CW-Blitzumfrage zum Thema "Make or buy?":

Zwingt fehlende Programmierkapazität zum Kauf von Software?

29.06.1979

"Es vergeht fast keine Woche", schreibt Hugo Schwenk, Konzernbereich Informationssysteme und Datenverarbeitung PWA Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg AG (Raubling), über käufliche Software-Produkte, "in der der ISIS-Software-Report nicht zur Hand genommen wird." Trotzdem sei der "definitive Kauf von Anwendungs-Software sehr gering". Begründung: Individualprobleme lassen sich nicht mit Hilfe von Standardprogrammen lösen, so auch Dieter Weiß, EDV-Chef bei der Deutschen Industriewartung GmbH, München. Ob sich der Kauf zusätzlicher Software gleichwohl nicht vermeiden lasse, "weil Programmierkapazitäten fehlen", wollte die COMPUTERWOCHE von fünf DV-Praktikern wissen. Hier ihre Antworten:

Um den auf dem Personalmarkt schon seit längerer Zeit bestehenden Engpaß an Programmierkapazität zu entgehen, sehen wir mehrere Möglichkeiten.

Um langfristig die Personalnot im Bereich der Programmierung zu bekämpfen, bietet es sich an, geeignete Mitarbeiter dahingehend selbst zu schulen, beziehungsweise das Angebot der Hardware-Hersteller zur Schulung in den Programmiersprachen anzunehmen. Leider stößt diese Art der Personalbeschaffung sehr oft auf die Kritik der Fachabteilungen, da üblicherweise nur solche Kräfte zu interessieren sind, die sich auch im Bereich ihrer Abteilung durch Flexibilität auszeichnen. Sehr gute Erfahrungen konnten in unserem Hause bisher mit der Übernahme von Auszubildenden nach Abschluß der Ausbildungszeit in die EDV-Abteilung gemacht werden. Dabei kommt uns sicher zugute, daß die EDV-Abteilung einen festen Bestandteil im Ausbildungsplan hat. Während des Durchlaufs in der EDV-Abteilung können so bei den Auszubildenden Neigungen und Interessen entsprechend beobachtet werden.

Die fehlende Programmierkapazität durch Kauf von Software auszugleichen, ist unseres Erachtens nicht in jedem Bereich möglich, da doch oft sehr spezifische Eigenheiten der Firma berücksichtigt werden müssen. Der Kauf von Software bietet sich allerdings in den Sachgebieten an, die bereits einen relativ hohen Standardisierungsgrad erreicht haben, wie Lohnabrechnung, Finanzbuchhaltung etc.

Die Installation von gekaufter Software läßt sich nach unserer Erfahrung nicht ohne Anpassungskapazität vollziehen, wobei wir dazu tendieren, die Anpassungen selbst durchzuführen, um

später auch im Haus einen Mitarbeiter zu haben, der mit der Programmierung und Anwendung der Software vertraut ist und auszuschließen, daß schon bei geringsten Änderungen oder Zusatzwünschen auf das Software-Büro zurückgegriffen werden muß.

Auch das Angebot von Standardsoftware stellt sich nicht für jeden gleich dar. Während für die Groß-EDV-Anlagen eigentlich viele Auswahlmöglichkeiten bestehen, sind sie für einen Anwender aus dem Bereich der Basis-Datenverarbeitung doch sehr begrenzt. In fast den meisten Fällen ist man gezwungen, auf Standardsoftware des Herstellers oder diesem nahestehenden Softwarehäusern

zurückzugreifen.

Allgemein kann man sagen, daß die Personalknappheit auf dem Programmiersektor letzten Endes die EDV-Manager selbst zu verantworten haben, da sie, bedingt durch den Termindruck, neue Anwendungen realisieren zu müssen, den Faktor Ausbildung von Nachwuchskräften vernachlässigt haben.

