mitgemacht. Aber dann wurde klar, dass die IBM nicht nur neu strukturiert werden sollte, sondern auch zu einer US-zentrischen Company wurde, in der das Denken außerhalb der Vereinigten Staaten nicht mehr so erwünscht war. Als ich das bemerkte, habe ich begonnen, mich umzuschauen. Ich hatte schon einen Vertrag der SAP zur Unterschrift vorliegen, als dann das Angebot von der Münchener Rück kam. Und das hat mir viel stärker zugesagt als der Job bei SAP. Das ist nach elf Jahren als CIO immer noch so.