Zwischen Krisengetöse und Fachkräftemangel

06.03.2009
In der IT sind Mitarbeiter gefragt, die ihre Branchen- und Technikkompetenz im Team zur Geltung bringen.

Von den Verwerfungen der Wirtschaftskrise bleibt die IT-Branche nicht verschont - oder doch? Die Signale aus dem IT-Arbeitsmarkt sind widersprüchlich und schwer zu verstehen. Einerseits wollen große Arbeitgeber wie SAP und Microsoft viele Arbeitsplätze streichen. Andererseits klagt die Branche nach wie vor über Fachkräftemangel. Angesichts dieser verwirrenden Meldungen ist es für Berufseinsteiger und Jobsuchende schwer abzuschätzen, wo sie einen passenden und zugleich sicheren Arbeitsplatz finden.

Auf dem Forum Jobs & Karriere der diesjährigen CeBIT haben sich Unternehmen und Personalberater in Vorträgen und Diskussionsrunden darum bemüht, Bewerbern Tipps und Orientierung zu geben. Vor allem ordnen die Unternehmen die sich widersprechenden Nachrichten aus der IT-Industrie ein. "Es gibt kaum noch ein Unternehmen, das ohne Informationstechnologie auskommt. Die Zukunft der gesamten Wirtschaft liegt in der Effizienzsteigerung, die die IT schafft. Wir arbeiten in einer wachsenden Branche", betonte Oliver Tuszik, Vorstandsvorsitzender von Computacenter in Deutschland. Die schlechte Nachricht ist, dass das Stellenangebot schrumpft. Laut Bitkom-Zählung gab es im September 2008 etwa 45 000 offene IT-Stellen. Diese Zahl hat sich mittlerweile auf geschätzte 10 000 unbesetzte Arbeitsplätze reduziert.

Die Branche kann sich also den Turbulenzen der Wirtschaftskrise nicht vollends entziehen, eine Arbeitsplatzgarantie will folglich kein Unternehmen aussprechen. Es gibt aber Segmente, die verlässliche Beschäftigung versprechen. Insbesondere die Anwenderunternehmen erweisen sich als sicherer Hafen. Maschinen- und Automobilbauer sowie Unternehmen der Logistikbranche sind zwar vom wirtschaftlichen Abschwung gebeutelt, ihre Investitionen in langfristig wirkende IT-Projekte scheinen aber ungebrochen. "Anwenderunternehmen sind sehr attraktive Arbeitgeber", sagte Stephan Pfisterer, beim Bitkom zuständig für Arbeitsmarktfragen. "Sie bieten Stellen an der Schnittstelle zwischen betriebswirtschaftlichem und informationstechnischem Know-how. Die Mitarbeiter eignen sich eine Branchenkompetenz an, die sehr gefragt ist." Auch Jobs im IT-Betrieb scheinen vorerst sicher: Die laufende Wartung, Aktualisierung und Pflege der produktiven IT ist wichtig. Zudem sind die Arbeiten und Abläufe häufig bereits sehr effizient gestaltet. "Diese Aufgaben sind nicht so stark konjunkturanfällig", wagte der Bitkom-Manager eine Prognose.

Renaissance der Anwenderfirmen

Die Renaissance der Anwenderunternehmen als attraktive Arbeitgeber bestätigt Hans-Joachim Popp, CIO des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) in Köln: "In der Krise spüren wir eine deutliche Verbesserung unserer Situation. Wir verlieren nicht mehr so schnell wie früher die fitten Mitarbeiter." Zwar versteht sich das DLR aus Ausbildungsstätte für Ingenieure und Forscher, doch den einen oder anderen Mitarbeiter hätte Popp früher gerne länger an Bord gesehen.

In der Diskussion zwischen Anwender- und Anbieterunternehmen sowie Branchen- und Gewerkschaftsvertretern zeigte sich deutlich, dass die Gesprächspartner eher den Fachkräftemangel als eine Entlassungswelle fürchten. Während die letzte Krise in den Jahren 2001 bis 2003 durch die IT und die Internet-Euphorie ausgelöst wurde, ist heute vorherrschende Meinung, dass IT und neue Web-basierende Anwendungen und Geschäftsmodelle den Weg aus der Krise weisen können. Indem die Unternehmen ihre Mitarbeiter halten und schulen, schaffen sie sich gute Entwicklungsmöglichkeiten, denn nach der Krise brauchen sie die qualifizierten Fachkräfte. "Der Aufschwung kommt gewiss", zeigt sich Hans-Joachim Weis von der IG Metall optimistisch. "Wer heute in die Fortbildung seiner Mitarbeiter investiert, kann sofort durchstarten, wenn es wieder aufwärtsgeht."