Betrachtet man das Arbeitsergebnis der Programmierer, ihr Produkt also, schlechthin als Software, dann wird bei einer erforderlichen Erweiterung der Software und fehlender Programmierkapazität der Kauf vorgefertigter Software-Erzeugnisse offensichtlich notwendig. Deshalb ist die in dieser Fragestellung liegende Problematik scheinbar schon durch die Formulierung der Frage beantwortet. Doch nur scheinbar, denn nicht allein der nicht vorhandene Programmierer darf für solche Entscheidungen verantwortlich sein. Vielmehr sind, auf der Grundlage der derzeitigen Marktsituation - fallende Hardware-Preise und überproportional steigende Software-Kosten (was gestern nichts oder fast nichts kostete, muß heute teuer bezahlt werden) - , auch noch andere, bestimmende Vor- und Nachteile zu beachten. Dazu gehören insbesondere als Vorteile einer Software-Anwendung:

- Möglichkeit der Anwendung von Programmpaketen, die auf erprobten Systemkonzeptionen beruhen und Rationalisierungseffekte in ganzen Tätigkeitsbereichen realisieren.

- Möglichkeit der Auswahl modernster Verfahren der Informations-Be- und -Verarbeitung (Eigenschulung von Mitarbeitern sehr zeit- und kostenaufwendig).

- Möglichkeit der Anwendung der EDV in jedem Tätigkeitsbereich, da die Software-Hersteller fast alle Informationsprozesse mit Programmen abdecken.

- Möglichkeit des Erfahrungsaustausches bei anderen Anwendern und damit eventuelle Vermeidung von Fehlanwendungen.

Diesen Vorteilen stehen aber nicht unerhebliche Nachteile gegenüber:

- Hohe Kosten beim Software-Erwerb (besonders bei Nur-Miete).

- Großer Aufwand bei der Auswahl, wobei man letztlich doch der Software des Hardware-Lieferanten den Vorzug geben sollte (damit aber wieder Einschränkungen der Auswahl-Freiheit).

- Hohe organisatorische Umstellungskosten (keine Implementierung ohne Anpassungsveränderungen,- Ergänzungen), weil die Software keine individuellen Besonderheiten beinhalten wird und kann.

- Sowohl organisatorische als auch technische Schwierigkeiten bei der Wartung der Software, wenn sie längere Zeit (über fünf Jahre) angewendet werden soll.

- Sehr große Schwierigkeiten, wenn bereits vorhandene eigene Programmentwicklungen mit der Software in einem integrierten Informationssystem funktionieren sollen (umfangreiche Schnittstellenprobleme) .

Es kann also offensichtlich nicht nur fehlende Programmierkapazität als zwingender Grund für den Einsatz von Software angenommen werden. Es sind vielmehr alle "Für" und "Wider" zu untersuchen, und letztlich dürfte ausschlaggebend sein, welche Zielstellung man mit dem Einsatz der EDV verfolgt. Somit kann es kein generelles Ja und auch kein generelles Nein zu der aufgeworfenen Fragestellung geben.

H. Schwenk, Konzernbereich Informationssysteme und Datenverarbeitung PWA Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg AG, Raubling/Obb.

Der ISIS-Software-Report liegt bei meinen Handakten, und es vergeht fast keine Woche, in der er nicht zur Hand genommen wird. Trotzdem, der definitive Kauf von Anwendungs-Software ist sehr gering. Die Vorstellungen des Auftraggebers, die Bedingungen eines weitverzweigten, tief gegliederten Unternehmens verhindern den Einsatz von fremder Software in allen Bereichen von Verkauf und Produktion. Günstiger sind die Bedingungen bei den Verwaltungssystemen wie Realtime-Finanz- und Rechnungswesen, Anlagenbuchhaltung, Personalabrechnung. Das Anlagensystem haben wir gekauft, das Realtime-System für Finanz- und Rechnungswesen werden wir kaufen.

Bei der Betriebssystem-Software kann die EDV alleine entscheiden. Kauf beziehungsweise Miete von einem VSAM-Input/Output-Modul, einem sehr komfortablen JOB-ACCOUNTING-REPORT-System, einem Interaktiven Programmiersystem, einem Bandverwaltungssystem, Moduln für Linkage Editor, Disk Utility etc. wären uns eine erhebliche Hilfe.

Pankraz Windbichler, Buchhaltungsleiter der Brückner Maschinenbau GmbH & Co. KG, Siegsdorf

Wir beschäftigen uns mit der Herstellung und dem Vertrieb von Geräten, Aggregaten, Maschinen, insbesondere mit der Herstellung von Sondermaschinen für den Bereich der Kunststoffindustrie.

