Runde Summen der richtigen Steuerkategorie sparen

Zweischneidig: Selbständig im DV-Sektor

06.06.1986

Tausende von Mark kann der DV-Freiberufler jährlich bei der Einkommenstaxierung sparen. wenn er nicht als Gewerbetreibender registriert ist. Brigitte Gimpel vom Lehrstuhl für Steuer- und Prüfungsfragen der Fernuniversität Hagen belegt mit Beispielen aus der aktuellen Rechtsprechung, wann welche Voraussetzungen gegeben sind. um die nicht unerheblichen Konsequenzen bei der Einstufung in die Gewerbesteuer zu vermeiden.

Angesichts der steigenden Zahl von selbständig Tätigen im EDV-Bereich als Berater, Systemanalytiker und Programmierer stellt sich für viele dieser Spezialisten die Frage, ob ihre Tätigkeit als freiberufliche oder gewerbliche anzusehen ist. Diese Unterscheidung kann beachtliche steuerliche Konsequenzen haben. Die wesentlichen Unterschiede sind:

- Freiberufler können ihren Gewinn durch Einnahme/Überschußrechnung ermitteln, sie sind nicht zur Buchführung verpflichtet und brauchen keine Abschlüsse zu machen.

- Freiberufler sind von der Gewerbesteuer befreit. Die finanzielle Bedeutung dieser Befreiung läßt ein einfaches Beispiel erkennen: Bei einem maßgebenden Gewerbeertrag von jährlich 60 000 Mark ergibt sich bei einem Hebesatz von 400 Prozent (zum Beispiel in Frankfurt) nach Abzug eines Freibetrages von 36 000 Mark eine Gewerbesteuerbelastung von 4800 Mark.

- Für Freiberufler besteht die Möglichkeit des Abzugs eines Freibetrags nach Paragraph 18 Absatz 4 EStG von fünf Prozent der Einnahmen aus freier Berufstätigkeit, aber maximal 1 200 Mark.

Unsicherheit über eigenen Status

Für die Betroffenen selbst ist es oft schwierig, ihre eigene Tätigkeit im Hinblick auf diese Unterscheidung zu beurteilen. Daher befassen sich die folgenden Ausführungen mit Beispielen aus der Rechtsprechung, die Anhaltspunkte für die Beurteilung von Tätigkeiten im DV-Bereich geben können. Besprochen werden Urteile über konkrete Einzelfälle, die vom Bundesfinanzhof als der letzten Instanz in steuerlichen Fragen gefällt wurden. Bundesfinanzhof-Entscheidungen haben besondere Bedeutung, da sie oft Grundlage für die Rechtsauslegung und die Anwendung auf parallel liegende Fälle darstellen.

Rechtsgrundlage für die Urteile bildet Paragraph 18 des Einkommensteuergesetzes, in dem die Zugehörigkeit zu einem der freien Berufe durch Aufzählung bestimmter Tätigkeit und der sogenannten "Katalogberufe" geregelt ist:

"Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, erzieherische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigten Bücherrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe . . . Voraussetzung ist, daß er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird."

In Anwendung dieser Vorschrift werden EDV-Berater zum Teil als freiberuflich anerkannt, zum Teil als gewerblich eingestuft. Um die Gründe für die Entscheidungen deutlich zu machen, werden im folgenden einzelne Urteile beispielhaft erläutert:

Ein Bundesfinanzhof-Urteil vom 21. 5. 1975 befaßt sich mit dem Fall eines selbständigen Beraters für Datenverarbeitung, dessen Tätigkeit darin bestand, Unternehmen zu beraten, wie deren betriebliche Organisation durch den Einsatz von EDV-Anlagen optimal zu gestalten sei, Der Kläger hatte nach Volksschulbesuch und Kaufmannsgehilfenprüfung eine einjährige Ausbildung in betriebswirtschaftlichen Fragen und Datenverarbeitung sowie einige betriebswirtschaftliche Kurse an einer Volkshochschule absolviert.

Das Gericht entschied, daß das Berufsbild eines EDV-Beraters nicht mit dem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts verglichen werden könne, und zwar mit folgender Begründung: Ein EDV-Berater, der die Ähnlichkeit seines Berufs mit demjenigen eines beratenden Betriebswirts in Anspruch nehme, müsse fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse besitzen. Als Betriebswirt komme in Betracht, wem nach einem entsprechenden Studium oder nach einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung die hauptsächlichen Bereiche der Betriebswirtschaft und nicht nur ein einziges Spezialgebiet vertraut seien. Die fachliche Breite müsse praktisch eingesetzt werden können und tatsächlich gebraucht werden. Eine gewisse Spezialisierung stehe allerdings der Annahme der Freiberuflichkeit nicht im Wege. Die erforderliche Breite sei grundsätzlich noch gegeben, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich erstreckt. Als typische betriebliche Hauptbereiche werden genannt:

- Fragen der Führung

- Fragen der Fertigung

- Fragen der Materialwirtschaft

- Fragen des Vertriebs

- Fragen des Personalwesens

- Fragen des Verwaltungs- und Rechnungswesens

- Fragen des Unternehmensbestandes.

DV-Beratung ist keine BWL-Tätigkeit

Die Datenverarbeitung wird nach der Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht als betrieblicher Hauptbereich, sondern als Teilbereich des Verwaltungs- und Rechnungswesens angesehen. Daher wird auch die Beratung für Datenverarbeitung nicht als umfassende betriebswirtschaftliche Beratung gewertet, sondern als Beratung auf einem engen betrieblichen Sektor, die somit gewerblichen Charakter hat.