Projekt-Manager als Teller-Jongleur

Gefragt sind dafür Softwareentwickler, die interdisziplinär und gemeinschaftlich arbeiten. "Programmieren ist Teamarbeit. Wer sich in der Arbeitsgruppe nicht durchsetzen und seine Kollegen nicht von den eigenen Idee begeistern kann, ist fehl am Platz", beschreibt Frank Widmayer, Personalvorstand beim CRM-Hersteller CAS Software. Daher sind bei dem Hersteller Absolventen gern gesehen, die nicht unbedingt einen geraden Lebenslauf, dafür aber auch Engagement abseits des Studiums vorweisen können. Noch anspruchsvoller formuliert Popp das Anforderungsprofil: "Ein Projekt-Manager gleicht einem Teller-Jongleur. Er muss in Krisensituationen kühlen Kopf bewahren und ein Team nervenstark aus schwierigen Situationen herausführen. Das lässt sich erlernen. Und wer das kann, muss sich um seinen Job keine Sorgen machen."

Abschreckendes Berufsbild

Doch es ist nicht der krisenfeste und interdisziplinär geschulte Projekt-Manager, der das Bild vom IT-Experten in der Öffentlichkeit prägt, sondern der technikbesessene und einsame Programmierer. Das bereitet den Managern Sorge, denn Jugendliche, die vor der Berufswahl stehen, schreckt dieses Berufsbild ab. Die Branche steuert also auf ein Nachwuchsproblem zu. Für die IT-Verantwortlichen ist es unerklärlich und ein seltsames Phänomen, dass die Heranwachsenden unabhängig vom Geschlecht die Technik zwar ganz selbstverständlich in ihren Alltag integriert haben, aber wenig Neigung zeigen, sie beruflich selbst weiterzuentwickeln und zu gestalten.

Wenig reglementierte Branche

"Jeder hat Spaß an Technik", warb Tuszik um Berufseinsteiger. "Man muss nicht Programmierer sein, um einen tollen Job in der IT zu finden." In kaum einem anderen Bereich gebe es derart schnelle Veränderungen. Die ständigen Neuerungen fordern jeden Mitarbeiter heraus und machen die Arbeit in der IT spannend, findet der Computacenter-Vorstand. Obwohl die Informationstechnik in vielen Geschäftsbereichen eine Schlüsselrolle spiele, indem sie kritische Abläufe steuert oder wertvolle Daten verarbeitet und speichert, bietet sie den einzelnen Fachkräften große persönliche Freiräume. "Die Arbeit in der IT ist nicht so stark normiert wie in anderen Branchen", lockte Popp. "IT ist nach wie vor eine sich entwickelnde Industrie, die in immer mehr Lebens- und Geschäftsbereiche vordringt." Diese Beobachtung untermauerte er mit einem Beispiel: Ohne IT, so seine Vermutung, hätte er am Morgen der Diskussion nicht das elektronisch gesicherte Hotelzimmer verlassen können.

Arbeitgeber wollen softe Mitarbeiter

In 90 Prozent der Stellenanzeigen für IT-Profis verlangen Unternehmen Soft Skills und lediglich in einem Drittel Programmierkenntnisse.

Die Hamburger Unternehmensberatung PPI hat auf der CeBIT ihre aktuelle Stellenauswertung vorgestellt. Sie untersuchte 600 Online-Offerten für IT-Experten der 100 größten IT- und Beratungshäuser. Erste Überraschung: Die meisten Jobs kommen aus dem Westen der Republik, womit Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Rheinland Pfalz gemeint sind – 60 Prozent der Angebote entfallen auf diese Region. Betrachtet man allerdings die Bundesländer getrennt, liegt Bayern an erster Stelle vor Nordrhein-Westfalen und Hessen. Zweite Überraschung: In nahezu allen Offerten sind Soft Skills Voraussetzung, wobei an erster Stelle Teamfähigkeit und danach Kommunikationsstärke genannt wird. In 87 Prozent der Anzeigen wird darüber hinaus ein Hochschulstudium verlangt – die Tendenz zur Höherqualifizierung nimmt damit ständig zu. Ebenfalls ganz oben auf der Wunschliste stehen Englischkenntnisse. Dagegen hat die Bedeutung der Programmiersprachen abgenommen. Nur in einem Drittel der Anzeigen erwarten Arbeitgeber dieses Know-how. Allerdings ist anzumerken, dass die Offerten in diesem Punkt eher allgemein bleiben und Personaler immer öfter darauf verzichten, genaue Angaben zu den gewünschten Programmiersprachen zu machen. Wenn diese dann doch verlangt werden, rangiert Java vor C++ und SQL ganz vorne.(hk)