Bis 1976 wurden unsere Daten für Finanzbuchhaltung in Verbindung mit Betriebsabrechnung und Kostenstellenauswertung, Lohn- und Gehalt über NCR-Drucker erfaßt und extern bei einem Rechenzentrum verarbeitet und ausgewertet. Dies hatte jedoch zur Folge, daß nie aktuelle Kontostände vorlagen beziehungsweise daß diese nur mit erheblichem Zeitaufwand manuell auf Basis der letzten Auswertung zu ermitteln waren. Aus diesem Grund entschlossen wir uns, ab Anfang 1977, eine EDV-Anlage im Hause einzusetzen, um aktuelle Zwischenauswertungen der verarbeiteten Daten tagfertig abrufen zu können.

Wir haben uns für die vom Systemhaus Strässle in München angebotene Hardware DDC 330 in Verbindung mit den Anwendungssoftwarepaketen "PROFI, PROLOG, VEBREC" für die Bereiche Finanz-, Lohnbuchhaltung und Betriebsabrechnung entschlossen. Diese Programme sind auch erfolgreich im Einsatz.

Für eine geplante Programmerweiterung für die Anwendungsbereiche Einkauf, Lagerhaltung, Materialwirtschaft und Stücklistenorganisation sind wir jedoch wegen fehlender Programmierkapazität gezwungen, zusätzliche Software anzukaufen.

Es war bisher nicht möglich, unseren Vorstellungen entsprechende Software zu erhalten. Besser gesagt, die angebotenen Programme waren aufgrund unserer Struktur speziell im Bereich der Stücklistenorganisation nicht einsetzbar.

Wir sind weiterhin bemüht, speziell auf unsere Belange zugeschnittene Programme zu erhalten, mußten aber feststellen, daß die Angebote am Softwaremarkt weitgehendst erschöpft sind.

Dieter Weiß, Deutsche Industriewartung GmbH, München

Mit dem Entschluß, eine zeitgemäße EDV-Anlage zu installieren, wurden wir mit dem gleichen Problem konfrontiert.

Wir standen vor der Entscheidung, die Programmierabteilung zu erweitern, oder aber die zusätzlichen Aufgaben an ein Software-Haus zu vergeben.

Nach der Auslastungs- und Kostenanalyse sind wir zu dem Entschluß gekommen, die fehlende Kapazität von einem Software-Haus zu kaufen, da die Auslastung der eigenen Programmierabteilung zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben war.

Der Ankauf von Standard-Software für die Bereiche Auftragsabwicklung, Fakturierung, Statistik war in unserem Fall nicht möglich, da unsere Problemstellung zu individuell gelagert war.

Wir haben die Angebote verschiedener Software-Häuser eingeholt. Dabei stellten wir fest, daß einige die Empfehlung geben: "Das Software-Haus macht die Analyse, wir suchen freiberufliche Programmierer."

Somit liegt der Erfolg oder Mißerfolg in unserer Hand.

Wir sind den anderen Weg gegangen!

Vor der Anmietung des neuen Systems haben wir den Auftrag an die Firma Handschuch, München, vergeben. In enger Zusammenarbeit wurde die Ist-Analyse erstellt. Aufbauend darauf wurde die Organisation und Programmierung zu einem Festpreis von diesem Software-Haus durchgeführt.

Wichtig war für uns, daß Organisation und Programmierung von ein und derselben Firma erfolgte, um sicherzustellen, daß Kosten, Termine und Realisation überschaubar und somit kontrollierbar blieben. Der Erfolg dieser Vorgangsweise gab uns recht. Wir arbeiten nunmehr seit Jahren mit dem vom Software-Haus Handschuch erstellten Programmpaket problemlos. Für den Bereich Finanzbuchhaltung wählten wir Standardprogramme von IBM.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß unser Konzept "fehlende Programmierkapazität durch eine Beratungsfirma durchführen zu lassen", die richtige Entscheidung war.

Unser Haus, die Deutsche Industriewartung GmbH, schätzt die Flexibilität und Zuverlässigkeit des uns betreuenden Unternehmens ganz besonders. Dies deshalb, weil wir selbst, als Dienstleistungsunternehmen, uns diesen Prinzipien verpflichtet fühlen.

Wir sind der Überzeugung, daß eine Basis-Programmierungskapazität gewährleistet sein muß. Die Spitzenbelastung werden wir nach wie vor, ermutigt durch unsere Erfahrungen, durch Fremdfirmen ausgleichen.