Zwischenbilanz

09.10.1981

Inzwischen sind in dieser Serie über zwanzig Entscheidungen vorgestellt worden. Weitere sollen folgen, soweit sie mir bekannt werden. Das ist eine Bitte an die CW-Leser, mir Entscheidungen zur Verfügung zu stellen. Die bisherigen Veröffentlichungen dürften gezeigt haben, daß die Vertraulichkeit gewahrt bleibt.

Der Zeitpunkt ist gekommen, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Der Leser sei gewarnt, aus den gekürzten Entscheidungen selber statistische Schlüsse ableiten zu wollen. Denn, inwieweit eine Partei Sieger oder Verlierer ist, kann durch die Kürzung der Entscheidungen wesentlich verzerrt worden sein.

Eingangs hatte ich ausgeführt, daß die Serie auch dazu dienen sollte, die Gerichte zu beurteilen, ob sie der ihnen fremden Materie gerecht werden würden. Ich möchte diese Frage weitgehend bejahen. Bei wenigen Urteilen zeigt sich das Gericht in der Sachverhaltsermittlung unsicher. Das ist aber wesentlich stärker auf den mangelhaften Vortrag der Parteien als auf das mangelnde Verständnis des Gerichts zurückzuführen.

Ganz wenige Urteile überzeugen mich rechtlich nicht. Das liegt aber weniger daran, daß die Materie EDV nicht sachgerecht aufgearbeitet worden wäre, als an EDV-unabhängigen Rechtsfragen, worüber Juristen häufig streiten. Andersherum gibt es ausgezeichnete Urteile, wie die des LG Siegen.

Weniger Lob verdienen die Parteien, und zwar sowohl hinsichtlich ihres prozessualen als auch hinsichtlich ihres vorprozessualen Verhaltens. Gemäß dem Grundsatz, daß Verträge am besten in der Schublade verschwinden sollten (siehe dazu Zahrnt, DV-Verträge, München 1981, Seite 11 f.) wird das Projekt häufig ohne Blick auf die Vertragslage durchgeführt. Im Prozeß werden oft kaum haltbare Positionen bezogen. Respekt verdienen die Zeugen: Sie scheinen mir durchaus weitestgehend die Wahrheit zu sagen; das entspricht auch meinen eigenen Erfahrungen. Man soll das nicht mit dem Hinweis abtun, daß doch kein Arbeitnehmer einen Meineid riskiere. Zeugen brauchen ja nicht gleich zu lügen; aber sie könnten die Dinge mehr schönen, als sie es tatsächlich tun.

Über Sieg und Niederlage etwas auszusagen, ist schwer, weil man das nur im Wege des Vergleichs mit der Gesamtheit aller gerichtlichen Verfahren tun kann, es dort aber praktisch keine Statistiken über Sieg und Niederlage gibt.

Auffällig hoch und damit auch höher als im Durchschnitt aller Verfahren ist anscheinend der Anteil der Vergleiche. Dabei nehme ich als Grundgesamtheit die Zahl aller mir bekannt gewordenen Verfahren. Auffällig hoch ist auch die Zahl der Beweissicherungsverfahren, die nicht zu einem Prozeß führen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit sollten sie nur die Sachlage klären, und die Parteien haben dann einen Vergleich geschlossen.

Zum Verhältnis von Sieg und Niederlage des Kunden gegenüber seinem Lieferanten sollte man auf die Stellung des Kunden als Kläger oder als Beklagter abstellen, um etwas aussagen zu können.

Denn die klagende Partei gewinnt einfach insgesamt häufiger als die beklagte Partei. So haben die Rechenzentren als Kläger fast immer zumindest überwiegend gewonnen, die Auftraggeber als Kläger ebenfalls. Letzteres ist verständlich: Wer kann es sich schon erlauben gegen seinen Lieferanten zu klagen? Eigentlich tut es nur derjenige Auftraggeber, der mit seinem Lieferanten nicht mehr zusammenarbeiten will/muß. Das ist fast ebenso auch andersherum eine Voraussetzung dafür, daß ein Lieferant klagt.

So besteht eine große Lücke zwischen der Einigung am Verhandlungstisch und der Zwangsschlichtung durch ein Gericht. Schiedsklauseln finden sich in Verträgen selten, und von Schiedsverfahren habe ich bisher nichts gehört.