In einem weiteren Urteil vom 3. 12. 1981 wird diese Begründung wieder aufgenommen. Hier wurde über einen Fall entschieden, in dem sich die Beratung auf die Verwendung bereits vorhandener Anlagen erstreckte, mit dem Ziel der Programmierung dieser EDV-Anlagen. Die Ähnlichkeit dieser Tätigkeit mit der des beratenden Betriebswirts wird auch hier verneint. Zusätzlich wird ausgeführt, daß dies auch nicht als wissenschaftliche Tätigkeit im Sinne des oben erwähnten Paragraphen 18 EStG zu werten sei, da die zur Vorbereitung der elektronischen Bearbeitung erforderlichen Kenntnisse nicht wissenschaftlicher Art seien. Im konkreten Fall schied die Annahme einer wissenschaftlichen Tätigkeit auch deshalb aus, weil die Klägerin ihre beruflichen Kenntnisse nicht durch ein Hochschulstudium oder eine gleichwertige Ausbildung erworben hatte.

Ebenfalls geprüft und verneint wurde die Ähnlichkeit mit der Berufstätigkeit des Ingenieurs, da diese Ähnlichkeit eine Ausbildung voraussetze, die mit der des Ingenieurs verglichen werden könne, insbesondere hinsichtlich der theoretischen Grundlagen. Auch in diesem Falle wurde also die Freiberuflichkeit nicht anerkannt, so daß die Klägerin gewerblich tätig war.

Systemanalyse als freiberufliche Arbeit

Günstiger für den Betroffenen fiel dagegen die Entscheidung im Fall eines selbständigen Diplom-Informatikers aus (BFH-Urteil vom 4. 8. 1983). Der Kläger, der zusätzlich graduierter Ingenieur im Fachbereich Elektrotechnik ist, hatte die Aufgabe, für Kunden Vorschläge zur Lösung betrieblicher Probleme mit Hilfe von DV-Anlagen zu machen, sogenannte Systemanalysen. Die eigentliche Programmiertätigkeit führte er nicht aus.

Zwar wurde auch in diesem Fall an der Auffassung festgehalten, daß die Tätigkeit als EDV-Berater der des beratenden Betriebswirts nicht ähnlich sei. Es wurde aber eine Ähnlichkeit mit der Berufstätigkeit des Ingenieurs anerkannt, so daß in diesem Fall die Freiberuflichkeit bejaht wurde. In der Begründung wird dargelegt, daß der Kläger nicht als Ingenieur im überkommenen Sinn tätig war. Trotzdem wird die Ähnlichkeit bejaht, da die Tätigkeit eines Systemanalytikers eine Ausbildung voraussetze, die mit der Berufsausbildung des Ingenieurs verglichen werden könne. Das Studium der Informatik und dessen Abschluß weise eine deutliche Verwandtschaft mit dem Studium der Ingenieurwissenschaften auf. Ein Bezug zu mathematischtechnischen Fragen sei vorhanden.

Eine gerade veröffentlichte Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs bestätigt die Tendenz dieser Entscheidung, daß eine Ähnlichkeit mit einem der Katalogberufe eine vergleichbare Berufsausbildung erfordert. Demnach ist ein Diplom-Mathematiker, der als Unternehmensberater für Datenverarbeitung mit Schwerpunkt Systemanalyse arbeitet, freiberuflich tätig. Im konkreten Fall ging es um folgendes Arbeitsgebiet:

- Beratung und Problemanalyse

- Rahmen- und Detailorganisation

- Ausarbeitung und Erstellung von Computerprogrammen und Austesten dieser Programme.

Interessant ist, daß diese Tätigkeiten - unabhängig etwa von der Qualität der mathematischen Modelle - als Ingenieurtätigkeiten anerkannt werden. Selbst Programmierarbeiten durch den Kläger stellten dieses Ergebnis nicht in Frage.

Schlußfolgerungen

Welche Schlußfolgerungen lassen sich also aus diesen und ähnlichen Urteilen ziehen?

- Grundsätzlich können auch Tätigkeiten als freiberufliche anerkannt werden, die in Paragraph 18 EStG nicht aufgezählt sind. Von den Ausnahmen der erzieherischen, unterrichtenden oder wissenschaftlichen Tätigkeiten abgesehen, bleibt EDV-Spezialisten nur die Möglichkeit, eine Ähnlichkeit mit einem der im Gesetz genannten Katalogberufe geltend zu machen.

- Voraussetzung ist in jedem Fall daß die betreffende Tätigkeit einer der aufgeführten Tätigkeiten tatsächlich ähnlich ist. Dies ist nur der Fall, wenn das typische Bild einer der aufgezählten Berufe mit allen Merkmalen dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit vergleichbar ist.

- Setzt der Katalogberuf eine qualifizierte Ausbildung voraus, so muß auch die Ausbildung desjenigen, der einen ähnlichen Beruf ausübt, vergleichbar sein. Demzufolge haben Systemanalytiker, Organisatoren oder Systemingenieure, die ein naturwissenschaftliches Studium absolviert haben, sicherlich die besten Voraussetzungen, als Freiberufler die Gewerbesteuer zu vermeiden.

- Nachzutragen bleibt noch, daß die Betroffenen in jedem Fall auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein müssen, um die zweite Voraussetzung des Paragraphen 18 EStG zu erfüllen.

Für weitergehende Information: Die Urteile wurden veröffentlicht im Bundessteuerblatt, Teil 2, und in der Zeitschrift "Der Betrieb" (DB).